Eins ist klar: „Den demografischen Wandel können wir nicht aufhalten, einfach per Knopfdruck abstellen“, sagt der Chef der hessischen Staatskanzler Axel Wintermeyer. Doch Politik kann etwas unternehmen, um gegenzusteuern, „aber das können wir nicht machen ohne die Menschen“, sagt der Staatsminister, und so nimmt er sich bei seinem Besuch im Alsfelder Freiwilligenzentrum mehr als eine Stunde Zeit, um gemeinsam mit Erstem Kreisbeigeordnetem Dr. Jens Mischak mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Dabei geht es um die zentrale Frage: Was veranlasst junge Erwachsene, den ländlichen Raum zu verlassen und welche Gründe sprechen dafür, im Vogelsberg zu bleiben?

Bessere Bus- und Bahnverbindungen, ein schnelles Internet und mehr Jugendräume – diese Punkte stehen ganz oben auf der Wunschliste der Jugendlichen. Den ÖPNV bezeichnet eine junge Frau als „Ding der Unmöglichkeit“. Hat sie sieben Stunden Schule, fährt nachmittags kein Bus mehr in ihr Dorf, dann muss sie die letzten Kilometer laufen. 

Individualverkehr wird immer nötig sein, um von A nach B zu kommen – gerade auf dem Land, sagt der Staatsminister, in einem Flächenkreis könne der ÖPNV immer nur ein komprimiertes Angebot bieten. Wobei: Dieses Angebot hat sich laut Dr. Mischak in den vergangenen Jahren bereits verbessert.  „Oft ist gar nicht bekannt, was es alles gibt“, so der Erste Kreisbeigeordnete, der in diesem Zusammenhang auf Zusatzangebote wie Anruf-Sammel-Taxi verweist. Schon jetzt gibt der Vogelsbergkreis rund 7 Millionen Euro im Jahr für den ÖPNV aus und arbeitet ständig  an Verbesserungen. So kündigt Dr. Mischak an, dass über eine Regionalbuslinie von Alsfeld nach Marburg nachgedacht wird. „Wir sind dran, wir müssen es aber so machen, dass wir das am Ende auch finanziell hinbekommen.“ Alsfelds Stadtrat Henner Muhl regt in diesem Zusammenhang die Anbindung des Vogelsbergkreises ans Rhein-Main-Gebiet an.

Zweite große Forderung der Jugendlichen: der Ausbau des schnellen Internets. „Der ländliche Raum hat für die Landesregierung eine besondere Stellung, was den Ausbau des schnellen Internets angeht“, bekräftigt der Staatsminister. „Nur damit ist Zukunft möglich.“  Bei der Digitalisierung ist der Vogelsbergkreis „nicht so schlecht wie immer geredet wird“: 28.000 von 45.000 Haushalten sind bereits mit schnellem Internet versorgt. „Hier geht es nur mit staatlichen Förderung“, allein 22 Millionen werden jetzt in den geförderten  Ausbau investiert, 4,25 Millionen davon kommen vom Land Hessen.

Wintermeyer macht deutlich: „Wir als Staat sind nicht für Mobilfunk und Internet zuständig“, trotzdem engagiert sich das Land, um die grauen und weißen Flecken zu beseitigen. „Aber das können wir alles nicht von heute auf morgen machen, das ist ein Prozess.“

Schließlich wird der Wunsch nach mehr Jugendräumen aus dem Plenum formuliert. Dem hält Silvia Lucas, die die Runde moderiert, entgegen, dass es über 80 selbstverwaltete  Jugendräume im Kreis gibt.

Dann drückt der nächste Termin, der Staatsminister muss los. Doch die Gesprächsrunde mit den engagierten Jugendlichen muss ihn beeindruckt haben: „Ich biete an, diesen Dialog fortzusetzen“, sagt Wintermeyer. Es interessiert ihn, wie man junge Menschen dazu bringen kann, „sich immer wieder für den ländlichen Raum zu begeistern“. Schließlich fühlt sich ein Großteil mit dem Raum verbunden, verlässt die Dörfer und Städte aber wegen Ausbildung und Studium. „Wie holen wir sie wieder in die Region?“, formuliert Wintermeyer eine Frage, die gleichzeitig Arbeitstitel des nächsten Dialogs sein könnte. Mit im Boot ist da natürlich auch der Vogelsbergkreis, dem jedenfalls bescheinigt der Gast aus Wiesbaden: „Der Vogelsbergkreis macht eine sehr aktive Demografie-Politik!“

Hintergrund:

Der Vogelsbergkreis war 2010 erster Preisträger des damals neu ausgelobten hessischen Demografiepreises. Staatsminister Axel Wintermeyer und weitere Mitglieder des Kabinetts besuchen in den nächsten Wochen alle Preisträger und möchten sich informieren, was aus den Gewinnerprojekten geworden ist. In diesem Jahr  haben sich 86 Projekte um den Demografiepreis beworben, erklärt der Chef der Staatskanzlei  beim Auftaktbesuch im Alsfelder Freiwilligenzentrum, wo er eine gute Stunde lang mit Jugendlichen diskutiert.

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