Ein holzbaubegeisterter Bürgermeister, drei inspirierende Professoren und über 120 beeindruckte Teilnehmer waren am 29. September beim 4. Regionalen Holzbautag des DHV in Binswangen zu Gast. Was ihnen dort im neuen Erweiterungsanbau des historischen Schillinghauses sowie in den Werkshallen des DHV-Mitgliedsunternehmens Gumpp & Maier geboten wurde, darf mit Fug und Recht als Einblick in die Holzbau-Zukunft gelten.

DHV-Präsident Erwin Taglieber stellte gleich zu Anfang klar, worum es im Bausektor in der neuen Legislaturperiode gehen muss: „Wir fordern zuallererst die Änderung der Energie-Einsparverordnung in eine CO2-Einspar-Verordnung. Nur, wenn wir uns den Herausforderungen des Klimawandels mit offenem Visier stellen, können wir auch Erfolge verbuchen. Leider ist es im Deutschen Bundestag bisher so, dass sich scheinbar niemand so recht traut, die Potenziale des Holzbaus und unseren Beitrag zum Klimaschutz angemessen zu würdigen.“

„Wer immer nur auf Steinzeit-Lobbyisten hört, kann keine gute Politik für die Zukunft machen. Höchste Zeit, dass sowohl der nachhaltige Neubau als auch die energetische Bestandssanierung mit Sachverstand und Nachdruck vorangetrieben werden.“ DHV-Präsident Erwin Taglieber.

Der DHV fordert ein eigenständiges – handlungsfähiges – Bundesbauministerium, das nicht erneut als Anhängsel eines anderen Ressorts ein Schattendasein fristet. Zu dessen Aufgaben muss nach Ansicht des DHV zuvorderst die Vereinheitlichung aller 16 Landesbauordnungen gehören.

Neue MBO ökologisch vorbildlich gestalten

Der DHV macht sich dafür stark, dass die neue Musterbauordnung in weiten Teilen nach dem Vorbild der äußerst fortschrittlichen – betont holzbaufreundlichen – LBO von Baden-Württemberg gestaltet wird. Holzbaufeindliche Bremsklötze wie die LBO von Nordrhein-Westfalen kann sich der Bund nicht länger leisten, wenn aus der Energiewende noch etwas werden soll. „Es gilt, das deutsche Bauordnungsrecht gründlich zu entrümpeln und auf einen zukunftsfähigen Kurs zu bringen. Wenn in Wien ein 84 Meter hohes Haus aus Holz gebaut werden kann, dann geht das selbstverständlich auch bei uns – wenn man nur will“, unterstrich der DHV-Präsident unter langanhaltendem Beifall der Tagungsteilnehmer.

„Ein in seiner Zielsetzung unreflektiertes Bauordnungsrecht verhindert, dass der Holzbau sein eigentliches Potenzial auch in Deutschland voll entfalten kann.“ Prof. Ludger Dederich, Lehrstuhl für Holzbau an der Hochschule Rottenburg/Neckar.

Holzbau-Vielfalt vom Feinsten

Was im Anschluss über das in so gut wie allen Sparten des Holzbaus aktive DHV-Mitgliedsunternehmen Gumpp & Maier zu erfahren war, könnte aus einem Lehrbuch für erfolgreiche Unternehmensführung stammen: „Wir haben zurzeit 87 hochmotivierte, hervorragend qualifizierte Mitarbeiter und prall gefüllte Auftragsbücher. Von der Auftragslage her könnten wir viel mehr Personal beschäftigen, doch der Fachkräftemangel schlägt hier auf dem Land voll durch. In unserem Landkreis Dillingen an der Donau herrscht mit einer Arbeitslosenquote von unter zwei Prozent faktisch Vollbeschäftigung. Die anhaltend sehr gute Holzbau-Konjunktur beflügelt natürlich, aber man muss schauen, dass man auch in Boomzeiten mit der verfügbaren Manpower das Qualitätsniveau hält. Da gibt es bei uns keine Kompromisse“, erklärte Gastgeber Alexander Gumpp, der das leistungsstarke Holzbauunternehmen Gumpp & Maier gemeinsam mit Josef Maier als Geschäftsführer leitet.

