Dr. Jana Heuer
Fast 3000 Teilnehmer aus über 85 Ländern sind auf die diesjährige IdTechEx Show! in Berlin gekommen, um über 250 Referenten und mehr als 210 Aussteller zu treffen. Sensorik, gedruckte Elektronik, Wearables und das Internet der Dinge gehörten auch dieses Jahr wieder zu den Schwerpunkt-Themen dieser interdisziplinären und stark anwendungsgetriebenen Tagung.
In diesem Jahr lag ein besonderer Fokus auf E-Textilien, intelligenten Textilien und Textilherstellung. Auch Touch Surfaces und Smart Surfaces z.B. in Form von gedruckter Elektronik für Smart Surfaces waren sowohl bei den Vorträgen als auch im Ausstellungsbereich ein viel adressiertes Thema. Außerdem sind Drucktechnologien das klassische Schwerpunkt-Thema der IdTechEx, die damit eine gute Ergänzung zur Lopec-Messe bildet.
Sensorik
Die Schlüsseltrends in der Sensorik sind Sensoren für Automotive, für Wearables, medizinische Sensoren sowie Sensoren für das Internet der Dinge (Vortrag Xiaoxi He, IdTechEx). Insbesondere für das Internet der Dinge sind Multisensorik und Sensorfusion relevant: Eine Vielzahl von Funktionen müssen kombiniert werden, um ein komplexes Gesamtsystem abzubilden. Dabei müssen die Sensoren klein sein, einen niedrigen Energieverbrauch haben und zusammen arbeiten. Die große Herausforderung beim Sammeln vieler Daten bleibt die Dateninterpretation.
Sensoren mit neuen Formfaktoren ermöglichen neue Produkte und können neue Märkte erschließen. Sie werden durch neue Fertigungsmethoden hergestellt, z.B. durch Druckverfahren. Insbesondere Rolle-zu-Rolle-Verfahren ermöglichen eine Massenproduktion für Gas- oder Biosensoren. Aber auch großflächige Sensorik für In-Mold-Elektronik, Touch Interfaces etc. werden durch neue Druckverfahren möglich. Sensoren auf Plastiksubstraten sind relevant für flexible Geräte, Wearables und sensorische Hautpflaster.
Biosensoren, die biologische Signale in physikalische Signale wandeln, werden derzeit hauptsächlich für die Diagnostik angewendet. Der Trend geht zu einer verstärkten Anwendung für kontinuierliches Monitoring sowie zur Anwendung nah am Patienten (point-of-care). Hier entstehen neue Geschäftsmodelle. Statt Messgeräte zu verkaufen, werden bereits Messstreifen angeboten, z.B. für die Glukose-Messung.
Fortschritte in der Chip-Produktion erlauben RFID-Sensoren mit neuen Formfaktoren. Dabei werden RFIDs nicht nur zum Tracking, sondern auch als Sensor für Temperatur, Leckage etc. verwendet. Die Logistik bleibt hier der wichtigste Markt.
Auch für biometrische Sensoren gibt es einen wachsenden Bedarf, insbesondere für Fingerabdruck, Gesichtserkennung und Augen/Iris-Detektion. Hier ändert sich das Messprinzip von optischen zu kapazitiven Sensoren, die in das Innere von Displays integriert werden können und z.B. Smartphone-Sensoren ermöglichen, die sich über das gesamte Display erstrecken.
Die Entwicklung neuer Gassensoren, insbesondere von miniaturisierten Gassensoren, wird stark getrieben durch die globale Luftverschmutzung und den Bedarf, diese Verschmutzung (auch mobil) zu messen.
Vorgestellt wurden auch „künstliche Nasen“, also Sensoren für Gerüche. So liefern die Gase, die von Nahrungsmitteln abgesondert werden, Sensor-Signale mit typischen Mustern. Diese Muster können mit Datenbanken abgeglichen oder perspektivisch mittels künstlicher Intelligenz erkannt werden, um so Gerüche zu charakterisieren bzw. zu identifizieren (Aroma Bit, Inc.).
