1) Die medizinische Fachgesellschaft Initiative Chronische Wunden (ICW e. V.) begrüßt die Abgrenzung der erstattungsfähigen Verbandmittel von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung.
Aktuell besteht bei Verordnern, Kostenträgern und Patienten große Unsicherheit darüber, welche Verbandmittel und Materialien zur Kompressionstherapie gemäß SGB V zulasten der GKV rezeptierbar sind.
Mit der im Rahmen des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) aktualisierten Legaldefinition für Verbandstoffe (§ 31, Abs.1a Satz 4, SGB V) hat der Gesetzgeber Vorgaben gemacht. Der G-BA regelt hiernach „das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten der Wundbehandlung“ bis zum 30. April 2018.
Diese Klarstellung ist aus unserer Sicht nötig und wird ausdrücklich begrüßt.
2) Stellungnahme der Initiative Chronische Wunden
Als Hauptwirkungen von Verbandmitteln werden im Gesetz genannt: „das Bedecken von oberflächengeschädigten Körperteilen, das Aufsaugen von Körperflüssigkeiten aus oberflächengeschädigten Körperteilen oder beide Eigenschaften“. In der Begründung des Gesetzes (BegrRegE vom 2. Nov. 2016 zu § 31, S.26) werden Beispiele für weitere Wirkungen genannt, die ein Verbandmittel haben darf und die der Wundheilung dienen, indem sie beispielsweise „eine Wunde feucht halten, reinigen oder geruchsbindend bzw. antimikrobiell wirken“.
Im Beschluss des G-BA über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens wird statt des Begriffes „antimikrobiell“ der Begriff „Wundexsudat/Keime bindend“ genannt. Diese Begriffe sind nicht identisch.
Weiterhin wird die Aufzählung des Gesetzgebers, die ausdrücklich von „beispielsweise“ spricht, als abgeschlossene Liste wiedergegeben. Andere, in dem Gesetz durchaus als möglich vorgesehene, Eigenschaften würden damit zum Erlöschen der Erstattungsfähigkeit führen (§ 53 (3)).
Es wird im vorliegenden Text des G-BA zudem vermutet, dass Medizinprodukte der Klasse III automatisch eine therapeutische Wirkung haben und damit keine Verbandstoffe sein können (§ 54 (2)). Dem muss widersprochen werden. Die Zulassung als Medizinprodukt der Klasse III erfolgt unter anderem, wenn diese Arzneistoffe enthalten. Diese Stoffe können im jeweiligen Produkt jedoch auch in sehr niedrigen Konzentrationen vorliegen und in dem Produkt gebunden sein. Diese Medizinprodukte können als Hauptwirkung durchaus die genannten Eigenschaften von Verbandmitteln haben.
Zu den in der Anlage Va Teil 1 genannten Produktgruppen möchten wir folgendes ergänzen:
Produktgruppe nach § 53 Abs. 2 Arzneimittelrichtlinie
– Mehrkomponenten-Fertigbindensysteme zur Kompressionstherapie
– Adaptive Kompressionsbandagen (auch Velcro-Verbände, Klettbandagen genannt)
– Pelotten zur Kompressionstherapie
– unsterile Pflaster mit Silikonhaftung
Produktgruppe nach § 53 Abs. 3 Arzneimittelrichtlinien
– Hydrogele in Gelform, konserviert und unkonserviert
– Sterilprodukte mit Silikonbeschichtung (zum Beispiel Silikongitter, Schaumverbände mit Silikonklebung)
– Produkte mit Silber
– Produkte mit Polihexanid (PHMB)
– Produkte mit bakterienbindenden Eigenschaften (hydrophobe Wundauflagen)
– Spezialprodukte mit reinigenden Eigenschaften, wie Saugspülkörper zur Nasstherapie, hydroreinigende Polyacrylatwundauflagen
Verbandmittel sind Medizinprodukte, mit denen Wunden versorgt werden. Sie werden für die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden, als Ergänzung zu der zwingend notwendigen Kausaltherapie, dringend benötigt, um eine erfolgreiche Wundheilung möglich zu machen und den betroffenen Patienten eine angemessene Lebensqualität zu gewährleisten. Medizinprodukte wirken gemäß ihrer Definition physikalisch. Der Gesetzgeber erlaubt pharmakologische Wirkungen nur dann, wenn sie der Hauptwirkung eindeutig untergeordnet sind (objektive Zweckbestimmung). Auch Medizinprodukte der Zulassungsklasse III können Verbandmittel sein und dürfen nicht von vornherein aus der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen werden.
Verbandmittel sind keine Arzneimittel und dürfen auch nicht wie solche behandelt werden. Insbesondere ist die wissenschaftliche Evidenz aufgrund der im Vordergrund stehenden physikalischen Wirkung nur eingeschränkt zu erlangen und sinnvoll. Physikalische Eigenschaften wie aufsaugen, bedecken, reinigen und feucht halten lassen sich zudem nur schwer quantifizieren.
Nötig und überfällig sind daher aus Sicht der Initiative Chronische Wunden die Festlegung von physikalischen Qualitäts- und Leistungsstandards (z. B. Saugleistung, Retention, Stabilität, Wasserdampfdurchlässigkeit) für Produzenten. Solche Standards würden es den Verordnern erleichtern, ihre Wahl unter vergleichbar aufgebauten und für gleiche Zwecke verwendeten Verbandmitteln zu treffen.
Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch nicht um qualitative Unterschiede innerhalb derselben Produktklasse.
4) Zusammenfassung
Die Initiative Chronische Wunden unterstützt ausdrücklich das Anliegen Verbandmittel von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung zu unterscheiden. Produkte, die eindeutig ihre Hauptwirkung nach § 31 SGB V im Rahmen der Versorgung von Wunden und der Kompressionstherapie haben, dürfen nicht aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen werden. Das gilt im Sinne des Gesetzgebers auch wenn diese Produkte weitere Eigenschaften haben, die zur qualitativ hochwertigen Versorgung einer chronischen Wunde richtig, nötig und bewährt sind.
Die vom Gesetzgeber hier beispielhaft vorgegebenen zusätzlichen Eigenschaften „feucht halten, reinigend oder geruchsbindend bzw. antimikrobiell wirkend“ werden vom ICW e. V. um Eigenschaften wie „atraumatisch wechselbar, befeuchtend und proteasemodulierend“ ergänzt. Diese Liste muss auf Basis zukünftiger wissenschaftlicher Erkenntnisse fortgeschrieben werden können.
Produkte, in denen Arzneistoffe oder pharmakologisch wirksame Stoffe oder Produkte aus tierischer Herkunft enthalten sind, dürfen nicht aufgrund dieser Tatsache ausgeschlossen werden, sondern sind aufgrund ihrer Eigenschaften und objektiven Zweckbestimmungen daraufhin zu überprüfen, ob es sich um Verbandmittel im Sinne des § 31 SGB V handelt. So müssen auch Produkte der Klasse III prinzipiell erstattungsfähig bleiben.
Das Ziel einer Verbesserung der Situation von Menschen, die unter einer chronischen Wunde leiden, wird im HHVG ausdrücklich als Ziel der Bundesregierung genannt. Versorgungssicherheit für Betroffene und Verordnungssicherheit für Behandler spielen dabei eine große Rolle.
Die Stellungnahme der Initiative Chronische Wunden wird von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und dem Deutschen Wundrat unterstützt.
Initiative Chronische Wunden e. V.
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