Dauerhafte Ein- und Durchschlafprobleme sind mehr als nur lästig: sie mindern die Leistungsfähigkeit und können schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden nach sich ziehen. „Nicht jeder mag Schlafmittel nehmen. Das wird schnell zur Gewohnheit und löst vor allem nicht die Ursachen“, stellt die Ergotherapeutin Barbara Droth fest. Sie findet lieber die Gründe für den gestörten Schlaf heraus. An der Akademie des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) gibt sie ihr Wissen zum Thema „Schlaf“ ebenso weiter wie Arbeitsmaterialien und Assessments, die sie dazu entwickelt hat.

Es ist ein noch junges Betätigungsfeld für Ergotherapeuten, sich um Menschen mit Schlafproblemen zu kümmern. Dabei liegt es auf der Hand, diese Berufsgruppe hier ins Boot zu holen: Ergotherapeuten fokussieren sich auf den Alltag ihrer Patienten und Klienten. Indem sie diesen bis ins kleinste Detail zerlegen, finden sie heraus, welche Störfaktoren den gesunden Schlaf verhindern. Und erarbeiten dann gemeinsam mit den Schlafsuchenden individuell für sie passende Möglichkeiten, den Alltag entsprechend zu verändern.

Schritt 1 bei Ergotherapeuten: Tagesprofil beleuchten

So unterschiedlich wie jeder einzelne Mensch selbst ist auch sein Tagesablauf und die Aktivitäten und Aufgaben, die seinen Alltag prägen. „Oft sind die Menschen total überlastet und können ihre Leistungen wegen ihrer Schlafprobleme nur schwer erbringen, wenn sie zu mir in die Praxis kommen“, zeichnet die Ergotherapeutin ein Patientenbild. Häufig leiden gestresste Manager, Menschen im Außen- oder Schichtdienst, Schüler und Studierende, Selbstständige oder generell Berufsgruppen, die einen stressigen Alltag oder Zeitdruck haben, unter schlechtem Schlaf. Zum Ergründen der Ursachen lässt die Expertin ihre Klienten reden. Denn: „Zuhören ist das A & O“, sagt sie, und dass das für erfahrene Ergotherapeuten ein Analyseinstrument ist. Aus dem, was und wie ihr Gegenüber etwas von sich gibt, spüren sie heraus, in welchem Bereich sie zuerst nach dem Störfaktor in seinem Alltag suchen müssen. Ist es die Psyche, das Schlafverhalten, sind es Umgebungsfaktoren wie Bett, Lärm, Licht, der Beruf oder etwas ganz anderes?

Ergotherapeutische Empathie: Befindlichkeiten berücksichtigen

„In puncto Schlaf sind die Betroffenen sehr sensibel“, weiß die Ergotherapeutin und Expertin in Sachen Schlaf zu berichten und fährt fort: „Manche haben eine Odyssee hinter sich, Hilfe bei unterschiedlichen Stellen gesucht. Oder Negatives erfahren“. Meist sind sie so sehr in ihrem gewohnten Alltag und der täglichen Tretmühle gefangen, dass sie selbst keine Möglichkeiten sehen, was sie verändern könnten, um besser zu schlafen. Auch stehen einige einer Beratung skeptisch gegenüber, weil sie Eingriffe in ihr Leben, die Gestaltung ihres Alltags oder Vorschriften befürchten. Bei Ergotherapeuten geht es jedoch nicht um Vorschriften oder um übergestülpte Lösungen. Ergotherapeuten arbeiten klientenzentriert, haben die Ziele ihrer Klienten im Blick und berücksichtigen deren Interessen, Fähigkeiten, Ressourcen, kurzum alles, was in diesem Individuum steckt.

