Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Thomas Sternberg, erklärt:

 "Die Ergebnisse der Studie ‚Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz‘ haben uns tief erschüttert. Vor allem anderen bringen wir den Opfern des Missbrauchs, deren Erlebnisse und Traumata durch die öffentliche Debatte wieder aufbrechen, unser Mitgefühl und unsere Scham zum Ausdruck. Niemand kann das geschehene Leid rückgängig machen, wir wollen uns aber mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen, dass alles getan wird, um ihnen in ihrem Schmerz zur Seite zu stehen und zu helfen.

Die in der Studie aufgezeigten Defizite müssen konsequent beseitigt werden. Erschreckend ist das Ergebnis, dass das Missbrauchsgeschehen, auch zehn Jahre nach seinem Bekanntwerden und trotz vieler bereits eingeleiteter Maßnahmen, weiter andauert. In der Prävention handelt jede Diözese in Deutschland – trotz gemeinsamer Beschlüsse – in Eigenregie, in unterschiedlicher Intensität. Es reicht von entschlossenem Handeln bis zu Relativierungen oder Abwarten. Wir halten das für untragbar. Seit 2012 hat die Katholische Kirche in Deutschland gemeinsam und einheitlich jeglichem Missbrauchsgeschehen entschieden Grenzen setzten wollen und deshalb die vorliegende Studie in Auftrag gegeben. Mit Präventionsschulungen wird in vielen Diözesen dafür gesorgt, dass Schutzbefohlene künftig sicher geschützt sind. Aber es bleibt wie so oft ein Flickenteppich von 27 Einzelbistümern.

Ein Problem des Umgangs mit Missbrauchsfällen lag in früheren Jahrzehnten in der Sanktionierung von solchem klerikalen Fehlverhalten ausschließlich in innerkirchlichen Verfahren. Alle die aufgezeigten Straftaten gehören in die Untersuchung der Staatsanwaltschaften und öffentlichen Gerichtsbarkeit. Dazu gehört es, die Fakten ungeschönt zur Kenntnis zu nehmen und mehr Bewusstsein für die Notwendigkeit vorbeugender Maßnahmen bei allen Gliedern der Kirche zu schaffen.

Es war und ist gut, dass die Bistümer die Studie in Auftrag geben haben, um sich der Problematik zu stellen. Der Forschungsbericht ist im Rahmen seiner Möglichkeiten von großer Offenheit geprägt. Kein mögliches Problemfeld, insbesondere im Hinblick auf spezifische Problemstellungen in der katholischen Kirche, wird ausgespart. Nicht erst nach dieser Studie sind wir davon überzeugt, dass die Kirche ihr Verständnis von Sexualität, insbesondere auch von Homosexualität, überdenken muss. Darüber hinaus sind dringende strukturelle Veränderungen notwendig, um einem überholten Amts- und Kirchenverständnis zu begegnen.

Das kann konkret bedeuten: das Aufbrechen klerikaler Führungs- und Leitungsstrukturen durch eine Stärkung des synodalen Prinzips auf allen Ebenen der Kirche mit Mitentscheidung gewählter Frauen und Männer. Wir bekräftigen die Forderung der Gemeinsamen Synode nach einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit auf der Ebene der Bischofskonferenz, damit kirchliches Handeln auch kirchengerichtlich überprüft werden kann. Und das bedeutet nicht zuletzt, dass die männlich strukturierte Aus- und Fortbildung des Klerus und die gesamte Leitungs- und Ämterstruktur der Kirche endlich weiblicher werden muss.

Die Studie zeigt auch: Autoritäre Führungs- und Leitungsstrukturen begünstigen eine Haltung, der es nicht an erster Stelle um die Opfer, sondern um den Schutz der Institution geht. Der Schutz der Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen kirchlichen Lebens steht an erster Stelle. Dazu gehört auch, die Untersuchungen auf haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche, die nicht dem Klerus angehören, auszudehnen. Nur so können wir uns glaubwürdig gegen den weit verbreiteten sexuellen Missbrauch in allen Bereichen der Gesellschaft engagieren.

Es gilt jetzt, die im Bericht ausgesprochenen Empfehlungen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen und zügig an der Beseitigung der Defizite und Probleme zu arbeiten. Wir erwarten insbesondere mehr Geschlossenheit im Vorgehen bei allen Diözesen. Hier kommt der Deutschen Bischofskonferenz eine entscheidende Bedeutung zu, bei der Vereinheitlichung und Verbesserung von Hilfen für die Opfer und bei der Verbesserung von Präventionsmaßnahmen.

Wir fordern die Deutsche Bischofskonferenz auf, diese bitteren Erkenntnisse und den schweren Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit zu einem Auftakt für Reformen werden zu lassen. Gerade weil auch auf dem Gebiet der Aufarbeitung und der Prävention Beschlüsse und Regelungen der Bischofskonferenz in den Diözesen nicht überall ernst genommen, nicht einheitlich umgesetzt werden, kommen wir zu dem Schluss, dass jetzt die Zeit für strukturelle Erneuerungen gekommen ist. Wir sind gerne bereit, an solchen Lösungen mitzuwirken.

Zunächst fordern wir, eine unabhängige Kommission aus kompetenten Frauen und Männern einzurichten, die die Fortschritte des Kampfes gegen den Missbrauch von Schutzbefohlenen in den Diözesen regelmäßig prüft und der Gemeinsamen Konferenz von ZdK und DBK einen jährlichen Bericht gibt, der veröffentlicht wird. Es geht um die Kontrolle der Einhaltung der seitens der Bischofskonferenz aufgestellten Ziele und Regelungen durch die einzelnen 27 Diözesen.

Die vorgelegte Studie zeigt ein entschiedenes Vorgehen und den Willen zur vorbehaltslosen Aufklärung dieser schlimmen Verbrechen. Dabei kann es nicht bleiben. An dem Maße, wie sich die Kirche diesem Thema stellt, werden sich andere Bereiche der Gesellschaft in ihrer Aufklärungsarbeit messen lassen müssen."

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Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) ist das ZdK das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die Kräfte des Laienapostolats koordiniert und das die apostolische Tätigkeit der Kirche fördern soll. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig.

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