Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und staatliche Institutionen beschäftigen sich fieberhaft mit Strategien für das digitale Zeitalter und loten aus, wie dieser technologische Megatrend Veränderungen in alle Lebensbereiche trägt. Die Erkenntnis reift, dass sämtliche Strukturen und Prozesse den Digitalisierungs-Check über sich ergehen lassen müssen. Dabei geraten prominent auch Sourcing-Strategien unter den Veränderungsdruck. Viele Unternehmen haben allerdings bis heute keine solche Strategie und laufen Gefahr, im Sog der Veränderungen die Übersicht zu verlieren.

Der Takt für die Anpassung der Sourcing-Zyklen ist durch einen sehr dynamischen Provider-Markt in den letzten Jahren schon erheblich beschleunigt worden. Jetzt geben die vielfältigen Optionen der Digitalisierung noch einmal mehr Druck auf den Kessel. Vorbei die Zeit langfristiger Sourcing-Verträge mit Service-Level-Agreements (SLAs) und Pflichtenheften, die über die Jahre nur geringfügig verändert wurden und auch im Fall eines Providerwechsels die Blaupause für den nächsten Vertrag waren. Sowohl die Technik als auch die handelnden Personen sind in Bewegung geraten und die Forderung nach einer grundlegenden Neuorientierung in bewegten Zeiten wird lauter. Das war eine der wichtigen Erkenntnisse, die führende Sourcing-Dienstleister bei einem Sourcing-Gipfel im März dieses Jahres miteinander austauschten, zu dem die COMPUTERWOCHE eingeladen hatte. Wenn Ende Mai in Köln die interessierte Fachöffentlichkeit zum Sourcing Day 2017 zusammenkommt, darf man auf weitere wichtige Impulse gespannt sein.

INNOVATIONEN VON MORGEN NICHT MIT LANGFRISTIGEN VERTRÄGEN ERSCHWEREN

Digitalisierung setzt heute an zwei Stellen an, im technischen Angebot und in der praktischen Anwendung. In vielen Unternehmen hat sich aus den Abteilungen heraus eine Schatten-IT entwickelt, die Fachanwender gehen an der Bestands-IT vorbei Verträge mit externen Dienstleistern ein. So gelangen sie schneller zum Ziel, attraktive Anwendungen nutzen zu können. Cloud-Anwendungen sind weit verbreitet und der technische Abgleich mit der eigenen IT findet hier nur noch rudimentär statt. Der Zukauf von IT-Leistungen kann somit die Digitalisierung vorantreiben.

Das ist auf längere Sicht aber eine fatale Entwicklung. Entdecken die Fachbereiche ein attraktives Tool, gehört die IT mit an den Tisch. Sonst scheitert die Digitalisierung am Ende an der Integration in die bestehenden Systeme und Prozesse. Aus diesem Grund sind flexible, kostengünstige und sichere Architekturen im Unternehmen aufzubauen. Genauso wichtig ist das Commitment der Unternehmensführung. Die Geschäftsleitung muss die Digitalisierung zu ihrem eigenen Anliegen machen.

Forderungen muss sich aber auch die IT gefallen lassen, wenn sie über Sourcing-Verträge Einfluss nimmt auf die Flexibilität zukünftiger Anwendungen. Wenn Sourcing-Verträge langfristig abgeschlossen werden und vor allem die Kostenfrage in den Vordergrund stellen, kann das Fortschritt verhindern und die Entwicklung einer „IT der zwei Geschwindigkeiten“ weiter vorantreiben, die schon heute in vielen Unternehmen Alltag ist.

IN DER VIELFALT DER OPTIONEN DAS EIGENE IM BLICK BEHALTEN

Einige Unternehmen nutzen heute in ihren verschiedenen Abteilungen hundert und mehr Cloud Lösungen. Die Dynamik, die das mit sich bringt, ist für viele IT-Abteilungen nicht mehr zu bewältigen. Diese verlorengegangene Kompetenz müssen sich die IT-Verantwortlichen zurückholen. Digitalisierung als Corporate-Governance-Thema muss in der zentralen IT verantwortet werden, so die Ansicht vieler Experten.

Auch der Einkauf gerät in den Strudel der Informations- und Angebotsflut und verliert dabei oft die Sicherheit für das eigene Handeln. Mit der Digitalisierung bekommt der IT-Einkauf eine größere Bedeutung und wird ihr ohne fachliche Unterstützung doch immer weniger gerecht.

Eine unüberschaubar große Zahl an IT-Dienstleistern trägt zu dieser Verunsicherung bei. Die Zusammenarbeit mit vielen kleinen Dienstleistern hat vielleicht Vorteile, sicher aber produziert sie ein Governance-Problem. Wenn nämlich diese Dienstleister in kurzer Folge fusionieren, wird der Kern des Problems deutlich. Es ist schon eine Herausforderung für Betrieb und Planung, selber nicht die letzte Sicherheit über die eigene IT und deren innere und äußere Bezüge zu haben. Nicht minder schwierig ist es, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich regelmäßig neu aufstellen, weil sie fusionieren oder geschluckt werden.

SOURCING ODER INNOVATION? EIN SCHEINGEGENSATZ!

Was sind die aktuellen Forderungen?

Die Zeit ist reif für eine IT-strategische Neuausrichtung, die die IT im Unternehmen ganzheitlich in den Blick nimmt und die dynamischen Bedürfnisse aus den Abteilungen berücksichtigt. Stamm-IT, Fachabteilungen, Digitalisierungs-Prognostiker und Unternehmensstrategen müssen an einen Tisch, um gemeinsam an einer zukunftsfähigen IT zu arbeiten.

IT steht unter Kostendruck. Der Fachkräftemangel trifft die Unternehmen spürbar. Sourcing ist daher eine denkbare Lösung, um die Digitalisierung voranzutreiben. Wie viel Sourcing sinnvoll ist, wie langfristig und wie umfassend Sourcing angelegt wird, ist eine Frage der Bedeutung für das Kerngeschäft und abhängig von der zukünftigen Flexibilität, die gewünscht wird.

Digitalisierung ist ein Megatrend mit außerordentlich weitreichenden Folgen. Technologie-Prognostiker, Business-Strategen und Visionäre müssen Szenarien entwickeln, wohin die Digitalisierung das einzelne Unternehmen führen wird. Wenn diese Experten ihre Arbeit getan haben, können die Praktiker von heute die Frage beantworten, wie agil, sicher und wandelbar die IT von Morgen sein muss und entsprechende Architekturen skizzieren.

Sourcing-Verträge müssen variantenreicher werden. Neben Preis und Verfügbarkeit müssen in Zukunft die Faktoren Variabilität und Anpassung die offenen Optionen zukünftiger technischer Optionen mitberücksichtigen. Sicherheit und Continuity Management werden eine immer größere Rolle spielen und müssen in die Sourcing-Strategien mit einfließen. Unter dieser Voraussetzung sind auch langfristige Sourcing-Verträge kein grundsätzliches Hindernis mehr.

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