Fachgerecht instandsetzen statt abreißen

In Fragen der energetischen Sanierung spricht sich Alexander Gumpp klar für Bestandsmodernisierungen auf Neubaustandard anstelle von Abriss und Ersatzneubau aus: "Mehr Primärenergie und CO2 kann man gar nicht sparen, als wenn man schon Vorhandenes vernünftig instandsetzt und weiter nutzt!“ Geschäftsführer Alexander Gumpp

Fachvorträge à la carte

Gleich drei hochkarätige Professoren hatte der DHV für die Fachveranstaltung gewinnen können. Den Auftakt machte Prof. Ludger Dederich von der Hochschule Rottenburg/Neckar, der einen weiten Bogen von der Bronzezeit bis in die Gegenwart spannte, um neues Bauen auf historische Wurzeln zurückzuführen und dabei Unterschiede ebenso wie Gemeinsamkeiten herauszustellen. „Holzbau, wie er heute ist, ist das Ergebnis handwerklichen Schaffens und nicht das Resultat von Industrieprozessen. Holzbau-Architektur bedeutet, dass die Materialität die Gestaltung definiert. Klar gegliederte, auf das Wesentliche konzentrierte Konstruktionen sind daher wesentliche Merkmale des Holzbaus“, führte Prof. Dederich aus und belegte seine Erkenntnisse mit zahlreichen Beispielen aus allen Epochen der Zeitgeschichte.

Im Hochhaus brennt es nicht anders als im Einfamilienhaus

Völlig frei hielt Prof. Stefan Winter von der TU München einen ebenso kurzweiligen wie inhaltsreichen Vortrag über den Brandschutz und konkrete Anforderungen, die sich nach europäischer Norm für den Holzbau insbesondere in den Gebäudeklassen III, IV und V ergeben. Dabei befasste er sich auch mit den Ursachen von Bränden und ihren zeitlichen Verläufen: „Die Wahrscheinlichkeit eines Brandes hat weniger mit dem Baumaterial als vielmehr mit der Verteilung der Bevölkerung zu tun“, sagte Prof. Stefan Winter von der TU München.

Wo mehr Menschen dicht beieinander wohnen, ist die Brandwahrscheinlichkeit höher, weil jeder Brandfall immer eine konkrete Brandursache hat: häufig menschliche Unachtsamkeit. Der Brandschutz sollte daher objekt- und nutzungsspezifisch geplant werden, bevor man mit dem Bauen beginnt, riet Prof. Winter: „Ein Schott in einer Brandwand, durch das Stromkabel geführt werden, muss am Ende auch dicht sein – sonst ist es kein Brandschott, sondern ein gefährlicher Baumangel aufgrund handwerklicher Fahrlässigkeit.“

Gelungene Beispiele für vorbildliche Holzbau-Architektur zeigte zu guter Letzt Prof. Florian Nagler, der als freier Architekt tätig ist und ebenso wie Prof Winter an der TU München lehrt. Prof. Nagler sprach sich in Binswangen für einen abgesteckten Rahmen des Erwünschten aus, damit nicht jedermann einfach nach Lust und Laune drauflos baut: „Es ist niemandem damit gedient, wenn man zuhause das nachbaut, was man im Urlaub gesehen und vielleicht ganz hübsch gefunden hat.“

"Städtebau ist eine Frage der Kultur, und Kultur bedarf der bewussten Ordnung, um als solche erkennbar zu sein.“ Prof. Florian Nagler/TU München.

Er plädierte daher für klare Rahmenbedingungen, wie ein Gebäude an einem bestimmten Standort in seiner baulichen Umgebung aussehen darf. Diese Vorschriften zu berücksichtigen, sei für gute Architekten weniger eine Einschränkung ihrer künstlerischen Freiheit als vielmehr eine Herausforderung, die es bei jedem Projekt erneut zu meistern gilt. (az)

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Die nächste Veranstaltung des DHV ist die Herbst-Fachtagung, die am 16./17. November in Fulda stattfindet. Weitere Informationen auf www.d-h-v.de

Leistungsstarke Interessengemeinschaft: DHV, ZMH und 81fünf

Mit zusammen über 300 Mitgliedsbetrieben bilden der Deutsche Holzfertigbau-Verband e.V. (DHV, Ostfildern; www.d-h-v.de), die Vereinigung ZimmerMeisterHaus (ZMH, Schwäbisch Hall; www.zmh.com) und die Gruppe 81fünf AG (Lüneburg; www.81fuenf.de) eine leistungsstarke Gemeinschaft, die übereinstimmende Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit Dezember 2015 gebündelt artikuliert. Größte Organisation in diesem Verbund ist der DHV, der als zentrales Sprachrohr fungiert. Zu den Mitgliedsunternehmen der drei holzwirtschaftlichen Verbände, die das Bauen in Deutschland nachhaltig mitgestalten, zählen Holzfertigbaubetriebe, Architektur- und Planungsbüros sowie Zulieferfirmen aller baubeteiligten Gewerke. Darüber hinaus gehören Sägewerke, Baumaschinenhersteller sowie Dienstleister aus bauaffinen Branchen wie zum Beispiel Gebäude-Energieberater, Statiker, Softwareentwickler, Vermessungsingenieure und Medienvertreter dem holzwirtschaftlichen Interessenverbund an. Das gemeinsame Ziel heißt Holzbau komplett: von der Beratung über die Planung und Vorfertigung bis zur bezugsbereiten Ausführung von Wohnhäusern, Büro-, Gewerbe- und Zweckbauten in allen erdenklichen Formen und Größen.

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