Drei herausfordernde A’s dominierten die 16. Auflage der Rapid.Tech + FabCon 3.D vom 25. bis 27. Juni 2019 in Erfurt: Anwendungen, Abläufe, Ausbildung. Die 175 Aussteller, davon 24 aus dem Ausland, registrierten ein weiter gewachsenes Wissensniveau zum 3D-Druck bei den nahezu 4.500 Fachbesuchern. Sie hoben insbesondere die hohe Qualität der Besucher hervor, die mit viel Sachkunde konkrete Anwendungen für additive Verfahren in den Fertigungsprozessen anfragten. An den Ständen sowie in den rund 20 Foren des Fachkongresses und der 3D Printing Conference diskutierten die Messe- und Kongressteilnehmer vor allem Themen zur wirtschaftlichen Nutzung des Additive Manufacturing (AM), zu dafür notwendigen durchgängigen Prozessen vom Design bis zur Nachbearbeitung inklusive rechtlicher und Standardisierungsaspekte sowie zur frühzeitigen Qualifizierung der notwendigen Fachkräfte. „Die drei Tage in Erfurt haben eindrucksvoll gezeigt, dass AM in der Industrie angekommen  ist und dass die diesjährige Kongressmesse mit Antworten auf die wesentlichen Herausforderungen und Trends in Sachen Industrialisierung aufwarten konnte. Dazu trugen auch die neu konzipierten Foren Education, Software & Prozesse, Normung & Arbeitsschutz sowie Kunststoff ebenso bei wie die weiterentwickelten Angebote zum Netzwerken“, schätzen die Vorsitzenden des Fachbeirats Michael Eichmann (Stratasys) und Prof. Dr. Gerd Witt (Universität Duisburg-Essen) ein.    

Neben führenden Anbietern wie 3D-Systems, EOS, FIT, Stratasys oder Trumpf, die seit Jahren Stammaussteller in Erfurt sind, zeigten in diesem Jahr erstmals weitere namhafte Unternehmen wie der französische 3D-Design-Software-Experte Dassault Systemes oder der österreichische Technologiekonzern Voestalpine Lösungen für wirtschaftliche AM-Anwendungen in der Industrie. Darüber hinaus präsentierten zahlreiche mittelständische Firmen sowie Forschungseinrichtungen und Universitäten ihr Know-how bei Werkstoffen, Maschinen, Software, Nachbearbeitungslösungen und weiteren Dienstleistungen für das Additive Manufacturing. Neue kreative Ideen für den 3D-Druck offerierten auch 2019 die zahlreichen internationalen Start-Ups und junge Designer. Mit einem Verfahren zur Herstellung eines 3D-druckbaren und zusätzlich 3D-bedruckbaren hochreinen Quarzglases, u. a. für optische Anwendungen wie Endoskoplinsen, überzeugte die Glassomer GmbH aus Freiburg beim Wettbewerb um den Start-Up-Award. Die Messe Erfurt war darüber hinaus zum vierten Mal die Plattform für den internationalen Designwettbewerb 3D Pioneers Challenge mit einem neuen Bewerberrekord. Der hochkarätig besetzten internationalen Jury lagen Einreichungen aus 23 Ländern von fünf Kontinenten vor. Unter den 36 Finalisten wurden die besten 3D-Druck-Designideen in den Kategorien Architektur, Design, Digital, FashionTech, Material, MedTech, Mobilität und Nachhaltigkeit gekürt. Die Jury vergab den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis an das Projekt „3D printed heart“ vom Team der Tel Aviv University Israel, das ein 3D-gedrucktes Mini-Herz aus patienteneigenen Stammzellen und organischem Gewebe,  zur 3D Pioneers Challenge eingereicht hatte. 

Konkrete Anwendungen von der Medizintechnik bis hin zur Industrie auf der Erde und in der Luft inklusive der noch zu lösenden Aufgaben für durchgängige digitale Prozessketten widerspiegelten eindrucksvoll die Keynote-Vorträge, mit denen jeder Messetag eröffnet wurde. Den Anfang machte Prof. Dr. Dr. Majeed Rana, Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Er zeigte auf, wie durch Unfälle, Tumore oder angeborene Fehlbildungen hervorgerufene Defekte im Kiefer- und Gesichtsbereich heute mit computer-assistierter Chirurgie und additiven Verfahren vollständig und meist mit nur einer Operation beseitigt werden können. CAD-Software und 3D-Druck werden zu entscheidenden Hilfsmitteln für den Chirurgen. Damit könne er eine Operation punktgenau planen und die benötigten Implantate patientenspezifisch anfertigen lassen. Gegenüber konventionellen Mitteln sei das ein deutlicher Quantensprung, so Prof. Dr. Dr. Rana. Drei Wünsche hat er an die Hersteller und Dienstleister im 3D-Druck für den medizinischen Bereich: Benutzerfreundlichkeit aller Produkte und Tools, eine einheitliche Sprache in Medizin und Industrie und noch mehr Schnelligkeit, um Anwendungen praktisch einzusetzen.