Motivation Schlafsuchender verstärken

Einfühlsam und verständnisvoll finden Ergotherapeuten wie Barbara Droth durch ihr spezielles Vorgehen heraus, wie sie den Veränderungswillen des Schlafsuchenden effektiv verstärken können. Sie fragen dann etwa nach den Prioritäten in dessen Leben. Außer dem Beruflichen sprechen sie insbesondere das soziale Umfeld, Partnerschaft, Kinder und Familie an. „Dann spüre ich ganz schnell, dass eine andere Wertigkeit entsteht, die Betroffenen trotz ihrer Resignation, die mit schlechtem Schlaf verbunden ist, Chancen erkennen. Manche sagen etwa: Ich möchte wieder mehr mit meiner Frau unternehmen. Oder: Ich möchte gesund bleiben für meine Kinder“, zitiert Droth ihre Klienten. Sobald diese erkannt und ausgesprochen haben, wofür sie morgens aufstehen, was den Sinn ihres Lebens ausmacht, ist die Motivation ungleich größer, gewohnte Alltagsstrukturen zu verändern.

Alltagstauglichkeit prüfen

Gemeinsam mit dem Klienten eruiert die Ergotherapeutin dann, in welcher der drei Gesundheitssäulen Bewegung, Ernährung und Ruhe – inklusive Schlaf – als Erstes eine Veränderung gelingen kann. Denn am wenigsten können diese Menschen noch mehr Stress oder Zeitdruck vertragen. Das Ziel ist daher, dort anzusetzen, wo es demjenigen am leichtesten fällt. Und wofür er unkompliziert und im für ihn passenden Tempo Raum in seinem Alltag schaffen kann, um schrittweise gesundheits- und damit schlaffördernde Veränderungen einzubauen. Kann sich derjenige etwa damit anfreunden, sich mehr zu bewegen? Das kann zunächst etwas ganz Banales sein, vielleicht anstelle von Aufzügen oder Rolltreppen immer die Treppe zu nehmen, bei bestimmten Tätigkeiten wie Telefonieren zu gehen oder zu stehen. Es muss für den Einzelnen passen und sich ohne große Anstrengung in dessen Alltag integrieren lassen. Ist es gelungen, einfache Veränderungen im Alltag zu etablieren, kann es an die größeren Dinge gehen. Gemeinsam mit ihrem Klienten schauen sich Ergotherapeuten dann etwa besonders hektische Tage an, entwickeln Ideen, wie sich Aufgaben umstrukturieren oder bündeln lassen. So lässt sich das Tagesgeschäft leichter bewältigen und es entsteht mehr Freiraum für Zeit mit Familie und Kindern und für einen entspannteren Übergang in den Abend und die Schlafenszeit.

Details mithilfe ergotherapeutischer Assessments herausfinden

Situationsbedingt verwendet Droth bewährte Erfassungsinstrumente wie etwa den Pittsburgh Schlafqualitätsindex, ein international bekannter Fragenkatalog für Schlafqualität. Zusätzlich hat sie eine Reihe weiterer Fragen ausgearbeitet, im Praxisgeschehen fortlaufend verfeinert und in eigene, spezielle Assessments zusammengefasst. Assessments sind Beurteilungsinstrumente, die sich auf die Beantwortung ineinandergreifender Fragen stützen. Fragen, die jeden Bereich des Alltags beleuchten, dabei in die Tiefe gehen, um konsequent und beharrlich jede noch so kleine Einzelheit ans Tageslicht zu bringen. Am Beispiel einer Studierenden, die vor einer Prüfung stand, verdeutlicht die Ergotherapeutin, warum es sich lohnt, so vorzugehen. Die junge Frau hatte seit Monaten Probleme beim Einschlafen. Ein Zusammenhang zwischen ihren Einschlafproblemen und unterschwelligen, prüfungsbedingten Ängsten war naheliegend. Durch gründliches Hinterfragen ihrer täglichen Gewohnheiten kristallisierte sich jedoch heraus, dass es an etwas anderem lag. Sie trank bis in den Nachmittag hinein grünen Tee für mehr geistige Fitness. Außerdem ging sie, um ausreichend Schlaf zu bekommen, früh zu Bett, obwohl sie nicht müde war. Ihr war dies alles nicht bewusst, da sich ihr Fokus auf das Lernen und die bevorstehende Prüfung richtete. Sobald sie ihre Angewohnheiten änderte, verbesserte sich die Schlafqualität.

Informationsmaterial zu vielen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.

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