Die nächste Generation von MEMS-Sensoren wird intelligent und mit niedrigem Energieverbrauch sein (Dr. Wolfgang Schmitt-Hahn, Bosch Sensortec). MEMS-Sensoren finden sich überall, insbesondere in mobilen Endgeräten. Die große Herausforderung dieser Anwendungen ist die Batterie-Lebenszeit. Ultra-Low-Power-Sensoren können helfen, den Energieverbrauch zu reduzieren und damit die Lebenszeit des Gerätes zu erhöhen. Für die Entwicklung solcher Sensoren gibt es mehrere Stellschrauben. So kann das intrinsische Schaltungs-Design des Sensors eine Größenordnung an Leistungsverbrauch sparen. Die Kombination mit intelligentem Power-Management ermöglicht einen hohen Grad der Leistungsoptimierung. Auch intelligente Sensoren, bei denen Sensorfusion und Daten-Vorverarbeitung bereits im Sensor selbst stattfinden und nicht in der Cloud, helfen bei der Reduzierung des Energieverbrauchs. So hat z.B. die Positionsbestimmung über GPS in mobilen Geräten/Wearables einen hohen Energieverbrauch. Wenn die GPS-Signale durch Daten der Inertialsensoren/Bewegungssensoren ersetzt werden und das GPS nur benutzt wird, um ab und an die Daten zu kalibrieren, kann der Energieverbrauch für die Navigation um 60% reduziert werden.
E-Textile, smart textile
Dehnbare und flexible Elektronik ermöglichen eine hohe Anwendungsvielfalt von E-Textilien und intelligenten Textilien.
Eingebettete leitfähige Textilien, die den gesamten Körper bedecken, können Bewegungen und Arbeitsschritte analysieren (Ergoanalysis). So können bei körperlicher Arbeit, wie beispielsweise in der Fleischverarbeitung, Empfehlungen für gesündere Bewegungsmuster geliefert werden, die weniger Muskelschmerzen verursachen (Vortrag Pekka Tolvanen, Myontec).
Intelligente Touch Surfaces, die in Textilien integriert werden, wie beispielsweise in intelligenten Handschuhen, können in Zukunft unsere Interaktionsmöglichkeiten mit der Umwelt deutlich verändern und bieten neue Formen von Mensch-Maschine-Schnittstellen (Vortrag Daniel Strohmayr, Tacterion GmbH).
Eher für den Mode-Bereich entwickelt wurde die Open Source Plattform der Microsoft Garage hackster.io zur Entwicklung von intelligenter Kleidung. Weitere Start-ups in der Microsoft Garage entwickeln Herstellungsprozesse, die die Bekleidungsproduktion generell automatisieren und effizienter gestalten sollen. Dateien, die direkt von Maschinen umgesetzt werden können, sollen hier online und mit großer Gestaltungsvielfalt für Muster, Größen, Stoffe etc. erstellt werden können, um die vielen Feedback- und Korrekturzyklen in der Bekleidungsproduktion zu überwinden (Vortrag Dr. Kitty Yeung, Microsoft).
Wearables
Im Bereich der Wearables gibt es signifikante Entwicklungen bei den Hörhilfen. Diese verändern sich hin zu multifunktionalen Geräten mit eingebetteten Sensoren und künstlicher Intelligenz. Diese können den Gesundheitszustand überwachen, Umgebungsgeräusche analysieren, Geräusche in Abhängigkeit der Raumrichtung verstärken und generell zu einem persönlichen Assistenten werden (Vortrag Achin Bhowmik, Sarkey Hearing Aid).
Energieeffizienz ist auch bei Wearables ein großes Thema. So kann beispielsweise mittels kapazitiver Messung erkannt werden, ob ein Wearable an einem Menschen angebracht ist oder nicht. Dies senkt den Energieverbrauch, da sich das Gerät automatisch abschalten kann, wenn es gerade nicht vom Menschen getragen wird (Ausstellung Microdul).
Printed Electronics, hybrid electronics
Gedruckte Elektronik ermöglicht neuartige Produkte und Produktionsmöglichkeiten wie z.B. Quantum-Dot-Displays oder Inkjet-Drucken für Lötmasken.
Die Herstellung von Lötmasken ist nicht trivial. Lötmasken halten Lötmittel davon ab, an die falschen Stellen einer Leiterplatte/PCB zu fließen. Hohe Präzision, ansprechendes Aussehen sowie das Einhalten von Normen und Standards werden erwartet. Die klassische Produktion von Lötmasken enthält viel Handarbeit und viel Materialabfall. Notion Systems hat eine hochpräzise Inkjet-Druck-Lösung entwickelt, bei der nur dort gedruckt wird, wo es notwendig ist. Damit wird nicht nur Materialabfall verhindert, sondern es werden auch Prozessschritte eingespart (Vortrag Dr. Michael Doran, Notion Systems).
Im Bereich hybrider Elektronik ist die klassische Silizium-Technologie zwar kostenintensiv, ermöglicht aber eine hohe Integrationsdichte. Um flexible, kabellose und adaptive Systeme mit integrierter Sensorik und Elektronik zu produzieren, ist die Silizium-Technologie nach wie vor notwendig. Dafür müssen Siliziumchips dünn sein. Die Strategie von IMS Chips ist daher die Dünnung von Siliziumchips, die tatsächlich biegsam sind. Die Anwendungen reichen von medizinischen Anwendungen wie intelligenten Implantaten, über adaptive bionische Greifer für die Robotik bis zu intelligenten Produkt-Labels (Vortrag Dr. Christine Harendt, IMS CHIPS).
