Service ist der Kern moderner Dienstleistungen. Auch der Personalbereich und die Geschäftsleitung sollten sich von diesem Gedanken leiten lassen, denn ein Großteil der unternehmerischen Wertschöpfung entsteht durch Service! Im privaten Alltag wissen wir alle ein gutes Service-Erlebnis zu schätzen und sind bereit, dafür zu zahlen. Wie kann es gelingen, eine serviceorientierte Gemeinschaft zu werden?
GP: In vielen Unternehmen erlebe ich einen Bruch zwischen angewandten Methoden und den eingesetzten Systemen. Dabei sind die Systeme oft noch fragmentiert. Doch wenn Kompetenzen und die damit verbundenen Werte die modernen Organisationen in der Arbeitswelt 4.0 prägen, sollte das doch im Einklang stehen!
WS:Die Entwicklung zur Arbeitswelt 4.0 hat revolutionäre Konsequenzen für die Systeme der Mitarbeiterentwicklung. Je schneller sich Handlungsziele, Handlungsmethoden und das explodierende Wissen ändern, desto mehr werden Menschen gefragt sein, die in diesem Chaos der offenen Möglichkeiten neue Ideen entwickeln und über Fähigkeiten verfügen, darin selbstorganisiert und kreativ zu handeln. Diese Fähigkeiten bezeichnet man als Kompetenzen. In diesem Kontext arbeiten die Mitarbeiter immer mehr selbstorganisiert und treffen eigenverantwortlich Entscheidungen. Dabei werden sie mit einer hohen Komplexität und ständig mit neuen, unvorhersehbaren Entwicklungen konfrontiert. Dafür benötigen sie Orientierung durch Werte, die als Ordner ihres Handelns diese Selbstorganisation erst möglich machen. Deshalb kommt dem Wertemanagement in Verbindung mit einem gezielten Kompetenzmanagement eine immer größere Bedeutung zu.
GP: Auch innerhalb der Beratung erlebt man häufiger eine
Abgrenzung zwischen Kompetenzmessung und Kompetenzentwicklung. Die meiste Berater hören bei der Messung auf. Damit ist den Unternehmen aber nicht wirklich geholfen, oder?
WS: Kompetenzmessungen ohne eine daran anknüpfende, gezielte Kompetenzentwicklung ist sinnlos. Leider erleben wir in der Praxis immer wieder, dass nach der Feststellung individueller Kompetenzziele mit den Mitarbeitern tradierte Bildungsmaßnahmen, wie Seminare oder E-Learning-Kurse, vereinbart werden. Mit diesen formellen Bildungsmaßnahmen können aber keine Kompetenzen, also die Handlungsfähigkeit zur Bewältigung von unerwarteten Herausforderungen in der Praxis, aufgebaut werden. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, einem Fahrschüler nach dem Bestehen der theoretischen Fahrprüfung, also nach seiner Qualifizierung für das Autofahren, sein Fahrzeug zu überlassen. Jedem ist klar, dass man die Kompetenz zum Autofahren nur selbstorganisiert aufbauen kann, indem man sich selbst ans Steuer setzt. Mit Hilfe eines Coaches, dem Fahrlehrer, wird man dann nach und nach als Lenker eines Autos immer kompetenter. Deshalb sollten wir auch im Corporate Learning davon ausgehen, dass man Handeln nur durch Handeln lernt. Arbeiten und Lernen müssen deshalb zusammen wachsen.
GP: Am Ende geht es uns um nicht weniger als um
Unternehmenskultur! Der digitale Geist einer Organisation definiert sich letzten Endes auf einem Punkt:Das digitale Merkmal "Sharing" muss ich in der Organisationskultur verankern. Wissen gemeinsam zu entwickeln und zu teilen muss zu einer positiven Empfindung führen.
Wir konnten feststellen, dass interdisziplinäre Wissensräume die Kommunikation im Unternehmen deutlich verbessern und als Nebeneffekt das E-Mail Aufkommen signifikant abnimmt. Es entstehen sozusagen neue Nervenbahnen, die mit jeder Nutzung immer besser durchblutet werden.
WS: Das Verständnis von Kultur ist ebenso vielfältig, wie die zahlreichen Definitionen der Kultur selbst. Wir verstehen darunter ein System von gemeinsam Werten und Denkhaltungen, die die Entscheidungen und das Handeln der Mitarbeiter auf allen Ebenen prägen – ein gemeinsames mentales Modell. "Sharing" ist die Grundvoraussetzung zur Funktionsfähigkeit eines Unternehmens-Netzwerks. Die Möglichkeit der aufgabenbezogenen Zusammenarbeit aller Ebenen und Bereiche verändert den Rahmen, die Struktur und damit die Fähigkeiten und das konkrete Tun. Es entwickelt sich das "Ganze" – und das ist bekanntlich nicht die Summe seiner Teile, sondern etwas anderes.
GP: Bis wir dahinter kamen, dass Learning Management nur ein Teil von kollaborativem Wissensmanagement ist und auch, dass Talentmanagement ein Teil davon sein muss! Wir beide haben ja schon einige Jahre Entwicklungszeit gebraucht, um unsere Methoden und Systeme zu einer 360 Grad Lösungen zu verzahnen. Heute ergänzen sich unsere Beratungsmodelle harmonisch mit den Systemen im Alltag. Welchen Tipp hast Du zu dieser Transformation für Unternehmen, um ihnen die Transformation von Einzellösungen zu einem "Kompetenz-Workflow" so geschmeidig wie möglich zu gestalten?
