Vom 17. bis zum 18. September 2019 fand die "International Aircraft Cabin Air Conference 2019" am Imperial College in London statt. Grund für die Konferenz: Die Kabinenluft in Flugzeugen ist durch austretendes Triebwerksöl belastet. Dies hat zu teilweise erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Piloten und Flugbegleitern geführt und hat regelmäßige Vorfälle im Flugverkehr zur Folge. Kontaminierte Luft im Cockpit kann die Flugsicherheit durch Ausfall der Piloten bedrohen. 30 Vortragende berichteten und diskutieren mit 120 weiteren Teilnehmern die neusten technischen und medizinischen Erkenntnisse. Es geht um die Luft, die wir alle in Passagierflugzeugen einatmen. Technische Lösungen wurden vorgestellt. Es ging um Filter und Katalysatoren zur Verbesserung der Luftqualität und um Sensoren zur Luftmessung. Das Problem der kontaminierten Kabinenluft ist vielschichtig und erstreckt sich über die Fachgebiete Medizin, Arbeitsmedizin, Toxikologie, Technik, Luftrecht und Arbeitsrecht. Auch das strategische Verhalten der Industrie wurde analysiert. Beobachtet wird hier generell eine Taktik der Verschleierung und Verzögerung. Für proaktive Unternehmen tun sich hingegen neue Geschäftsfelder auf.

Prof. Scholz der HAW Hamburg leitete seinen technischen Vortrag ein mit einem Vorfall vom Donnerstag, 22. August 2019, 21:16 Weltzeit. MAYDAY MAYDAY MAYDAY. Die Besatzung eines Airbus A321neo (N218HA) von Hawaiian Airlines sendet auf dem Flug von Oakland nach Honolulu (HA47) einen Notruf aus: "Feuer im Frachtraum!" Direkt nachdem der Sinkflug eingeleitet wurde, hatte sich die Kabine mit beißendem Rauch gefüllt. Die Piloten setzen die Sauerstoffmasken auf und atmen jetzt reinen Sauerstoff. Auf diese Weise sind sie vor dem Rauch geschützt und können das Flugzeug sicher führen. Wenige Minuten später sprechen die Rauchmelder im Frachtraum an. Die Piloten aktivieren die Feuerlöschanlage im Frachtraum. Während die Piloten durch ihre Sauerstoffmasken geschützt sind, sind alle Passagiere und Flugbegleiter in der Kabine dem giftigen Rauch schutzlos ausgeliefert. Die Sauerstoffmasken für die Passagiere geben die Piloten nicht frei, aus Furcht einem Brand damit noch mehr Sauerstoff zuzufügen. Direkt nach der Landung folgt die Notevakuierung. Die Passagiere verlassen das Flugzeug dabei über Notrutschen. Nach nur 30 Sekunden befinden sich alle Passagiere sicher auf dem Erdboden. Sieben Passagiere werden in ein Krankenhaus gebracht. Der Frachtraum wird untersucht, aber keine Spur von einem Feuer gefunden. Wenige Stunden später berichtet Hawaiian Airlines, dass der Grund für die Rauchbildung eine fehlerhafte Dichtung im Triebwerk war. Weitere fast identische Vorfälle hatten sich vorher ereignet: Am 5. August 2019 traf es einen Airbus A321 (G-MEDN) von Britisch Airways auf dem Flug (BA-422) nach Valencia und am 10. Dezember 2018 einen Airbus A320 (VT-ITR) von Indigo auf dem Flug (6E-237) nach Kalkutta. Beim letztgenannten Flug verteilen die Flugbegleiter feuchte Tücher, durch die die Passagiere atmen sollten. Die Flugbegleiter folgten damit einer Empfehlung des Flugzeugherstellers. Ein feuchtes Tuch ist als Filter gegen Nervengas aber ungeeignet. Einen Schutz kann hingegen eine professionelle Atemschutzmaske mit einem entsprechenden Filter liefern. Atemschutzmasken sind aber an Bord nicht vorhanden.

Die genannten extremen Fehlerfälle, bei denen die Kabine voll von Rauch durch ausgetretenes Triebwerksöl ist, sind nur die Spitze des Eisbergs. Bei vielen Flügen wird lediglich ein Geruch von "dreckigen Socken" festgestellt. Der Geruch stammt aus den Grundbestandteilen des Öls. Das Öl tritt aus den Dichtungen an den Lagern der Triebwerkswellen aus. So gelangt es in die sehr heiße Luft des Verdichters am Triebwerk und wird der Klimaanlage und schließlich der Kabine zugeführt. Dies geschieht konstruktionsbedingt regelmäßig in kleinen Mengen, vermehrt durch Verschleiß der Dichtungen und in großen Mengen bei einem teilweisen oder vollständigen Versagen der Dichtungen (so wie in den drei erwähnten Beispielen). Wenn das Öl in die heiße Luft kommt, dann pyrolisiert (verbrennt) es zu einer Vielzahl von teils gefährlichen chemischen Produkten. So entstehend die Volatile Organic Compounds (VOC) und die Ultra Fine Particles (UFP). Problematisch ist insbesondere der Zusatzstoff Trikresylphosphat (TCP) im Öl. TCP wird spätestens dann gefährlich, wenn es im Triebwerk mit sehr heißer Luft in Verbindung kommt. Weniger gefährliche Isomere des TCP können sich dann in hochgiftige Isomere verwandeln. TPC schädigt die Nerven und führt so zu Lähmungserscheinungen.

