In Deutschland mangelt es an repräsentativen Langzeitdaten zur Versorgung und zu den Therapieergebnissen von Patienten mit Eisenmangel. Um diese Datenlücke zu schließen, hat die Klinik für Innere Medizin I der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) jetzt eine umfassende Versorgungsforschungsstudie zu diesem Thema initiiert. In Zusammenarbeit mit einer interdisziplinären Expertengruppe und Pharmakoepidemiologen der Technischen Universität Dresden wird nun ein realistisches Abbild des Stellenwerts einer Eisensubstitution in verschiedenen Indikationsbereichen (Gastroenterologie, Kardiologie, Nephrologie, Gynäkologie, präoperative Eisenmangelanämie) unter Bedingungen der alltäglichen medizinischen Versorgung gewonnen.

Eisen ist ein Spurenelement, das für die Bildung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin benötigt wird. Der Körper benötigt etwa 1 Milligramm Eisen pro Tag, kann aber nur etwa ein Zehntel der mit der Nahrung aufgenommenen Eisenmenge auch aus dem Darm aufnehmen. Verschiedene Erkrankungen können zu einer Erschöpfung der Eisenreserven führen, unter anderem chronische Erkrankungen wie Tumore oder Entzündungen. Verdauungs¬störungen führen regelmäßig zu verringerter Aufnahme von Eisen (unter anderem bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa).

Wenn es durch Eisenmangel zu Blutarmut kommt, nimmt die Leistungs¬fähigkeit und Lebensqualität ab. Darüber hinaus ist Eisen ein wesentlicher Bestandteil der Energiegewinnung in allen Körperzellen. Bei Patienten mit Herzschwäche verstärkt ein Eisenmangel die Symptome deutlich.

Für die Behandlung des Eisenmangels stehen zahlreiche Eisenpräparate zur Verfügung. Wenn möglich, erfolgt die Therapie mittels Tabletten („oral“), seltener bei ausgeprägten Anämien als Injektion/Infusion („intravenös“). Die angewendeten Präparate unterscheiden sich deutlich in der Art des Eisens (die zweiwertige Form ist schlechter verträglich als die dreiwertige), den Trägerstoffen (Maltose ist verträglicher als Glycinsulfat), und der Dosierung. Die Therapielandschaft ist geprägt von unterschiedlichen Generationen von Eisenpräparaten, die sich deutlich in der Wirksamkeit und im Nebenwirkungsprofil unterscheiden.

Um erstmals repräsentative Langzeitdaten zur Versorgung von Patienten mit Eisenmangel zu gewinnen, wurde die Studie EXPLAIN-IRON konzipiert. Der Titel „EXPLorative data collection for patient chAracterIzation, treatmeNt pathways and outcomes of IRON preparations“ verdeutlicht die Besonderheit des Projekts: Die Studie ist nicht-interventionell, d.h. die behandelnden Ärztinnen und Ärzte erhalten keine Vorgaben für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten. Anders als in klinischen Prüfungen lässt sich so das tatsächliche Versorgungsgeschehen darstellen. „Solche Studien sind dringend erforderlich, um Daten unter den Bedingungen der täglichen Praxis bei unselektierten Patienten und im Langzeitverlauf zu gewinnen“, erläutert Professor Stefan Schreiber, Direktor der Inneren Medizin I der CAU.

Seit Januar 2018 werden Patientinnen und Patienten in EXPAIN-IRON jeweils über zwei Jahre beobachtet. Die Studie dokumentiert Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Grunderkrankungen hinsichtlich ihrer Charakteristika, der Eisensubstitution, Lebensqualität und vor allem des Verlaufs der Laborparameter des Eisenstoffwechsels und in der Verträglichkeit. In einer ersten Kohorte werden ca. 500 Patientinnen und Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen dokumentiert. Später kommen Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche bzw. Herzfehlern, mit onkologischen, gynäkologischen und anderen Grunderkrankungen hinzu. Sofern möglich, werden bis zu 3000 Patienten in die Studie eingeschlossen.

Die Hälfte der Patienten und Patienten kann mit beliebigen oralen oder intravenösen Eisenpräparaten behandelt werden. Für die andere Hälfte ist die Dokumentation der Behandlung mit einem neuen Eisenpräparat namens Feraccru (Eisen-III-Maltol) vorgesehen. Eisen-(III)-Maltol zeigt eine Wirksamkeit auf intravenösem Niveau bei guter Verträglichkeit. EXPLAIN-IRON ist somit eine Kombination eines Krankheitsregisters und einer PASS (post authorisation safety study).

Die Initiatoren wollen vielfältige Erkenntnisse aus der EXPLAIN-IRON-Studie gewinnen – unter anderem zu typischen Vorgehensweisen und Präferenzen der Ärztinnen und Ärzte beim Einsatz von Eisenpräparaten, zur Verträglichkeit der Präparate, aber auch zur Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten sowie zu ökonomischen Aspekten. Es werden erstmals die Standards bei der Behandlung der Eisentherapie in Deutschland unter Alltagsbedingungen umfassend dokumentiert.

Die Studie ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM unter der Nummer 7120 und in der amerikanischen Studien¬datenbank ClinTrials.gov unter der NCT03382275 registriert. Die Bundesärztekammer, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen und andere wissenschaftliche Organisationen empfehlen die Förderung von Projekten der Versorgungsforschung in Deutschland wie die EXPLAIN-IRON-Studie. Sie wird durch die GWT-TUD GmbH, einer Tochter der Technischen Universität Dresden Aktiengesellschaft (TUDAG), durchgeführt.

Die Firma Shield Therapeutics, die sich auf die Erforschung und Entwicklung von Eisenpräparaten spezialisiert, unterstützt die Studie finanziell. Die interdisziplinäre Leitungsgruppe setzt sich aus Expertinnen und Experten aus den Bereichen Gastroenterologie, Kardiologie, Nephrologie, Gynäkologie und anderen Fachrichtungen zusammen, wobei die Klinik und der niedergelassene Sektor gleichermaßen vertreten sind.

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