Diese Entscheidung hat bereits die Aufmerksamkeit der Fachpresse gefunden und wurde z.B. vor kurzem in der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht veröffentlicht (ZIP 2017, 671).
Zwar war unsere Gewerkschaft in dem Verfahren unterlegen, der Beschluss enthält aber zahlreiche Facetten, die einer breiteren rechtswissenschaftlichen Diskussion bedürfen. Darüber hinaus dürften sich parallele Fragen in zahlreichen gerichtlichen Verfahren zur Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern ergeben. Insbesondere ist insoweit anzusprechen:
– Behandlung von Interessenkonflikten bei einem Wechsel von Organmitglieder unter Wettbewerbern: Das OLG Stuttgart geht hier mit den strafbewehrten gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten überraschend großzügig um und ist der Auffassung, dass Wissen aus Beratungen im Aufsichtsrat der Audi AG in weitem Umfang in den Aufsichtsrat der Daimler AG eingebracht werden darf. Wörtlich spricht das OLG sogar selbst von einem zulässigen "Transfer" (S. 18 dort bb).
Auch die unter diesen Vorzeichen bei einem Wechsel unter Wettbewerbern naheliegende cooling off – Periode zum Schutz der abgebenden Gesellschaft, wurde verworfen (S. 18, dort e))
– Nicht nur für diesen Einzelfall von Interesse sind schließlich die Überlegungen des OLG zu Interessenkonflikten aus Mehrfachmandaten von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern innerhalb der Deutschland AG, die hier zu Lasten der Gesellschaften dem Entstehen von Konflikten breiten Raum lassen (S. 10 ff).
– Standesbewusste Volljuristen werden sicher auch mit Freude die Überlegungen zum Stellenwert einer solchen Ausbildung lesen; in der Unternehmensleitung erfahrene Kaufleute dürften dies hingegen mit deutlichen Zweifeln zur Kenntnis nehmen (s. 17 f).
– Aus Gewerkschafts- und ordnungspolitischer Sicht öffnet die Entscheidung schließlich mit der These, dass eine pluralistische Interessenvertretung im Aufsichtsrat nicht geboten sei (S. 19 dort g) bis S. 22) breiten Raum für eine Diskussion de lege lata und de lege ferenda. Dies auch deshalb, weil jedenfalls für die Anteilseignerbank die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex mit der Änderung vom 7. Februar 2017 in Ziffer 5.4.2 des Kodexes genau die Gegenposition zum OLG Stuttgart einnahm.
– Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Entscheidung für breitere Kreise lesenswert: Das OLG äußert sich zum Entscheidungsmaßstab im Beschwerdeverfahren (eigene Entscheidung statt Fehlerkontrolle, S. 8 dort Ziffer 2) und tritt mit der These der Verzichtbarkeit einer mündlichen Verhandlung (S. 25 Mitte) nicht nur in Widerspruch zur dort zitierten Rechtsprechung und Schrifttum, sondern auch zur Gesetzesbegründung BtDrs. 16/6308 und wie sich aus dieser ergibt, Artikel 6 EMRK.
Diskussionsfähig ist auch die Abwendung vom Gesetzeswortlaut, dass im Bestellungsverfahren nur Vorstandsmitglieder äußerungsberechtigt sind und nicht die Gesellschaft selbst. Hier setzt sich das OLG in offenen Widerspruch zur Kammergerichtsentscheidung OLGZ 1966, 596, 597), verweigert aber trotzdem die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG.
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