Dass Additive Manufacturing und Digitalisierung Partner für eine perfekte Ehe sind und im Zusammenspiel die Voraussetzungen für komplett durchgängige digitale Wertschöpfungsketten schaffen, betonte Ulli Klenk, Principal Key Expert bei Siemens Gas and Power, in seinem Keynote-Vortrag. Er verhehlte nicht, dass Hersteller und Dienstleister dafür gemeinsam noch viele Hausaufgaben zu lösen haben. Die Siemens-Aktivitäten zur AM-Industrialisierung demonstrierte er am Beispiel einer Brennerspitze für Turbinen und zeigte zugleich das enorme Potenzial von AM für die Herstellung effizienter und gewichtssparender Bauteile auf, das sich sowohl im Produktionsprozess als auch beim Einsatz der Teile in einer CO2-Reduzierung niederschlägt. Wurden mit konventionellen Methoden zwölf Einzelteile für die Komponente benötigt, kann die Brennerspitze jetzt als ein Teil gedruckt werden. Auch ein bisher zusätzlicher Coating-Prozess entfällt. Siemens Gas  and Power verfügt seit 2006 über Erfahrungen im AM und nutzt 3D-Druckverfahren u. a. für die Turbinenherstellung. 2017 wurde die erste Turbinenschaufel gedruckt. Effekte, die bisher mittels AM erreicht wurden, sind um bis zu 75 Prozent verkürzte Entwicklungszeiten, bis zu 65 Prozent eingesparte Fertigungs-Ressourcen und etwa um die Hälfte reduzierte Lieferzeiten. Zu den Hürden, die noch zu nehmen sind, gehören durchgängige Software-Lösungen, die es erlauben, in die Maschinen und Bearbeitungsprozesse detailliert „hineinzuschauen“, so Klenk, und Parametersätze auszulesen. Ziel ist die komplett virtuelle Produktion für eine optimierte effiziente Fertigung.

Über den wirtschaftlichen Quantensprung, der in der Raumfahrt mittels AM anvisiert wird, sprach Dr. Steffen Beyer von der Ariane Group in seinem Keynote-Vortrag am letzten Veranstaltungstag. Der promovierte Werkstoff-Spezialist ist verantwortlich für Werkstoffe, Produktionsprozesse und Industrialisierung im Bereich Raketentriebwerke. Aktuell stehen sowohl die Ariane 6, die im nächsten Jahr starten soll, als auch bereits die nächste Raketen-Generation im Fokus. Ziel ist, die Triebwerkskosten von derzeit zehn Millionen Euro auf zukünftig eine Million Euro zu senken. Das ist nur mit disruptiven Technologien zu erreichen. Dabei spielt Additive Manufacturing eine wesentliche Rolle, verwies Dr. Beyer auf die immense Herausforderung. Neben dem bereits qualifizierten Pulverbettverfahren (LBM) entwickelt die Ariane Group dafür u. a. Drahtverfahren (WAAM) und das Kaltgasspritzen (CGS) für den industriellen Einsatz und setzt generell einen Schwerpunkt auf die Qualifizierung und Industrialisierung der gesamten additiven Entwicklungs- und Fertigungskette. Dazu gehört die Realisierung einer 100-prozentigen lückenlosen Inline-Prozessüberwachung vom Ausgangsmaterial bis zum Endprodukt. Reinheit ist das A und O, denn kleinste Partikel können zum Versagen des Triebwerks führen, so Dr. Beyer.

„Die Rapid.Tech + FabCon 3.D als Deutschlands älteste Kongressmesse zum Thema 3D-Druck hat einmal mehr verdeutlicht, dass Erfurt als fester Frühsommer-Treffpunkt der AM-Familie nicht aus der Szene wegzudenken ist. Darauf bauen wir auf und tragen in den nächsten Jahren mit einem umfangreichen Investitionsprogramm in die Rapid.Tech + FabCon 3.D und unsere Infrastruktur dazu bei, die Attraktivität und den Service für Besucher und Aussteller weiter deutlich zu verbessern. Erste Ergebnisse werden bereits zur Rapid.Tech + FabCon 3.D 2020 zu spüren sein“, betont Michael Kynast, Geschäftsführer der Messe Erfurt GmbH.

Die 17. Rapid.Tech + FabCon 3.D. findet vom 16. bis 18. Juni 2020 in Erfurt statt.

Mehr Informationen: www.rapidtech-fabcon.com

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