Der Bundesgerichtshof hat heute in letzter Instanz klargestellt, dass Anbieter von Gesundheitsprodukten nicht wegen Kunderezensionen abgemahnt werden können, auch wenn sie irreführende Äußerungen enthalten. Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Tim Müller kennt den engen Spielraum für Werbung, den Händler oder Leistungsanbieter im Gesundheitswesen haben.

Der Beklagte verkauft Kinesiologie-Tapes über die Händlerplattform von Amazon. Ursprünglich hatte er damit geworben, dass die Tapes Schmerzen lindern können. Da sich das jedoch medizinisch nicht nachweisen lässt, hatte er sich vor Jahren gegenüber einem Wettbewerbsverein dazu verpflichtet, mit dieser Behauptung nicht mehr zu werben.

Bei Amazon fanden sich aber nach wie vor zahlreiche Kundenbewertungen, die genau das bestätigten, wie zum Beispiel: „Schmerzlinderndes Tape!", „Schnell lässt der Schmerz nach" oder „Linderung der Schmerzen ist spürbar". Deshalb forderte der Wettbewerbsverein eine Vertragsstrafe aus der ursprünglichen Unterlassungserklärung. Der Beklagte bat Amazon darum, die Kundenrezensionen zu löschen. Doch Amazon lehnte die Löschung ab.

Wettbewerbsverein verliert in allen Instanzen

Der Wettbewerbsverein erhob daraufhin Klage auf Unterlassung und Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe. Er war der Meinung, dass der Anbieter sich die Kundenbewertungen „zu eigen gemacht“ habe und er deswegen für sie verantwortlich sei. Der Wettbewerbsverein ließ nicht locker, verlor aber in allen Instanzen.

Der Bundesgerichtshof hat heute klargestellt, dass ein Anbieter für Kundenbewertungen nicht verantwortlich ist (I ZR 193/18). Es sei bei Amazon klar erkennbar, dass die Bewertungen von Kunden stammen. Sie würden getrennt vom Angebot dargestellt und würden von den Nutzerinnen und Nutzern auch nicht dem Verkäufer zugerechnet. 

UWG nicht anwendbar bei Kundenbewertungen

Es besteht auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG zu verhindern. Die Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen sind gesellschaftlich erwünscht und genießen verfassungsrechtlich den Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit.

Expertenmeinung: die Herausforderungen für Gesundheitsprodukte und Heilberufler nehmen zu

„Mit seinem Urteil beseitigt der Bundesgerichtshof eine seit langem bestehende Unsicherheit für Händler auch von Gesundheits- oder Wellnessprodukten, für die ja ganz andere Werbeaussagen zulässig sind“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Tim Müller in München. „Der Gesundheitssektor steht schnell unter Generalverdacht und hat wenig Spielraum, seriös für seine Produkte zu werben“, weiß der Fachanwalt für Medizinrecht aus der Praxis. Der Händler in dem verhandelten Fall habe sich vorbildlich verhalten, „doch die Gesetze des Internets gerade mit Kundenbewertungen stellen viele Händler, aber auch Freiberufler im Gesundheitswesen vor immer neue Herausforderungen.“

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