Ich schreibe diese Zeilen, weil ich eine Reihe wunderbarer Menschen kennengelernt habe, die mir schon vor 10 oder 15 Jahren gesagt haben, eigentlich hätten sie keine Lust mehr auf ihren Job, sie würden überlegen zu kündigen, aber sie würden erst mal schauen, ob sich überhaupt etwas anderes fände.

Aushalten und bleiben?

Viele Jahre später sind sie noch im selben Job und dabei so frustriert, dass ich bei der Mehrzahl von ihnen nach Burnout und verschiedenen Krankheiten nur noch innere Resignation und Verbitterung feststellen kann. Sie haben das, was sie zu wunderbaren Menschen gemacht hat, nahezu verloren. Ich würde ihnen kaum noch zutrauen, ihr ehemaliges Charisma noch einmal für 30 Minuten in einem Bewerbungsgespräch so hochzudimmen, dass jemand in Versuchung kommen könnte, sie einzustellen.

Hätten sie damals, als die Luft aus dem alten Job heraus war, nicht besser kündigen sollen? 

Ich wage es nicht, darauf eine Antwort zu geben, denn ich weiß ja auch nicht, was stattdessen geschehen wäre. Sicher wäre es auch nicht wirklich verantwortlich, wenn man eine Sicherheit mutwillig und leichtfertig aufgeben würde. 

Geglückte Beispiele und die Wahrheit dahinter

Auch wenn Beispiele von geglückten Wechseln keine Garantie für andere Fälle bieten, so können sie doch vielleicht ermutigen. Als Coach, der in vielen solchen kritischen Momenten im Leben zu Rate gezogen wurde, kann ich allerdings von erfolgreichen beruflichen Neuanfängen berichten.

Dazu gehörte im ersten Schritt meistens die Wahrnehmung des individuellen Leidensdrucks, zweitens der Mut etwas zu wagen, und drittens oft tatsächlich eine Kündigung bevor jemand einen neuen Job gefunden hatte.

Die Wahrheit liegt dabei darin, dass ein Job, den man nicht mehr machen möchte, tot ist, und man ihn besser verlassen sollte. Auf toten Pferden kann man nicht weiterleiten.

Das psychologische Paradox liegt dabei hingegen darin, dass jemand, der ohne einen neuen Job kündigt, nachher mit umso existenzieller Energie nach einer neuen Alternative sucht. Damit ist er dann in Bewerbungsgesprächen präsenter, wacher, lebendiger, leidenschaftlicher und: attraktiver.

Ich würde zwar als Berater niemandem raten, ohne Alternative zu kündigen. Das wäre meinerseits leichtfertig. Ich kann aber von vielen Menschen berichten, die mit diesem Mut genug Kräfte in sich mobilisiert haben, um beruflich einen guten Sprung nach vorn zu springen.

Wann sollte man also kündigen? Ich möchte Ihnen dazu keine Empfehlung geben sondern Sie darauf hinweisen, dass jeder für sich selbst die Verantwortung trägt, und das Ratschläge immer heikel sind. Ich möchte Ihnen aber einige Kriterien anbieten, die Ihnen  vielleicht bei einer solchen oft schwierigen Entscheidung helfen können. Betrachten Sie insofern das Folgende als Gedankenanstoß:

10 Kriterien, wann Sie eine Kündigung ernsthaft erwägen sollten

1. Wenn sie merken, dass für Sie der Spaß und die Luft aus einem Job an mehr als drei Tagen in der Woche heraus ist, können Sie sich 6 Monate Zeit geben, das intern zu ändern. Wenn das in dieser Zeit nicht gelingt, ist es angemessen, sich nach einer neuen Stelle umzuschauen.

2. Wenn Sie mit Ihrem Chef entweder nicht offen oder gar nicht über Ihre Änderungswünsche sprechen können, wenn er Ihnen nicht zuhört, Ihre Vorschläge weg argumentiert und Ihre Vorschläge, Wünsche und Bedürfnisse nicht ernst nimmt und oder für Sie unerreichbar ist, ist es ebenfalls angemessen, zur nächsten Eskalationsstufe zu kommen. Entweder hört Ihnen dann Ihr ChefChef zu, oder Sie richten sich ein, Ihre eigenen Wege zu gehen.

3. Wenn Sie hinsichtlich Ihrer weiteren beruflichen Entwicklung nach einer mehrjährigen Tätigkeit länger als drei Jahre hinsichtlich einer Änderung vertröstet werden, sollten Sie die Warteposition verlassen und selbst aktiv nach neuen Alternative für sich suchen.

4. Wenn Sie spüren, dass Sie schon längst aus Fachkompetenz in Urteilskompetenz hineingewachsen sind, aber inkompetenten Urteilen von Chefs oder Entscheidungsgremien unterworfen sind, die immer wieder falsche oder unangemessene Entscheidungen aus sachfremden Motiven fällen, sollten Sie ein solches Feld ebenfalls verlassen. Sie sollten dann eine Position aufsuchen, in der Sie wegen Ihrer Urteilskompetenz mit entsprechenden Vollmachten handlungsfähig eingesetzt werden.