WS: Unsere Mitarbeiter kommen aus einer Welt der fremdorganisierten Lehre. Deshalb benötigen wir Arrangements für die Werte- und Kompetenzentwicklung, die auf einer 360 Grad Messung basieren und die Mitarbeiter bei ihrer aktuellen Lernkultur abholen. Dafür hat sich das Social Blended Learning bewährt. Das ist eine situationsbezogene, selbstgesteuerte Komposition aus digital gestützten Selbstlernphasen, Workshops und Praxisaustausch in Wissensräumen. Kollegen, Trainer und Führungskräfte werden zu Lernpartnern. Die Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter den Ermöglichungsrahmen nach und nach im Alltag nutzen, um Projekte am Arbeitsplatz zu bewältigen. Es entwickelt sich das sogenannte Social Workplace Learning, Arbeiten und Lernen wachsen zusammen.
Konkret bedeutet dies, dass wir zunächst einen Werte- und Kompetenzrahmen zur Anwendung bringen, die Mitarbeitergespräche daran ausrichten und von Anfang an die systemische Unterstützung aller Beteiligten nutzen. Wir verwenden unser eigene 360 Grad Logik zur Umsetzung der Projekte.
GP: Genau, es ist wichtig, bereits am Anfang der Strategie systemisch zu unterstützen und dann bis in den Unternehmensalltag zu führen, der sogenannte "rekursive Ansatz". Erfahrungsgemäß spielt die interne Kommunikation ein wichtige Rolle, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Sehr gut bewährt hat sich dafür unsere Vivid Pulse Moderation. Natürlich gibt es immer auch "Sharingmuffel", die mit aller Kraft an Bewährtem festhalten wollen, aber auch dafür haben wir Lösungen! Es ist wichtig, die Kooperationskultur zu verändern, um in der Service Excellence in Führung gehen zu können.
Der Einsatz lohnt sich, denn das digital gestützte Kompetenzmodell kann in allen Bereichen eingesetzt werden!
WS: Diese Veränderungen zeigen sich in der Tat sehr prägnant. Dies wird vor allem im Bereich der betrieblichen Bildung deutlich. Wenn sich die Unternehmenskultur, aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, z.B. in Richtung Sozialer Netzwerke, wandeln, wird sich deren Teilmenge, die Lernkultur, ebenfalls entsprechend weiter entwickeln. Wandelt sich die Rolle der Mitarbeiter immer mehr vom fremdgesteuerten "Befehlsempfänger" zum selbstorganisiert handelnden Mitarbeiter, dann werden sich die Lerner auch entsprechend verändern. Nunmehr bestimmen individuelle Werte- und Kompetenzziele die Lernprozesse. "Gesichertes", meist statisches, Fachwissen wird durch dynamisches Erfahrungswissen der Lerner erweitert.
Die bisherigen Lernorte "Seminarraum" und "LMS" werden durch das Lernen am Arbeitsplatz und in Sozialen Erfahrungs-Plattformen -wie beispielsweise durch Wissensmanagement Systeme – ersetzt. Kooperatives Lernen im Rahmen von Übungen wird durch kollaboratives Lernen im Arbeitsalltag erweitert. Führungskräfte werden zum Coach und Mentor, sie begleiten die individuellen Lernprozesse. Die Mitarbeiter sind für ihre Werte- und Kompetenzentwicklung selbst verantwortlich und organisieren ihre Lernprozesse selbst. Die Führungskräfte werden zum Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter. Die Personalentwicklung wird zum methodischen und systemischen Gestalter des Ermöglichungsrahmens und zum Initiator der notwendigen Veränderungsprozesse.
GP: Weil der interne Informationsaustausch zunehmend nicht mehr per E-Mail, sondern als Kommunikation im KI-gesteuerten Wissensräumen stattfindet, (ähnlich wie in einem Forum/Chat), jedoch direkte Verbindung mit Lern- und Talentmanagement, vollzieht sich die Veränderung recht schnell. Die KI übernimmt dabei teilweise die Rolle des Facilitors.
WS: Die Systeme passen sich zunehmend den Menschen an, und nicht umgekehrt. Intelligente industrielle Assistenzsysteme mit multimodalen Benutzerschnittstellen bringen auch digitale Lerntechnologien direkt an den Arbeitsplatz und zu den Menschen.
Heute werden die Entwicklungsprozesse der Mitarbeiter durch KI-basierte Systeme begleitet, die als persönlicher Lernpartner selbstorganisiertes, personalisiertes Lernen in der Arbeitswelt 4.0 möglich machen.
Deshalb gewinnen Geschäftsmodelle des Corporate Learning mit einer Verlagerung zu Wissens- zu Kompetenzzielen auf Basis einer Ermöglichungsdidaktik, vom formellen und fremdgesteuerten Lehre zum informellen und selbstorganisierten Lernen und einer Rückbesinnung auf Lernen in realen Herausforderungen sowie das Lernen im Netz immer mehr an Bedeutung.
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