Viele der befragten Kinder haben Monate und Jahre unter schlechtesten Bedingungen gelebt, Gewalt und den Tod von Verwandten und Freunden erlebt. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass viele dieser Kinder über ihr freies Gespräch mit Gott ihre negativen Erfahrungen verarbeiten und der Glaube ihnen hilft, positive Sozialbeziehungen zu Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Herkunft aufzubauen. So bittet der 12jährige ezidische Junge Hoger: „Bitte, lieber Gott, rette uns und [sorge dafür] dass wir in einem sicheren Ort ankommen in Deutschland. Weil dort herrschen Menschenrechte.“ Unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrem Alter gehen die befragten Kinder davon aus, dass Gott für ihre Sorgen, Ängste und Hoffnungen ansprechbar ist, es gut mit ihnen meint und ihnen beisteht. Die 13jährige Christin Pegah, die aus dem Iran stammt, sagt: „Gott macht mich mutig. Wenn ich Angst habe, dann gibt er mir Mut. […] Dann hilft er mir und zeigt mir den Weg.“ Manche Kinder deuten Leid auch als Prüfung. Niemand kommt ihrer Ansicht nach ohne negative Erlebnisse durchs Leben. Die meisten Kinder schreiben die Verantwortung für das Böse nicht Gott zu, sondern legen es in die Verantwortung der Menschen. Kinder unterschiedlicher Religionszugehörigkeit formulieren sehr ähnliche Werte, die in ihrer Religion für den Umgang mit Mitmenschen maßgeblich sind. Hilfe für Menschen in einer Notlage und das Tabu, anderen seelischen oder körperlichen Schaden zuzufügen, benennen die meisten als wichtigste Verhaltensweise. So sagt die 14jährige Muslima Dalia: „Wenn jemand Hilfe braucht, dann muss man helfen, wenn man kann“.
In der Studie wurde auch festgestellt, dass es für Kinder nicht von großer Bedeutung ist, welcher Ethnie und welchem Glauben ihre Freunde und Freundinnen angehören. Für die in der Studie interviewten Kinder stellt Religion keine Kategorie dar, entlang derer sie ihre Lebenswelt in unterschiedliche Gruppen einteilen. Auch wollen sie selbst und unabhängig von ihren Eltern entscheiden, welche Riten sie aus ihrer Religion übernehmen. Gerade weil viele geflüchtete Familien religiöse Verfolgung und Terror in ihrem Herkunftsland erlebt haben, verstehen sie Religionsfreiheit in Deutschland als wertvolles Gut einer Demokratie.
Viele der Kinder haben schon Erfahrungen mit religiöser oder ethnischer Diskriminierung gemacht. Überwiegend geht diese jedoch von Erwachsenen aus. Insbesondere fremdenfeindliche und islamophobe Übergriffe verunsichern geflüchtete Familien und führen zu Ängsten bei Kindern.
Politische Forderungen:
- Die medizinische und psychologische Versorgung von geflüchteten Kindern muss sichergestellt werden.
- Lehr- und Betreuungskräfte müssen geschult werden, damit sie posttraumatische Belastungsstörungen und Traumata erkennen und behandeln können.
- Kinder genießen nach Artikel 4 GG in Deutschland Religionsfreiheit und dürfen nach Artikel 3 GG aufgrund ihrer Religion nicht diskriminiert werden. Insbesondere im schulischen Kontext, der durch das Bildungsziel der Toleranz gerahmt ist, sollte Pluralität ermöglicht werden.
- In Schulen und außerhalb von Schulen sollte Religionsunterricht angeboten werden, der auf demokratischen Grundsätzen basiert.
- Rassismus muss in Deutschland konsequent bekämpft werden.
- Alle Menschen in Deutschland sollten lernen, mit gesellschaftlicher Diversität umzugehen. Religionszugehörigkeit darf nicht zu Ausgrenzungsprozessen führen oder als Begründung für Gewalt und Konflikte angeführt werden.
Die Studie basiert auf einem qualitativen Forschungsdesign, bei dem insgesamt 29 muslimische, christliche und ezidische Kinder zwischen 5 und 16 Jahren aus Iran, Irak, Afghanistan und Syrien interviewt wurden. Zusätzlich wurden Interviews mit ihren Eltern geführt.
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Britta Konz, Universitätsprofessorin für Religionspädagogik an der TU Dortmund durchgeführt. Für die Erhebung der Interviews kooperierte World Vision mit der „Flüchtlingsambulanz“ im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf unter der ärztlichen Leitung von Dr. Areej Zindler.
WEITERE INFORMATIONEN:
Die Studie wird am Donnerstag, 13. Februar, in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin vorgestellt und mit Gästen aus der Politik diskutiert. Beginn: 17:30 Uhr. Das Programm erhalten Sie gerne bei der Pressestelle.
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