Viele Handwerksbetriebe sind ausgelastet, Kunden müssen lange auf den Klempner, Tischler oder Elektriker warten. Wie also können junge Menschen für eine Lehre gewonnen werden? Über welche Kanäle und Wege lassen sich neue Mitarbeitende finden – auch als Quereinsteiger oder nach einer akademischen Ausbildung? Das war Schwerpunktthema auf dem „52. Mahl des Handwerks“ – zu ihm hatte die Sparkasse Bremen gemeinsam mit der Handwerkskammer am 14. November ins FinanzCentrum Am Brill eingeladen.

Mit einem Blick auf den Wandel im Handwerk durch die Digitalisierung begrüßte Dr. Heiko Staroßom, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Bremen, die rund 300 Gäste. So sei es kein Geheimnis, dass der Fachkräftemangel im Handwerk ein großes und leider weiter zunehmendes Problem darstellt. Beste Marktchancen – auch beim Anwerben von neuen Mitarbeitenden – würden in Zukunft jene Betriebe finden, die sich heute schon auf den relevanten digitalen Plattformen präsentieren; gekonnt ihr gelerntes Handwerk mit den Chancen der Digitalisierung verbinden.

Ein Gedanke, den Professorin Antje-Britta Mörstedt (Vizepräsidentin der PFH Private Hochschule Göttingen) in ihrem Vortrag am Abend aufgriff: „Wie können junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistert werden?“. Denn dass das Arbeitsumfeld „Handwerk“ sich durchaus finanziell lohnen kann, hatte Jan-Gerd Kröger (Präses der Handwerkskammer Bremen) bereits zuvor in seiner Einschätzung zur aktuellen Situation und Entwicklung im Bremer Handwerk dargelegt.

Im Rahmen der feierlichen Veranstaltung wurden am Abend dann drei Betriebe mit dem Preis für „Innovatives Handwerk 2018“ ausgezeichnet. Mit der Auszeichnung fördern Handwerkskammer und Sparkasse Bremen innovative und nachhaltige Ansätze, die wertvolle Impulse für das Handwerk sowie die Wirtschaft und den Handel in Bremen liefern. Als Hausbank des Handwerks dotiert die Sparkasse Bremen den Preis mit insgesamt 6.000 Euro in den Kategorien „Betriebsgründung//Existenzgründung“, „Gesellschaftliche Verantwortung“ und „Technologie und Nachhaltigkeit“.

Zentrale Kriterien der Jury, die sich aus Experten der Handwerkskammer Bremen zusammensetzt, waren dabei gute Ideen mit nachweisbaren Erfolgen, die Umsetzbarkeit in der täglichen Arbeit, ein überdurchschnittlicher unternehmerischer Einsatz sowie das Engagement für mehr Nachhaltigkeit.

Die Preisträger

  • Kategorie Existenzgründung

Zusammen Ideen entwickeln, gelernte Handwerkskunst mit kreativem Geschick kombinieren und dabei nachhaltig handeln: Das realisieren seit April 2017 Nora Osler (33) und Anne Katherine de Walmont (30) mit ihrer Gemeinschaftswerkstatt ‚Stoffe auf Reisen‘. Beide Gründerinnen haben zuerst studiert und sich anschließend für das Handwerk entschieden. Anne Katherine de Walmont absolvierte eine Ausbildung zur Maßschneiderin mit Schwerpunkt Damen, Nora Osler ist ausgebildete Raumausstatterin mit dem Schwerpunkt Polsterei. Der Name für das Handwerkskollektiv steht dabei für ihre Absicht, Materialien vollständig oder auch zweckentfremdet zu nutzen – etwa Produktionsrückstände wie Zuschnittreste von Stoffen, aber auch ausrangierte Möbelstücke, die sie nach eigenen Entwürfen aufarbeiten.