5. Wenn Sie bei aller legitimen  Rücksicht auf Ihre Familie und deren Versorgungssicherheit spüren, dass Sie sich schon länger an einem falschen Platz aufhalten, sollten Sie sich um Ihrer eigenen Gesundheit und Lebensfreude willen von Ihrer Familie die Freigabe für einen Wechsel mit dem üblichen Risiko holen. Muten Sie Ihrer Familie Rücksichtnahme auf Ihr Wohlbefinden und Ihre Gesundheit zu. Auch Ihre Familie kann nicht  wirklich glücklich sein, wenn Sie sich aufopfern, leiden und eingehen. Selbst ein Umzug in eine andere Stadt oder ein anderes Land kann für Kinder eine wertvolle Erfahrung sein und sie mobiler machen für ihr späteres Leben.

6. Wenn man länger als sieben Jahre selbst an einem guten Platz gearbeitet hat, ist einerseits meistens die Begeisterung erloschen und der Alltag zur Gewohnheit geworden. Zugleich steigt andererseits die Angst vor den Ungewissheiten eines Wechsels deutlich an und erschwert ihn immer mehr. Da sollten Sie es mal wieder wagen, die nächste Raketenstufe zu zünden und sich wieder einen Platz suchen, wo Sie neue Begeisterung empfinden.

7. In dem Moment, in dem Sie empfinden, dass Sie wie als zum Inventar gehörig behandelt oder besser gesagt ignoriert werden, sollte auch Schluss an eine Stelle sein. Da wird Ihre wirkliche Kompetenz nicht mehr erkannt. Schauen Sie sich dann dringend nach einer Stelle um, wo Sie wieder als der oder die Neue geschätzt werden, und wo Sie Ihre Kompetenzen endlich wieder voll einbringen können.

8. Wenn Sie erkennen, dass Ihre Firma von der Geschäftsleitung langsam aber sicher gegen die Wandgefahren wird und keinen Warnungen mehr zugänglich ist, sollten ist lieber früher als später das sinkende Schiff verlassen. Es ist wenig vorteilhaft, zum Schluss oder bei der Insolvenz noch dabei zu sein. Abgesehen davon, dass Sie Ihre letzten Gehälter dann vielleicht nicht mehr erhalten, wird man bei späteren Bewerbungen leicht als mitschuldig angesehen und gehört davor nur noch zum schäbigen Rest, der noch abgewickelt werden muss. 

9. Wenn Sie bei der Erinnerung an Ihre Träume, Ideen und Visionen, zu deren Verwirklichung Sie sich als junger Mensch berufen fühlten, feststellen, dass Sie davon meilenweit entfernt sind, kann das auch ein Grund zur Selbstprüfung sein. Wenn Sie nach 10.000 kleinen Kompromissen feststellen sollten, dass Sie einen Teil Ihrer Seele verloren haben, könnte es an der Zeit sein, all Ihre erwachsene Reife und Erfahrung dafür einzusetzen, jetzt endlich die Weichen neu zu stellen und zu beginnen das zu verwirklichen, wozu Sie sich heute berufen fühlen. Orientieren Sie sich an Ihren zentralen Sinnmotivationen und fokussieren Sie sich darauf.

10. Wenn Sie feststellen, dass sie eigentlich niemanden mehr aus Ihrer Führungsebene und der darüber achten oder mögen können, dass eigentlich alle diese Menschen weder authentisch noch lebendig, weder charismatisch noch sympathisch sind. Dann sollten Sie sich klarmachen, dass auch Sie in diesem System mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich werden wie diese. Vielleicht fällt es Ihnen dann leicht, dieses System möglichst schnell zu verlassen.

Mut zum entscheidenden Schritt der Selbstverwirklichung

Man sagt, Lehrjahre seien keine Herrenjahre. Das bedeutet: Zuerst muss man sich wohl oder übel den Regeln seines Umfeldes anpassen. Danach aber sollte irgendwann die Zeit anbrechen, in der man eigene Vorstellungen umsetzt und selber die Regeln des eigenen Lebens und seines Umfelds aktiv gestaltet und mitbestimmt. Die Mehrzahl der Menschen bleibt lebenslänglich durch Regeln und Konventionen fremdgesteuert. Wenn Sie Ihr Leben selbst aktiv in die Hand nehmen und nach Ihren Maßstäben gestalten wollen, können Sie noch heute mit dem Umbau beginnen. Wenn Ihr privates und berufliches Umfeld Ihnen dabei nur Steine in den Weg wirft, sollten Sie es besser verlassen und sich stattdessen ein anderes suchen oder erschaffen, das Sie auf Ihrem eigenen Weg unterstützt und Sie ermutigt, Sie selbst zu sein.

Mehr dazu:

Bücher von Winfried Prost:            „Führe dich selbst“

                                                         „Freiraum für die Seele“

Seminare mit Winfried Prost:        „Selbstführung und Eigenmotivatio

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