Die elektronische Patientenakte verdeutlicht, wie sehr Deutschland beim Thema Digitalisierung hinter Ländern wie Skandinavien oder dem Baltikum zurückliegt. Ähnlich ist es bei anderen digitalen Gesundheitslösungen, die den Dialog zwischen Arzt und Patient verbessern können. Als Gründe, weshalb die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche schleppend vorankommt, führen Lobbyisten der etablierten Akteure oft an: rechtliche Hürden oder Datenschutz. Die wirklichen Motive sind neben fehlenden Abrechnungsmöglichkeiten die Angst vor Kontrollverlust und hartem Wettbewerb. Aber auch: Die Veränderung als schmerzhafter und mit Mühen einhergehender Prozess. In den Bereichen, in denen Patienten nicht direkt involviert sind, gibt es dennoch Beispiele, wo heute „Industrie 4.0“ stattfindet.

Digital geprägte Berufsbilder sind etwa in der Entwicklung von Arzneimitteln entstanden. Dort haben Forscher zum Ziel, Angriffspunkte zu identifizieren, an denen ein Medikament im Krankheitsgeschehen ansetzen kann. Die quantitative Systempharmakologie unterstützt sie dabei, biologische Netzwerke als Zahlenmodell zu beschreiben. So können massenhaft Gewebe- oder DNA-Proben gesunder und kranker Patienten miteinander verglichen werden, um Muster zu erkennen. Ohne digitale Werkzeuge wie lernende Systeme oder künstliche Intelligenz wäre dies nicht möglich.

Auf dieser Basis analysieren IT-Experten, Biologen und Mediziner Auffälligkeiten genauer. Mittels Algorithmen filtern sie aus den tausenden, weltweit publizierten medizinischen Fachartikeln die Studien heraus, die in einem bestimmten Kontext relevant sind. Und stellen Vergleiche aus der Literatur zu eigenen Ergebnissen her, wodurch sie erkennen, welche Substanzen Wirkung zeigen und möglicherweise Krankheiten lindern oder heilen.

Bereits 74 Prozent der Wissenschaftler suchen heute online nach Informationen und gehen nicht mehr in Bibliotheken, schildert Lars Hanf, Director Marketing Communications beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius in einem Video-Interview mit Healthcare Shapers Gründer Günther Illert, in dem er erläutert, wie sein Unternehmen über E-Commerce den Einstieg in die Digitalisierung gefunden hat. „Es gibt nicht den digitalen Masterplan“, so Hanf, „jedes Unternehmen muss ein für sich passendes Konzept entwickeln und sollte mit überschaubaren Projekten beginnen, die es weiter ausbauen kann. Wichtige Voraussetzungen sind eine Lern- und Fehlerkultur sowie Teams, die sowohl Fach- als auch digitale Kompetenzen haben. Und: Es braucht es Menschen, die Spaß an der Sache haben und Neues ausprobieren wollen“.

Die Erfahrung zeigt, dass fortschrittlich denkende Unternehmen Digitalisierung für drei unterschiedliche strategische Ziele nutzen:
1. Optimierung von Prozessen
2. Bessere Kollaboration mit Kunden und Lieferanten
3. Neue Geschäftsmodelle.

Welche Arbeitsschritte durch Digitalisierung überflüssig werden, verdeutlicht zunächst eine Abschätzung des Potenzials entlang der Wertschöpfungskette. Steht das strategische Ziel für den Einsatz digitaler Lösungen fest, besteht der nächste Schritt darin, Technologien auszuwählen, anzupassen oder neu zu entwickeln. Da die technische Implementierung für Unternehmen bedeutet, dass Strukturen, Arbeitsabläufe aber auch die Unternehmenskultur Veränderungen unterliegen, ist es empfehlenswert, auf eine konsequente Umsetzung zu achten – damit sich Effizienzgewinne im Ergebnis widerspiegeln. Entscheider können und sollten in dem Zusammenhang klären, wann es sich lohnt mit Partnern zusammenzuarbeiten, die eine höhere digitale Kompetenz mitbringen.

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