Wenn nächstes Jahr, 2018, das Kilogramm neu definiert wird, werden die Technische Universität Ilmenau und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die Waage entwickelt haben, die nötig ist, um es zu messen: die Planck-Waage. Die hochpräzise elektronische Waage misst nicht wie bisher mit Bezug auf das Ur-Kilogramm oder unter Einsatz von Gewichtsstücken, sondern bezieht sich auf eine unveränderliche Naturkonstante: die Planck-Konstante. Die Waage wird weltweit zum Kalibrieren anderer Waagen dienen, damit diese mit der neuen Methode in Übereinstimmung gebracht werden. Sie wird aber auch direkt in der Industrie eingesetzt, um Gewichtsstücke zu messen. Zahlreiche gesellschaftliche Bereiche haben einen großen Bedarf an hochpräzisen Waagen: Pharmaunternehmen zum präzisen Dosieren von Medikamenten, Eichämter zum Kalibrieren von Lebensmittelwaagen und die Polizei bei forensischen Untersuchungen, beim Nachweis von Giftstoffen und in der Ballistik.

Im kommenden Jahr wird das Kilogramm eine Revolution erfahren. Denn das Ur-Kilogramm – ein vier Zentimeter kleiner Zylinder aus Platin und Iridium, der seit 1889 unter drei Glasglocken in einem Tresor bei Paris steht – wird immer leichter. In hundert Jahren hat es 50 Millionstel Gramm verloren. Da sich alle Waagen auf der ganzen Welt über Umwege auf dieses Unikat beziehen, wird allenthalben, wenn auch nur minimal, falsch gewogen. Denn während das Ur-Kilo immer leichter wird, bleiben baugleiche Kopien des Prototyps weltweit stabil – was aber, da ja das Ur-Kilo das Maß aller Dinge ist, theoretisch bedeutet, dass sie langsam schwerer werden. Benötigt wird ein neuer Standard, der sich niemals verändert, nicht beschädigt werden oder gar verloren gehen kann.

2018 wird auf der 26. Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Paris ein neues „Kilogramm“ verabschiedet – eines, das nicht mehr über einen Gegenstand, eine physische Masse, definiert wird, sondern über eine Naturkonstante: die Planck-Konstante. Die hochpräzise, stufenlos messende Planck-Waage, die von der TU Ilmenau und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entwickelt wird, funktioniert nach dem Prinzip der elektromagnetischen Kraftkompensation. Vereinfacht gesagt, wird ein zu wiegendes Massestück auf der einen Seite der Waage durch eine elektrische Kraft auf der anderen Seite aufgewogen. Diese elektrische Kraft ist untrennbar mit der Planck-Konstante verbunden und lässt sich so unmittelbar auf die neue Kilogramm-Definition zurückführen. Da die Waage das erste selbstkalibrierende Messgerät seiner Art ist, werden Masse-Normale, die bisher als Referenzmassen für die Kalibrierung von Waagen dienen, nicht benötigt. Ein weiterer Vorteil der Planck-Waage ist ihr großer Messbereich: Er reicht von einem Milligramm bis zu einem Kilogramm. Ende dieses Jahres wird ein erster Prototyp der Waage einsetzbar sein.

Das Institut für Prozessmess- und Sensortechnik der TU Ilmenau, das die Planck-Waage federführend unter der wissenschaftlichen Verantwortung von Professor Thomas Fröhlich mitentwickelt, ist im Bereich der industriellen Kraftmess- und Wägetechnik und der nanometergenauen Lasermesstechnik weltweit führend. In den vergangenen zehn Jahren wurden hier Messgeräte entwickelt, die als „genaueste Waage der Welt“ galten. Die Erkenntnisse, die aus der Entwicklung eines sogenannten 1-kg-Prototypkomparators gewonnen wurden, flossen direkt in die Forschung zur Planck-Waage ein. Dieser hochgenaue Massekomparator wird bereits in metrologischen Staatsinstituten auf der ganzen Welt für den Vergleich von Kilogramm-Prototypen eingesetzt.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist als weltweit führendes Metrologieinstitut maßgeblich an der Neudefinition des Kilogramms beteiligt und trägt dazu bei, das gesamte internationale Einheitensystem mit all seinen physikalischen Größen auf eine Basis von unveränderlichen Naturkonstanten zu stellen. Um das Kilogramm auf der Basis von Naturkonstanten neu zu definieren, werden weltweit zwei Wege verfolgt: das Avogadro-Experiment, in dem in einem nahezu perfekten Kristall, einer Kugel aus isotopenreinem Silizium, die Zahl der Atome bestimmt wird. Und die Watt-Waage, die ähnlich wie die Planck-Waage die Gewichtskraft einer Masse im Schwerefeld der Erde durch eine elektromagnetische Kraft kompensiert. Für beide Experimente wird der Wert der Planck-Konstante ermittelt, sodass sich beide Ansätze auf der Ziellinie treffen. Während die PTB vor allem den Weg über die Siliziumkugel beschreitet, favorisieren andere Metrologieinstitute wie das US-amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) und das kanadische National Research Council (NRC) die Watt-Waage. Um die Industrie in Zukunft mit Waagen nach beiden Standards versorgen zu können, entwickelt die PTB nun gemeinsam mit der TU Ilmenau die Planck-Waage als industrietaugliche Variante einer Watt-Waage.

Das 1,5 Millionen-Euro-Projekt zur Entwicklung der Planck-Waage wird im Rahmen des „VIP+-Programms“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Projektträger ist die VDI/VDE Innovation + Technik GmbH.

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