Der Bundestag hat erweiterte Ausnahmeregelungen zum Abschuss von Wölfen beschlossen. Unter anderem wurde ein neuer Paragraf in das Bundesnaturschutzgesetz eingeführt (§ 45 a BNatSchG), wonach eine Tötung auch dann möglich sei, wenn unklar ist, welcher Wolf genau beispielsweise eine Schafherde angegriffen hat.

Diese Regelung ist aus Sicht des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI) mit dem europäischen Naturschutzrecht nicht vereinbar. Nach Artikel 16 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union darf es keine anderen als dort genannten Lösungen geben. Die Tötung eines Individuums einer streng geschützten Art muss daher stets gut begründet das letzte Mittel darstellen. Demgegenüber legt der neue § 45 a BNatSchG den Länderbehörden den Abschuss von Wölfen bei Nutztierrissen nahe, unabhängig davon, ob sich zukünftige Risse durch verstärkte Herdenschutzmaßnahmen abwenden lassen. Als besonders problematisch erweist sich, dass § 45 a BNatSchG den Abschuss beliebiger Wölfe eines Rudels bis zum Ausbleiben von Attacken selbst dann gestattet, wenn dies zur Tötung eines ganzen Rudels führt.

Harry Neumann, Vorsitzender der Naturschutzinitiative, sieht hierin ein fatales Signal für die Behördenpraxis: „Damit wird suggeriert, dass die Tötung lokaler Bestände des Wolfes artenschutzrechtlich unbedenklich sei. Das ist jedoch falsch. Der Wolf befindet sich nach wie vor in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Nach Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie darf die Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes nicht behindert werden.“

„Außerdem sind die nationalen Behörden verpflichtet, in jedem Einzelfall auf der Grundlage der „besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten“ nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für einen Abschuss vorliegen und dass die Ausnahme überhaupt geeignet ist, das vorgegebene Ziel nach Artikel 16 Abs. 1 lt. a-e der FFH-Richtlinie zu erreichen“, betonte Gabriele Neumann, Projektleiterin Großkarnivoren der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Erst im Oktober dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof den starken Schutzstatus des Wolfes nochmals bekräftigt und pauschalen Abschussgenehmigungen einen Riegel vorgeschoben. Die Gewährung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme vom Tötungsverbot der streng geschützten FFH-Art setzt nämlich voraus, dass alle zumutbaren Alternativen ausgeschöpft sein müssen und sich der Erhaltungszustand der lokalen und nationalen Population nicht verschlechtern darf, so die NI.

Der vom Bundesrat vorgeschlagene, von der Bundesregierung aber abgelehnte jährliche Bericht über den Erhaltungszustand des Wolfes hätte als Grundlage für den Nachweis dienen können, ob sich die Abschüsse neutral oder negativ auf den Erhaltungszustand des Wolfes auswirken. Ohne diese populationsbiologische Erkenntnis dürften die Naturschutzbehörden nicht im Stande sein, den Neutralitätsnachweis zu führen.

„Wenn nationale Regelungen die Naturschutzrichtlinien nicht richtig umsetzen, gilt ein Anwendungsvorrang des Europarechts. Die Naturschutzinitiative (NI) wird darauf achten, dass bei Abschussgenehmigungen auch die Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL beachtet werden“, betonte NI Landesvorsitzender Harry Neumann.

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