Der Obermeister der Dachdecker-Innung Stuttgart, Andreas Ambrus, lässt keine Zweifel daran, dass es richtig ist, mit einem Segelboot den Atlantik zu überqueren, um Zeichen zu setzen. Klimaschutz ist für ihn ein wichtiges Anliegen.

„Doch der Dachdecker kann nicht mit dem Segelboot zur Baustelle kommen“, mahnt Ambrus. „Und selbst wenn er es könnte, fehlt ihm möglicherweise ein Teil der Crew – und dann hat er noch Anlegeverbot“.

Dieser Vergleich beschreibt drei Hauptprobleme des Dachdeckerhandwerks, den für sie gar nicht so neuen Klimaschutz-Pakets umzusetzen.

Das „Segelboot“ des Dachdeckers sind seine Betriebsfahrzeuge. Und denen droht immer häufiger ein Fahrverbot für ganze Zonen oder bestimmte Strecken – so wie z. B. in Stuttgart. Letzteres betrifft seit 1. Januar 2020 auch Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5. Und schon droht die bereits im Entwurf vorliegende 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, der ein optionales Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb der Euronorm 6/VI ab 1. Juli 2020 in einer verkleinerten Umweltzone vorsieht.

Zwar könnten Ausnahmegenehmigungen für Handwerker beantragt werden, betont der Obermeister. Die jedoch müssen für jeden Einzelfall u. a. mit Fotos des für die Ausführung der Handwerkerleistung geplanten Fahrzeugs, seines Innenraums und der Auftragsbestätigung an den Kunden belegt werden.

„Handwerker-Transporter und Lkw sind keine Kilometer-Könige – da können auch Fahrzeuge, die noch mit Euro 4 zugelassen wurden, unterwegs sein“, weiß Ambrus.

Nachrüst-Möglichkeiten gibt es noch nicht für alle Fahrzeuge. Und auf E-Transporter umzusteigen, ist bei den im Schnitt doppelt so hohen Anschaffungskosten wie für konventionelle Fahrzeige der beliebten 3,5-Tonnen-Klasse nicht jedem Dachdecker ohne Weiteres möglich. „Zudem schrumpfen die Hersteller-Angaben zu den durchschnittlichen Reichweiten von ca. 130 km z. B. im Winter auf fast die Hälfte zusammen. „Und dann wird es eng für einen Betrieb am Rande der Stadt für die Hin- und Rückfahrt“.

Das nächste Problem bei einer durch den Dachdecker durchzuführenden energetischen Gebäudeoptimierung ist nach Ambrus‘ anfangs genannten Vergleichs die Crew: „Trotz jahrelanger Bemühungen leidet auch das Dachdeckerhandwerk unter akutem Fachkräftemangel“. Daran ist weniger ein demografischer Wandel, wie von vielen vermutet Schuld, sondern das noch immer falsche Bild vom Handwerk in der Öffentlichkeit. Anstatt in eine sichere berufliche Zukunft mit einer Ausbildung zu starten, verstärkt sich der Andrang an die Gymnasien. „Ein Abitur, das nur mit jahrelanger Nachhilfe absolviert werden kann, ist ein schlechterer Start in den Beruf als eine solide Ausbildung“, so Andreas Ambrus.

Die stetige Anhebung des Renteneintrittsalters hilft dem Dachdeckerhandwerk wenig. „Mit 67 Jahren stehen nur noch wenige Dachdecker auf dem Dach“, weiß Ambrus. „Es scheiden mehr unserer hervorragenden und erfahrenen Fachkräfte aus als an Nachwuchs nachkommt“.

Das von Obermeister Ambrus genannte „Anlegeverbot“ bezeichnet die wenig praxisgerechten Vorschriften zur Sondernutzung von öffentlichen Verkehrsflächen. Soll – auch nur für eine dringende Notreparatur nach einem Unwetter – eine Parkbucht für den Kran des Dachdeckers benötigt werden, muss zuerst eine Sondernutzung beantragt werden. Bearbeitung und Genehmigung können sich über Tage, schlimmstenfalls sogar über Wochen, hinziehen.

Der Wunsch von Bauherren, etwas für den Klimaschutz zu tun, kann aber auch daran scheitern, dass alte Bau- und Dämmstoffe vermehrt schwierig und teuer zu entsorgen sind. Andreas Ambrus dazu: „Die beim Rückbau und der Sanierung anfallenden Altbaustoffe werden mit dem Übergang zum Dachdeckerbetrieb zum Gewerbemüll – und dessen Entsorgung ist immer schwerer zu kalkulieren“. Denn Kommunen sind nur zur Entsorgung von Hausmüll, nicht aber zur Entsorgung von Gewerbemüll verpflichtet. Ein zusätzliches Problem ist die sogenannte Autarkieverordnung, mit der Baden-Württemberg die Abfallrahmenrichtlinie der EU umsetzt. Die besagt, dass der Müll dort entsorgt werden muss, wo er entsteht. Eine in benachbarten Bundesländern kostengünstigere Entsorgung ist daher nicht möglich, selbst wenn hier oft nach „Brennstoffen“ für nicht ausgelastete Müllverbrennungsanlagen gesucht würde. Verschärft wird die Entsorgungsproblematik auch dadurch, dass viele der ausgebauten Baustoffe wie z. B. Bitumenbahnen für die Dachabdichtung auf kleinste Schadstoffreste von dafür zugelassenen Labors beprobt werden müssen.

Richtig teuer kann es werden, wenn die ausgebauten Dämmstoffe das Flammschutz-Hemmmittel HBCD (Hexabromcyclododecan) enthalten. Denn genau dieser Flammschutz kann Müllverbrennungsanlagen vor Probleme bei der Dosierung der thermisch zu entsorgenden Abfälle stellen.

Für den Dachdeckerbetrieb sind Schwankungen der Entsorgungskosten fast schon ein Teil des Alltagsgeschäfts. „Welchen seriösen Preis sollen wir unseren Kunden nennen bei Preispannen der Entsorger zwischen 200 Euro und über 1.000 Euro pro Tonne?“, fragt Ambrus.

Dennoch hofft auch der Obermeister der Innung Stuttgart auf praxisgerechte Lösungen zum Nutzen des Klimaschutzes: „Wir Dachdecker gehörten nach der ersten sogenannten Ölkrise in der 1970er Jahren zu den Pionieren der Solartechnik, wir haben die Gebäudehülle gedämmt, als der Rohölpreis noch bei 7 $ lag, wir haben Gründächer vorbereitet, als es noch lange nicht das Schlagwort vom UrbanFarming gab“.

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Der Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks Baden-Württemberg vertritt als berufsständische Organisation die Dachdecker-Innungsbetriebe in den zehn angeschlossenen Dachdecker-Innungen in Baden-Württemberg. Sitz des Verbandes ist in Karlsruhe.

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