"Zwischen dem Karlspreis und dem Weltfest des Pferdesports gibt es noch ein Top-Event", eröffnete Moderator Robert Esser die Aachener ERP-Tage 2019 am FIR. Die Aachener Leitveranstaltung für die prozess- und ressourcenorientierte Unternehmenssteuerung ging in diesem Jahr bereits in ihre 26. Runde. Unter dem Motto "Smart Operations – Vordenken. Gestalten. Umsetzen" trafen sich am 5. und 6. Juni rund 170 Unternehmensvertreter, um sich in Vorträgen, Best Practices und begleitender Ausstellung über die aktuellen Trends, Auswirkungen und Perspektiven der digitalisierten Auftragsabwicklung zu informieren und sich in der Diskussion mit Experten aus Industrie und Forschung auszutauschen.

Schon zu Beginn der Veranstaltung machte Jan Reschke, Bereichsleiter Produktionsmanagement am FIR, deutlich, dass Smart Operations nicht nur rein operative Aspekte der Auftragsabwicklung meinen, sondern als ganzheitlicher, lernender Prozess die Bereiche Planung, Steuerung und IT-Infrastruktur über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg beeinflussen. Den Weg zur Digitalisierung bezeichnete er als lernenden Kreislauf, der sich durch immer neu hinzukommende Erkenntnisse stetig weiterentwickle und letztendlich zur vollständig automatisierten Entscheidungsfindung führe. Die große thematische Bandbreite der Vorträge und Best Practices hochkarätiger Industrievertreter belegen die Komplexität des Themas. Unter anderem bieten Data-Mining, MES, Machine-Learning und Blockchain hohes Optimierungspotenzial auf dem Weg zur Operational Excellence – von der Entwicklung über die Fertigung und Distribution bis hin zur Qualitätssicherung beim fertigen Produkt über alle Produktionsstufen und Standorte hinweg.

Der Mensch, und darin waren sich die Referenten einig, steht bei aller Digitalisierung und Automatisierung weiterhin im Mittelpunkt. So ist beispielsweise die Erfassung der menschlichen Arbeitszeit und die damit verbundene Bestimmung valider Planzeiten gleichzeitig Voraussetzung und eine der größten Herausforderungen für smarte Produktionsumgebungen. Die Einbeziehung aller am Prozess beteiligten Mitarbeiter und ein strategischer Fokus auf identifizierte Optimierungspotenziale sind wichtige Voraussetzungen für die Akzeptanz und die erfolgreiche Umsetzung von Smart-Operations-Lösungen. Mindestens genauso bedeutend sind Schulung und Wissensaufbau im IT-getriebenen Umfeld. Nur geschulte, wissende Mitarbeitende können neue Prozesse anstoßen und Innovationen implementieren. Die Bedeutung von Wissen in der Arbeitswelt unterliegt dabei einem Paradigmenwechsel. Während sich die nun langsam in den Ruhestand verabschiedende Baby-Boomer-Generation durch gesammeltes Wissen qualifiziert, profilieren sich die nachfolgenden Generationen mehr über das Identifizieren und Auswerten von Wissen. Es bleibt die Frage, ob wir uns mit zunehmend digitalisierter Entscheidungsfindung das Lernen abtrainieren. Konsens erzielte man darüber, dass auf Erfahrung basierende Lerneffekte dank Digitalisierung weniger intuitiv als vielmehr analytisch und faktenbasiert genutzt werden.

Auch beim zentralen Thema von Smart Operations, der Sammlung, Aggregation und Anwendung valider Daten, ist die menschliche Arbeit die letztendlich entscheidende Komponente. Smart Operations unterstützen nicht nur strategische Entscheidungen, z. B. in den Bereichen Smart Maintenance und Smart Quality. Vor allem auf dem Shopfloor müssen häufig schnelle Entscheidungen für unvorhergesehene Situationen herbeigeführt werden. Mit Manufacturing Execution Systemen (MES) können beispielsweise prozessrelevante Daten und Lösungen auf Basis nachvollziehbarer, faktenorientierter Kennzahlen bereitgestellt werden. Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen durch MES sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn die im Tagesgeschäft eingebundenen Mitarbeiter von der Konzeption über die Datenerhebung und -verdichtung bis hin zur Anwendung einbezogen und in die Verantwortung genommen werden. Darüber hinaus kann auch die Bewertung menschlicher Arbeit und die Erstellung von Vorgaben nur durch Kenntnis der tatsächlichen Prozessabläufe geschehen.