Judith Anderson der Association of Flight Attendants wertete Datenbanken der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FAA aus mit Daten der Jahre 2002 bis 2011. Sie betrachtete Ereignisse mit Rauch oder Geruch im Flugzeug verursacht durch Öl. Bei den Datenbanken handelte es sich um das FAA Accident Incident Data System (AIDS) und um das Service Difficulty Reporting System (SDRS). Anderson ermittelte mehr als 3000 Ereignisse mit kontaminierter Luft aus dem Triebwerk, mit mehr als 1300 davon explizit durch Öl. Die FAA berichtete dem US-amerikanischen Kongress in einem Bericht vom 16.08.2013 jedoch nur 18 solcher Ereignisse und konnte auf Nachfrage den internen Bericht mit der Auswertung dazu nicht finden. Die FAA unterstützt damit die Verschleierungstaktik der Flugzeughersteller in dieser Problematik.

Iceland Air berichtete über extrem verschmutzte Luftkanäle durch Öl bei Flugzeugen des Typs B757 mit Triebwerken vom Typ Rolls-Royce RB211-535 (siehe Bild). Iceland Air zeigte ein beispielgebendes proaktives Verhalten. Die Airline führte ein internes Berichtssystem ein, um die Ereignisse und die akuten gesundheitlichen Auswirkungen auf die Besatzung besser zu verstehen. Rolls-Royce ist stolz auf die langen Zeiten, die das Triebwerk RB211-535 ohne grundlegende Überholung am Flugzeug bleiben kann. Das führt jedoch dazu, dass Komponenten so stark verschleißen, dass es zu Ölleckagen kommt, wie Rolls-Royce nach der Untersuchung eines Triebwerks von Iceland Air bestätigte. Diese Ölleckagen (und die gesundheitlichen Schäden der Besatzung) werden für die niedrigen Wartungskosten hingenommen.

Kombinierte Ozon/VOC-Katalysatoren von BASF können für die Flugzeuge vom Typ Airbus A320, A330/340 und A380 mit minimalem Aufwand nachgerüstet werden. Ozon/VOC-Katalysatoren könnten bei der hier beschriebenen Problematik helfen. Jedoch wird von deren Einsatz nur wenig berichtet, obwohl die Ozon/VOC-Katalysatoren bereits seit 2005 am Markt sind. Reine Ozonkonverter werden durch die Airlines dort eingesetzt, wo sie vorgeschrieben sind, helfen aber nicht gegen VOC.

Aufgrund des stark zunehmenden Drucks durch Piloten und Flugbegleiter verwenden wenige Airlines auf freiwilliger Basis Filter mit Aktivkohle gegen die VOCs. Diese werden für Flugzeuge der A320-Familie angeboten. Der einfache Einsatz der Filter ist möglich, weil diese in bestehende Filtern integriert werden, die bereits in der Rezirkulation der Kabinenluft im Flugzeug vorhanden sind. In der Rezirkulation wird aber nur eine begrenzte Wirksamkeit erreicht. Eine vorhandene Schadstoffkonzentration kann so nur auf ca. 60 % des Wertes ohne Aktivkohlefilter abgesenkt werden. (Dies bei einer gemessenen Wirksamkeit des Filters von 70 %.)

Der Filterhersteller Pall arbeitet daher an der Zulassung von Aktivkohlefiltern für Flugzeuge der A320-Familie, die in der Zuleitung zur Kabine eingebaut werden und so den gesamten Luftstrom erfassen. In Kombination mit den Filtern in der Rezirkulation könnte so eine vorhandene Schadstoffkonzentration auf immerhin ca. 18 % des Wertes ohne Aktivkohlefilter abgesenkt werden. Die Zulassung wird noch mindestens ein Jahr dauern und die Einführung bei interessierten Airlines dann nur langsam erfolgen, weil der Installationsaufwand größer ist als ein einfacher Filterwechsel.

Kabinenluft, die völlig frei von Öldämpfen ist, lässt sich nur durch separate Verdichter bereitstellen, die die Luft am Rumpf aufnehmen. So ein Verdichter sollte möglichst mit Luftlagern ausgestattet sein. Die Boeing 787 fliegt mit so einem System und spart damit auch noch Kraftstoff ein. Es muss jetzt gehandelt werden, weil man nicht darauf warten kann bis Flugzeuge in allen Größen mit diesem System entworfen und gebaut wurden und dann die alten Flugzeuge ersetzt haben.

Die Zulassungsvorschrift für Passagierflugzeuge CS-25.1309(c) verlangt Sensoren an Bord, die es aber trotz der Vorschrift nicht gibt. Die verantwortlichen Luftfahrzeugführer müssten dann – notfalls in eigener Initiative – Messgeräte an Bord bringen, die basierend auf Markerstoffen vor giftiger Kabinenluft warnen. Geeignete Marker, für die es auch bezahlbare Messgeräte gibt, könnten sein: Kohlenmonoxid (CO), Formaldehyd (HCHO) und Ultra Fine Particle (UFP). "Eine Luftmessung muss nicht perfekt sein. Wenn wir auf perfekte Technologie warten, dann werden wir nie messen", erklärt dazu Prof. Jones, Kansas State University. Allein schon aus rechtlichen Gründen wird die Industrie jedoch alles unternehmen, um regelmäßige Luftmessungen im Flugzeug zu verhindern. Denjenigen, die die Industrie wegen geschädigter Gesundheit verklagen könnten, soll das Beweismaterial dafür vorenthalten werden. Es geht nicht um einen Fall vor Gericht. Es sind hunderte.

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Aircraft Design and Systems Group (AERO) ist die Forschungsgruppe für Flugzeugentwurf und Flugzeugsysteme im Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau der HAW Hamburg. AERO führt wissenschaftliche Mitarbeiter zur kooperativen Promotion und bearbeitet Projekte aus Forschung, Entwicklung und Lehre.

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