Die Jury überzeugte das Konzept der Betriebsform eines Handwerkerverbundes und den mutigen Schritt, gemeinsam in zwei traditionellen Handwerksberufen, nachhaltig zu agieren. Sie verlieh den Gründerinnen im Nebenerwerb daher den Preis in der Kategorie „Betriebsgründung//Existenzgründung“. Mit der Preisverleihung möchte die Jury diese innovative Idee unterstützen und ist zuversichtlich, dass die Gründerinnen aus dem Nebenerwerb mittelfristig eine Hauptexistenz erschaffen.

  • Kategorie Gesellschaftliche Verantwortung

2002 übernahm Peter Senkowski den Traditionsbetrieb „D’Behr Elektrotechnik“ mit zwei Mitarbeitern. Nach nur zwei Jahren beschäftigte das Unternehmen bereits 20 Mitarbeiter, heute sind es über 40. Die „D’Behr Elektro-Technik GmbH“ stand dabei immer wieder vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen, um das Wachstum des Unternehmens abzusichern. Für den Betrieb ist daher seit einigen Jahren auch die Integration von Azubis, Gesellen sowie ungelernten Mitarbeiter aus dem Ausland ein wichtiger Schritt, dem Mangel an Fachkräften zu begegnen. In Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen „HandWERK gemeinnützige GmbH" suchte Geschäftsführer Senkowski daher nach entsprechenden Menschen – mittlerweile beschäftigt er drei Auszubildende aus Syrien und Afghanistan, zwei Elektrohelfer (aus Syrien und dem Iran) sowie einen EQMitarbeiter aus Syrien.

Die Jury verlieh den Preis in der Kategorie „Gesellschaftliche Verantwortung“ daher an Peter Senkowski. Sie erkennt damit an, dass ein kleines mittelständisches Unternehmen sich intensiv um Integration von Flüchtlingen bemüht, obwohl hierfür nicht zu unterschätzende zusätzliche Anstrengungen im betrieblichen Alltag notwendig sind. Der Gewinner engagiert sich außerdem in der allgemeinen Jugendförderung und unterstützt auch Jugendsport-Mannschaften (nicht nur) finanziell.

Kategorie Technologie und Nachhaltigkeit

Bereits vor über 80 Jahre wurde die heutige Indorf Orthopädie-Schuhtechnik GmbH & Co. KG in Bremerhaven gegründet. 1986 übernahm Orthopädie-Schuhmachermeister Rolf Indorf den Betrieb von seinem Vater; mittlerweile leitet er das Unternehmen zusammen mit seinem Sohn Tim Indorf. Das Familienunternehmen beschäftigt elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2018 wurden ein Neubau in der Rudloffstraße in Bremerhaven eröffnet. Dort ist jetzt ausreichend Platz für klassisches Handwerk, eine fachgerechte Beratung von Kunden und modernste Techniken für die Orthopädie-Schuhtechnik (wie 2-D-Scanner und 3-D-Druck). Die Inhaber hatten beim Neubau besonders die Ergonomie am Arbeitsplatz im Blick: Maschinen lassen sich in der Höhe verstellen, speziell angefertigte Werkbänke erleichtern das Arbeiten, spezielle Absaugsysteme gestalten das Arbeiten sicher und gesund.

Die Jury beeindruckte der Ansatz beim Neubau, den Arbeits- und Gesundheitsschutz der eigenen Mitarbeiter zu gewährleisten und gleichzeitig den gesamten Kundenbereich barrierefrei zu gestalten. Der Betrieb zeigt außerdem seine Innovationskraft, indem er lösemittelfreie Sprühkleber sowie einen frequenz-gesteuerten Gehörschutz für die Mitarbeitenden testet. Gelungen sei auch die Kombination von klassischem Handwerk (Gipsabdruck und Holzleisten) mit modernster Computer-Technologie. Die Jury verleiht daher den Preis in der Kategorie Technologie und Nachhaltigkeit mit Überzeugung an die Indorf Orthopädie-Schuhtechnik.

 

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