Industrie 4.0
Industrie 4.0-Technologien und -Anwendungen finden immer mehr Verbreitung. Manuelle Prozesse im Baugewerbe, insbesondere in den Branchen Öl und Gas, sind davon allerdings bisher wenig beeinflusst. Die Herausforderungen, IoT-Technologien anzuwenden, liegen hier insbesondere darin, dass die Arbeitsschritte und Prozesse menschen-basiert sind (nicht maschinen-basiert) und im Freien stattfinden. Hier gibt es Lösungsansätze eines Internets der Werkzeuge (Internet of Tools), z.B. in Form eines Smart Torque Systems mit bluetooth-fähigen digitalisierten Werkzeugen, mithilfe derer die Qualität von Schraubverbindungen überwacht werden kann (Vortrag Matthew Kleiman, Cumulus Digital Systems, Inc.)
Auch künstliche Intelligenz wurde im Rahmen von Industrie 4.0 thematisiert, insbesondere Anwendungen von selbstlernender KI auf dem Hallenboden. Ein Anwendungsbereich ist dabei die vorausschauende Qualitätsanalyse (Predictive Quality Analytics). So werden Qualitätstests in der Automobilproduktion oft manuell ausgeführt. Außerdem werden Qualitätstests, z.B. von Schweißpunkten, nur stichprobenartig durchgeführt, da es im schnellen Produktionszyklus nicht möglich ist, eine 100%-Kontrolle auszuführen. Hier können die Daten von Schweißrobotern mit Hilfe von KI und Mustererkennung genutzt werden, um die Qualität von Fertigungsschritten zu analysieren. Ein weiteres Beispiel ist das Rüsten von Maschinen. Auch wenn mehrere Maschinen auf die gleiche Art und Weise gerüstet werden, liefern sie doch unterschiedliche Qualitätsergebnisse. Auch hier hilft die Datenauswertung dabei, die signifikanten Einflussparameter herauszufinden (Vortrag Britta Hilt, IS Predict GmbH).
Produkte
Weitere Trends für neue Produkte gibt es in der Display-Technologie. Hier konnten große Fortschritte bei Quantum-Dot-Displays erreicht werden, die mit ihrer hohen Farbqualität möglicherweise OLED-basierte Displays künftig ablösen könnten (Vortrag Russell Kempt, Nanosys Inc).
Eine Vielfalt neuer Produkttrends gibt es auch im Gesundheitssektor. Beispielsweise ist für eine erfolgreiche Therapie relevant, ob Patienten Ihre Medikamente regelmäßig einnehmen. Dabei helfen Medikamenten-Blister, die registrieren, ob und wann eine Tablette eingenommen wurde. Die entsprechenden Informationen können vom Patienten oder vom Arzt per Smartphone ausgelesen werden (Vortrag Thomas Germann, Identiv GmbH).
microTEC Südwest
Auch microTEC Südwest war wieder mit einem Fachvortrag auf der IdTechEx Show! dabei. Dr. Jana Heuer stellte im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 Sensor- und Messsysteme für Industrieprozesse vor. Darunter waren Sicherheitslaserscanner für Outdoor-Anwendungen der SICK AG, Nanopartikel-Messtechnik von Testo sowie das akustische Prozess-Monitoring für Selektives Laserschmelzen (Selective Laser Melting SLM) des Instituts für Produktionstechnik wbk am Karlsruher Institut für Technologie KIT.
Viele Mitglieder von microTEC Südwest waren direkt vertreten als Aussteller oder Referenten. Dazu gehören Bosch Sensortec, Hahn-Schickard, IMS Chips, Notion Systems, Microdul und Würth Elektronik eiSos.
microTEC Südwest e.V. (bis 2015 MST BW e.V.) wurde auf Initiative des Wirtschaftsministeriums des Landes im Jahre 2005 gegründet. Der Fachverband microTEC Südwest e.V. fördert die Mikrosystemtechnik in der industriellen Umsetzung, in Forschung & Lehre sowie in der Ausbildung in Baden-Württemberg und ist gemeinnützig. Vorstand: Eckehardt Keip (Vorsitz), Dr. Ludger Bodenbach, Dr. Stefan Finkbeiner, Prof. Dr. Peter Post, Prof. Dr. Jürgen Rühe, Prof. Dr. Volker Saile. Geschäftsführerin: Dr. Christine Neuy. Register-Nr. 700133 – Amtsgericht Freiburg i. Br.
microTEC Südwest e.V.
Emmy-Noether-Straße 2
79110 Freiburg
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