Auf den Urlaub freut sich jeder! Manchmal mag man an dieser Binsenweisheit aber zweifeln. Immer wieder gibt es Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über liegengebliebene Urlaubsansprüche aus dem vergangenen Jahr. Dabei sind die gesetzlichen Vorgaben eigentlich klar: Mit dem Jahresende verfällt der Urlaubsanspruch grundsätzlich; es sei denn ein Tarifvertrag oder eine betriebliche Vereinbarung regeln etwas anderes. Nun werden die Vorschriften allerdings vom Bundesarbeitsgericht (BAG) neu ausgelegt. Was es mit der aktuellen Entscheidung auf sich hat und wem sie nützt, erläutern Rechtsexperten der ARAG.

Der Mindesturlaubsanspruch                   

Er beträgt 24 Werktage, wobei auch die Samstage als Werktage gezählt werden, sodass sich bei einer Arbeitswoche von fünf Arbeitstagen ein Mindesturlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen errechnet. Nach § 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sind davon alle Arbeiter, Angestellten, Azubis und arbeitnehmerähnlichen Personen (also solche, die wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Auftraggeber wie Arbeitnehmer zu betrachten sind) erfasst. Geld statt Freizeit für den Urlaub ist nicht erlaubt. Den gesetzlichen Mindesturlaub darf der Arbeitgeber prinzipiell nicht auszahlen. Ausnahme: Wenn der Arbeitnehmer aus der Firma ausscheidet.

Resturlaub

Wer wegen Krankheit, zu viel Arbeit oder Urlaubssperre nicht frei nehmen konnte, hat laut § 7 BUrlG das Recht, den Urlaub auf die ersten drei Kalendermonate des Folgejahres zu übertragen. Stichtag ist dann der 31. März. Danach verfiel der Urlaub aus dem Vorjahr nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG ersatzlos! Das geschah in der Vergangenheit unter Umständen sogar zur Verblüffung der ahnungslosen Arbeitnehmer. Damit das in Zukunft nicht mehr ohne weiteres passiert, haben die obersten Arbeitsrichter ihre Rechtsprechung mit Urteil vom 19.02.2019 grundlegend geändert (Az.: 9 AZR 541/15).

Das ist neu!

Der Arbeitgeber hat nun weitgehende Aufforderungs- und Aufklärungspflichten. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten künftig auffordern, noch nicht beantragten Urlaub zu nehmen und darauf aufmerksam machen, dass er sonst verfällt. Unterlassen sie das, kann das unter Umständen dazu führen, dass Arbeitnehmer doch noch einen verfallen geglaubten Urlaubsanspruch geltend machen können.

Der Fall

Die Richter des BAG in Erfurt mussten die Frage klären, ob und wie umfassend Arbeitgeber Angestellte vor dem Verfall von Urlaubsansprüchen warnen müssen. Zudem standen sie vor der Aufgabe, das BUrlG neu auszulegen. Denn im November hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei dem Thema Grundlinien vorgegeben.

Geklagt hatte ein Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft München. Er wollte 51 Tage Urlaub aus den letzten beiden Jahren bezahlt haben, den er bis zum Ende seines Arbeitsvertrages nicht mehr genommen hatte. Für seinen nicht genommenen Urlaub verlangte der Forscher fast 12.000 Euro von der beklagten Max-Planck-Gesellschaft. Das BAG legte den Fall dem EuGH vor. Der stellte klar: Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub darf nicht automatisch deshalb verfallen, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. Sehe das nationale Recht – wie in Deutschland – vor, dass der Urlaub zu einem bestimmten Datum verfällt, müsse der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer auch in der Lage ist, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Andernfalls verfalle der Anspruch nicht (Az.: C-684/16).

Diese Vorgaben hat das BAG mit seiner aktuellen Entscheidung im Fall nun umgesetzt. Nach der neuen Rechtsprechung der Erfurter Richter verfällt der Urlaub des Arbeitnehmers nur noch dann, "wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat." Offen ließen sie allerdings, ob ein älterer Urlaubsanspruch verjähren kann. Ein Sprecher des BAG machte klar: „Arbeitnehmer können jetzt prüfen, ob sie vielleicht doch noch Anspruch auf Urlaub haben, von dem sie dachten, er sei verfallen.“ ARAG Experten raten, damit nicht allzu lange zu warten – falls es eventuell eine tarifliche Verfallsklausel oder eine Verjährung der Ansprüche gibt.

Kurios!

Den konkreten Fall des Wissenschaftlers haben die Erfurter Richter gar nicht endgültig entschieden. Die beklagte Max-Planck-Gesellschaft gibt an, den Kläger per E-Mail bereits 2013 auf seine Urlaubsansprüche hingewiesen zu haben. Der Wissenschaftler bestreitet dies. Um die Faktenlage zu klären, verwiesen die Richter des BAG den Fall zurück ans Landesarbeitsgericht München.

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