Integration ist also ein erfolgskritischer Faktor, und Digitalisierung braucht valide Daten. Welche das sind, entscheidet letztendlich der Mensch. Damit ist auch das viel beschworene "neue Öl", als welches Daten heute gerne bezeichnet werden, immer nur so gut wie die Mitarbeiter, die diese Daten erheben, fallbezogen bewerten und anwenden. Technologien, Tools und Prozesse sind Hilfsmittel auf dem Weg zur Digitalisierung von Produktionsprozessen; umsetzen und verantworten muss sie der Mensch.

"Smart Operations gelingen nur durch das Zusammenspiel von Mensch, Software und System. In Entscheidungssituationen kann nur durch die Kombination aus implizitem Wissen mit system- oder technologiebasierten Daten und Informationen die situativ bestgeeignete Lösung gefunden werden. Dabei steht insbesondere der Mensch als Träger des Erfahrungswissens im Mittelpunkt, um die Prozesse der Zukunft unter Einsatz geeigneter Methoden wie KI, Blockchain und Process Mining wirklich nachhaltig intelligent zu gestalten", betonte auch FIR-Geschäftsführer Prof. Dr. Volker Stich in seinem Veranstaltungsrésumé.

Smart Operations werden die industrielle Fertigung und die damit verbundenen Aufgaben verändern. Bei stetig neuen Trends bleiben jedoch die Anforderungen an die Hersteller gleich. Smart Operations bringen Anforderungen und Innovation unter einen Hut, unterstützen Entscheidungen auf Basis verschiedenster Daten und sind der Motor für Effizienzsteigerungen und Qualitätssicherung. Der Mensch besitzt in diesem Umfeld weiterhin die Souveränität. Er entscheidet über die Credentials und wenn man es richtig anpackt, ist der Gewinn groß. Eine wertebasierte Unternehmenskultur sowie die Fähigkeit, Mitarbeiter zu integrieren und zu begeistern, sind damit wesentliche Schraubstellen für echten Mehrwert durch Smart Operations.

Nach erfolgreichem Verlauf der ERP-Tage 2019 steht auch der Termin für das kommende Jahr bereits fest: Vom 17. bis 18. Juni 2020 treffen sich wieder Vertreter aus Industrie, Forschung und Verbänden.

Über FIR an der RWTH Aachen

Das FIR ist eine gemeinnützige, branchenübergreifende Forschungs- und Ausbildungseinrichtung an der RWTH Aachen auf dem Gebiet der Betriebsorganisation, Informationslogistik und Unternehmens-IT mit dem Ziel, die organisationalen Grundlagen zu schaffen für das digital vernetzte industrielle Unternehmen der Zukunft.

Mit Erforschung und Transfer innovativer Lösungen leistet das FIR einen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Dies erfolgt in der geeigneten Infrastruktur zur experimentellen Organisationsforschung methodisch fundiert, wissenschaftlich rigoros und unter direkter Beteiligung von Experten aus der Wirtschaft. Im Zentrum der Betrachtung liegen die industriellen Verticals als Anwendungsfälle. Dies sind aktuell: Future Logistics, Smart Services und Smart Maintenance, Smart Commercial Buildings und Smart Mobility.

Das Institut begleitet Unternehmen, forscht, qualifiziert und lehrt in den Bereichen Dienstleistungsmanagement, Business-Transformation, Informationsmanagement und Produktionsmanagement. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen fördert das FIR die Forschung und Entwicklung zugunsten kleiner, mittlerer und großer Unternehmen.

Seit 2010 leitet der Geschäftsführer des FIR, Professor Volker Stich, zudem das Cluster Smart Logistik auf dem RWTH Aachen Campus. Im Cluster Smart Logistik ermöglicht das FIR eine bisher einzigartige Form der Zusammenarbeit zwischen Vertretern aus Forschung und Industrie. Das FIR wird vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert, unterstützt als Johannes-Rau-Forschungsinstitut die Forschungsstrategie des Landes und beteiligt sich an den entsprechenden Landesclustern, um den Standort NRW zu stärken.

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