+++ Otto Brenner Stiftung (OBS) analysiert Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Blogger*innen und Journalist*innen +++ Keine Unterschiede im Umgang mit Schleichwerbung und PR-Angeboten +++ Blogger*innen stark auf Leserschaft fokussiert, Journalist*innen stärker von Vorgesetzen beeinflusst +++ 43% der Blogger*innen arbeiten mehr als 20 Stunden die Woche, ein Drittel erzielt jedoch keine Einnahmen +++ Journalistische Reichweite (noch) sehr viel größer +++ Vorurteilen fehlen vielfach empirische Belege +++

Wie ähnlich sind sich Journalist*innen und Blogger*innen in Deutschland? Diese Frage hat eine von der OBS geförderte Studie der Ostfalia Hochschule untersucht. Zentrales Ergebnis: Sie sind sich ähnlicher als oftmals angenommen.

„Deutschlands Blogger – Die unterschätzten Journalisten“ ist die erste empirische Untersuchung, die beide Gruppen vergleicht. Die Studie zeigt, dass Blogger*innen mit bezahlten Beiträgen genauso wie ihre journalistischen Kolleg*innen umgehen – und widerlegt damit die weit verbreitete gegenteilige Annahme. 91,6% der Blogger*innen und 91,7% der journalistischen Pendants gaben an, bezahlte Inhalte entsprechend den Vorgaben zu kennzeichnen. Gleichermaßen stark ausgeprägt ist zudem die kritische Haltung zur Pressearbeit von Unternehmen in beiden Gruppen. Geringer als erwartet sind die Unterschiede bei den Ergebnissen zu der Frage, was Journalist*innen und Blogger*innen mit ihrer Arbeit erreichen wollen. Für beide Gruppen steht die Information im Vordergrund. Allerdings will die „Blogosphäre“ darüber hinaus eher unterhalten, so ein weiteres Ergebnis der Studie, während Journalist*innen die Punkte „Kritik und Kontrolle“ in ihrer Arbeit besonders wichtig sind. Deswegen legen Bloggern*innen größeren Wert auf die persönliche Perspektive, während für Journalist*innen Neutralität von sehr großer Bedeutung ist. „Journalisten nehmen sich selbst in der Berichterstattung zurück, während Blogger ihre eigene Person mit ihren Gedanken zum Thema machen“, stellt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Olaf Hoffjann, fest. Dies führt dazu, dass Blogger*innen von ihrem Publikum vielfach als authentischer wahrgenommen werden. Zugleich setzen sie sich damit aber auch dem Vorwurf der Eitelkeit und Unprofessionalität aus, räumt der Medienwissenschaftler ein.

Unterschiedliche Bezugsgruppen, unterschiedliche Publikumsorientierung

Die innovative Untersuchung, in der erstmals sowohl Produzent*innen als auch Nutzer*innen journalistischer (Blog)Beiträge untersucht wurden, identifiziert weitere Unterschiede. Während Blogger*innen ihren Leser*innen den größten Einfluss auf ihre Arbeit zuschreiben, sehen sich Journalist*innen am stärksten durch ihre Vorgesetzten beeinflusst. Bisherige Befunde einer journalistischen „Kollegenfixierung“ werden in der Tendenz bestätigt und können somit unterstrichen werden. Damit zusammenhängend zeigt die Befragung von 936 Journalist*innen und 463 Blogger*innen aus den Themenfeldern Politik, Mode/Beauty, Autos und Reisen, dass die Publikumsorientierung und -interaktion im journalistischen Berufsalltag deutlich geringer ausfällt als im Blog-Alltag. In die Untersuchung flossen auch die Ergebnisse der Befragung von 156 Nutzer*innen ein.

Keine ernsthafte Konkurrenz

„Auch wenn Blogger Journalisten teilweise ähnlicher sind, als diesen lieb sein dürfte, ist nicht zu erwarten, dass Blogs in absehbarer Zeit zu einer ernsthaften Konkurrenz für den politischen und tagesaktuellen Journalismus werden“, so Prof. Hoffjann. Dafür sprechen insbesondere die Reichweiten von Blogs, die im Vergleich zu klassischen journalistischen Angeboten immer noch recht überschaubar sind. Hinzu kommen die bescheidenen Einnahmen und damit verfügbaren Ressourcen der Blogger*innen: Nur etwa jede*r dritte befragte Blogger*in macht diese Arbeit hauptberuflich, die deutliche Mehrheit betreibt ihren Blog als Hobby. Zusätzlich verfügen knapp 70% über keinerlei journalistische Qualifikation (Journalist*innen: 15%). Trotzdem wenden knapp 42% der befragten Blogger*innen über 20 Stunden pro Woche fürs Bloggen auf, obwohl rund ein Drittel der Befragten damit keinerlei Einkommen erzielt.

„Pauschale Urteile, die die Journalisten den Bloggern gegenüberstellen oder umgekehrt, sind nicht angebracht“, resümiert Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, die zentrale Botschaft der Studie. „Wenn neben einigen deutlichen Unterschieden inzwischen in vielen Aspekten die Gemeinsamkeiten überwiegen, scheint eine Charakterisierung der Blogger als unterschätzte Journalisten gerechtfertigt zu sein“, unterstreicht die Stiftung, die mit medienkritischen Untersuchung immer wieder Anlass für kontroverse Debatten gibt. Die Studie zeige, so ihr Geschäftsführer Legrand weiter, dass in mancherlei Hinsicht nicht das Format oder das Medium – etwa Print versus Blog – sondern das Thema die Unterschiede und Gemeinsamkeiten prägt. „Blogs sind Teil des Journalismus – mit dieser Erkenntnis als Ausgangspunkt laden wir zu konstruktiven Debatten um Vorteile und Probleme ein“, führt Legrand weiter aus, „sonst werden Punkte diskutiert, die die Realität schon längst gesetzt hat“.

Olaf Hoffjann, Oliver Haidukiewicz: Deutschlands Blogger – Die unterschätzten Journalisten; OBS-Arbeitsheft 94, Frankfurt am Main, Juni 2018

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