Auf die Bedeutung einer seelsorglichen Begleitung von Angehörigen eines Suizidenten ebenso wie auf die längst gängige Bestattungspraxis der christlichen Kirchen nach einem Suizid haben der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, und der Evangelische Landesbischof in Württemberg, Frank Otfried July, hingewiesen. Zum Auftakt der ökumenischen „Woche für das Leben“ betonten sie am Freitag (3. Mai) im Gemeindepsychiatrischen Zentrum in Stuttgart-Bad Cannstatt das gemeinsame Anliegen der Enttabuisierung von Suizidalität und den damit verbundenen Ängsten.

Die bundesweite Woche für das Leben widmet sich in diesem Jahr der Suizidprävention und trägt den Titel „Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern“. Sie findet zwischen dem 4. und 11. Mai statt.

„Gerade weil wir daran glauben, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist, ist es umso schmerzlicher mitzuerleben, dass dieses Geschenk für eine Person zur Bürde geworden ist“, sagte der evangelische Landesbischof Frank Otfried July. Unsere Haltung als Christen sei eindeutig, ergänzte er: Kein Mensch, der Suizid als letzten Ausweg vermute oder Suizid begangen habe, dürfe in irgendeiner Weise verurteilt werden. Auch sind pauschale Schuldzuweisungen in Richtung seines oder ihres Umfeldes unangebracht.

Bischof Gebhard Fürst verwies darauf, dass die Verweigerung eines christlichen Begräbnisses nach einem Suizid schon lange der Vergangenheit angehöre. Neben der Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse habe sich gleichzeitig das Verständnis von Seelsorge gewandelt – weg von einer moralischen Verurteilung hin zu einer sensiblen pastoralen Praxis in der Begleitung von Betroffenen und Angehörigen. Im Rechtsbuch der katholischen Kirche von 1983 (CIC) und damit auch im Katholischer Erwachsenen-Katechismus von 1995 sei die Verweigerung einer kirchlichen Beisetzung von Suizidenten nicht mehr aufgenommen, sagte der Bischof.

„Gerade in dieser Situation, in der neben aller Trauer meist so viele Fragen offen sind, in der die Scham vor den Reaktionen der Öffentlichkeit eine große Belastung ist, da kann das kirchliche Begräbnis mit seinen Ritualen helfen, Wege für die Trauer und den Abschied zu finden“, betonte der Rottenburger Bischof.

Dennoch stelle ein Suizid Christen vor eine große Herausforderung: So sehr jeder Mensch in seiner Würde und seinem Handeln respektiert werden müsse, könne der Suizid selbst als Tat nicht gebilligt oder gar gutheißen werden, stellte Bischof Fürst klar. „Unser Leben ist uns geschenkt, wir haben es empfangen. Unser Leben ist nicht verfügbar und kann, aus christlicher Sicht, nicht durch uns selbst beendet werden“.

Mit Blick auf die Angst der Menschen über das Thema Suizid zu sprechen, erläuterte Landesbischof July: „Die Sorge, dass die konkrete Frage nach Suizidgedanken selbst einen Suizidimpuls auslöst, ist unbegründet. Wo immer möglich, gilt es, Hilfe anzubieten beziehungsweise auf professionelle Angebote zu verweisen, auch wenn Betroffene zunächst abwehrend reagieren. Dabei gilt es auch, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein“.

Kirche und Gemeinden müssten sich verstärkt bemühen Räume zu öffnen. „Räume, in denen es keine Bewertung des Einzelnen gibt, Räume in den Platz ist für Krankheit und Schwäche“. Ziel müsse es sein, über Belastungen und psychische Erkrankungen so offen zu sprechen, wie dies bei der Diagnose „Burnout“ auch möglich sei. Psychische Erkrankungen und Depressionen dürften kein Tabuthema mehr sein, so Bischof Fürst. Dass sich hier etwas ändert, daran könne Kirche mitarbeiten, ist er überzeugt.

Die "Woche für das Leben" wirbt seit 1994 für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen. Die Aktion beginnt jeweils zwei Wochen nach Karsamstag und dauert sieben Tage. In diesem Jahr wird die Aktion bundesweit am 4. Mai mit einem ökumenischen Gottesdienst in Hannover eröffnet.

Die Eröffnung in Württemberg gestalten Bischof Gebhard Fürst und Landesbischof Frank Otfried July am Sonntag, 5. Mai, um 17.00 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst im Ulmer Münster.

Information zum Gemeindepsychiatrischen Zentrum (GPZ):
Das GPZ in Stuttgart-Bad Cannstatt wird vom Caritasverband für Stuttgart e.V. getragen. Es ist eines von insgesamt acht Gemeindepsychiatrischen Zentren in Stuttgart, die sich in unterschiedlichen Trägerschaften befinden. Insgesamt kümmern sich zwischen 350 und 400 Mitarbeiter um rund 4.000 psychisch kranke Menschen.

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