Gerade Großunternehmen leiden aus unterschiedlichsten Gründen unter Erschöpfungszuständen: Das ist nicht nur erkennbar an der Zunahme psychischer Belastungen auf individueller Ebene wie bspw. „Burn out“ oder „Bore out“, sondern auch am Miteinander, manchmal geprägt durch Zynismus oder einen sarkastischen Unterton bis hin zu mangelnder Kreativität und Innovationskraft, abzulesen an wenig eingebrachten Verbesserungsvorschlägen oder beantragten Patenten. Die Menschen sind müde und fühlen sich erschöpft. Ein Dauerzustand, der sich in manchen Unternehmen breit macht und lähmende Effekte nach sich zieht. Aber irgendwie funktioniert „ES“ ja noch, „MAN“ hat sich arrangiert, das wirkliche Leben findet dann in der Freizeit statt.
Neben unseren persönlichen, natürlich immer subjektiven Eindrücken, bestätigen diese Phänomene seit Jahren ernstzunehmende Studien. International sicherlich am bedeutendsten und am breitesten aufgestellt die Gallup Forschungen (z.B. 2014), vor allem bezogen auf das Konstrukt „Engagement“. Ähnlich konzipiert – allerdings mit deutschsprachigem Fokus auf Kleinere und Mittlere Unternehmen (KMU) – die Top Job Trendstudien der Uni St. Gallen (Bruch & Fischer 2014). Fokussiert wird hier das Konstrukt der „Organisationalen Energie“.
Vier Energiezustände von Organisationen werden unterschieden: Resignative, korrosive, angenehme und produktive Energie. Erstrebenswert für – wir würden von „gesunden“ -Unternehmen sprechen, sind die letzten beiden Energiezustände.
Produktive Energie wirkt sich positiv hinsichtlich der gesamten Unternehmensleistung, des Wachstums sowie der Kundenzufriedenheit aus, aber auch bzgl. Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitgeberattraktivität und Innovationskraft. Was will man mehr? Angenehme Energie beschreibt einen Zustand, in dem die Mitarbeitenden zufrieden sind und sich in der aktuellen Situation wohl fühlen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist der Aspekt, dass für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung der Anteil angenehmer Energie ebenfalls relativ hoch sein sollte, da sonst die Gefahr bestehe, dass die Mitarbeitenden keine Möglichkeit einer angemessenen Regeneration haben. Übersteigt jedoch die angenehme Energie den produktiven Energiezustand, droht die Trägheitsfalle, die Komfortzone, in der „man“ es sich gemütlich eingerichtet hat. Wolfgang Schäuble hat unlängst passend festgestellt: „Wenn die Leute nur noch zufrieden wären, würden wir ja alle einschlafen“ (FAZ, 28.12.2014).
Bleibt abschließend nur noch die Frage, was Sie tun können, um Engagement und Energie in Ihrem Unternehmen lebendig und produktiv zu halten? Aus Sicht der Top Job Studie sind es sinngemäß die folgenden sechs Punkte, die erschöpften Organisationen entgegenwirken:
- Mobilisieren Sie Energie durch exzellente Führung.
- Entwickeln Sie unter Einbeziehung Ihrer Mitarbeitenden eine klare Strategie.
- Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her. Die Zusammenarbeit auf Geschäftsführungsebene beeinflusst die gesamte Organisation. Positiv wie negativ.
- Kommunizieren Sie positives Kundenfeedback an Ihre Mitarbeitenden – das motiviert.
- Bauen Sie eine Vertrauenskultur auf.
- Stimmen Sie Ihre gesamte Personalstrategie mit der Unternehmensstrategie ab.
Was sagen uns diese Ergebnisse? Führung ist einmal mehr Schlüssel und der größte Stellhebel, das wussten Sie schon. Investieren Sie hier – nachhaltig.
Lesende auf „C-Level“-Ebene sollten sich fragen, wie es tatsächlich um die Zusammenarbeit in ihrem Führungsgremium steht. Die Ergebnisse machen deutlich: Auch hier lohnen sich Investitionen, selbst wenn es ein unangenehmer Weg sein mag, anstrengend, Ausgang ungewiss, Enttäuschungen vorprogrammiert.
Für alle HR-Vertretenden sicherlich erfreulich der letzte Punkt – Labsal hinsichtlich der schwindenden Bedeutung der Personaler im Unternehmen. Für Sie – als Lesende dieser Notizen – jedoch eher Bestätigung unseres Credo’s, HR muss mit der Unternehmensstrategie gekoppelt und an der Ausrichtung derselben beteiligt sein.
Ingo Kallenbach Reflect | Strategische Personalentwicklung
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