Auch 2020 verleiht der Bayerische Rundfunk gemeinsam mit dem Münchner Lustspielhaus den Bayerischen Kabarettpreis in vier Kategorien. Die Preise gehen in diesem Jahr an Maren Kroymann (Ehrenpreis), Max Uthoff (Hauptpreis), Sebastian Krämer (Musikpreis) sowie Tahnee (Senkrechtstarter-Preis). Die Preisverleihung findet am Montag, den 26. Oktober 2020, im Münchner Lustspielhaus statt und wird am Donnerstag, den 29. Oktober im BR Fernsehen ausgestrahlt. Django Asül führt als Gastgeber durch den Abend.

BR-Fernsehdirektor Dr. Reinhard Scolik:

"Die Kabarettistinnen und Kabarettisten, die auf den Bühnen der Republik zu Hause sind, garantieren ein hohes Niveau, nicht nur an Unterhaltung, sondern auch an Intelligenz, Präzision, Timing und Sprachgefühl. Dies alles beweisen auch die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger des Bayerischen Kabarettpreises. Wir freuen uns, solch großartige Künstlerinnen und Künstler wie Maren Kroymann, Max Uthoff, Sebastian Krämer und Tahnee auszeichnen zu dürfen."

Annette Siebenbürger, Leitung Programmbereich Unterhaltung und Heimat:

"Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts gilt das Kabarett als zehnte Muse. Und bis heute ist diese unverzichtbar für die Gesellschaft. Denn Kabarett unterhält nicht nur, Kabarett regt auf hintersinnige Art zum Nachdenken an – über die Welt und die Menschen, die in ihr leben. Der BR verleiht in diesem Jahr zum 22. Mal den Bayerischen Kabarettpreis an Künstlerinnen und Künstler, für die die zehnte Muse Lebensinhalt ist und die mit großer Leidenschaft und Professionalität ihren Teil dazu beitragen, dass die Grundwerte einer offenen und demokratischen Gesellschaft immer wieder auf Neue justiert und gestärkt werden. Mit großer Freude und Hochachtung für ihr außerordentliches Können gratuliere ich Maren Kroymann, Max Uthoff, Sebastian Krämer und Tahnee!"

Die Preisträgerinnen und Preisträger 2020

Senkrechtstarter-Preis: Tahnee

Intelligent, wandlungsfähig, selbstbewusst, präsent, authentisch: Tahnee ist all dies und noch so viel mehr. Ihre Comedy-Nummern sind immer auch politisch, ihre Kabarett-Darbietungen umwerfend komisch. In welch kurzer Zeit sie dieses Level an Beherrschung der kabarettistischen und humoristischen Fähigkeiten erreicht hat, ist atemberaubend. Wozu manche Jahrzehnte brauchen, das hat sie in wenigen Jahren geschafft. Die kaum 28-jährige gebürtige Heinsbergerin liebt die Kontraste – fast immer ist sie schwarz gekleidet, umso mehr leuchten ihre feuerroten Locken dazu. Sie ist so schön wie ein Model, hat aber keine Angst vor Hässlichkeit: In ihren Nummern grimassiert sie hemmungslos und zieht verstörende Duckfaces. Ihrer klaren Stimme entlockt sie unfassbar schiefe und schräge Töne. Dazu beherrscht sie in rasendem Wechsel die kuriosesten Dialekte und Akzente und lässt in Sekunden plastische Figuren auf der Bühne entstehen, deren Lebensgeschichte man nach drei, vier Sätzen in Gänze zu erfassen meint. Auch ihre Parodien zünden immer sofort. Tahnee ist eine Rampensau, im besten Sinne des Wortes. Wie selbstverständlich Tahnee mit dem Publikum interagiert, es spontan einbindet, sich mit ihm verbündet oder es auch mal verspottet, ist große Kunst. Denn dann wirken ihre Energie und ihr Humor wie ein Katalysator und jeder im Raum muss sich am Ende des Abends einfach großartig fühlen.

Musikpreis: Sebastian Krämer

Der große Schlaks mit den wasserblauen Augen, die immer ein wenig müde dreinblicken, wirkt beinahe jungenhaft. Seine breiten Krawatten mit dem exaltierten Van-Wijk-Knoten zum Anzug haben etwas Anachronistisches. Doch man täusche sich nicht: Während Sebastian Krämer so harmlos, ein wenig wie aus der Zeit gefallen daherkommt, sind seine Inhalte höchstaktuell.

Seine Texte laden nicht zum Mitdenken ein, sie fordern dazu heraus. Stets muss man als Zuschauer präsent sein, ahnt man am Anfang doch selten, worauf die Liedtexte des gebürtigen Ostwestfalen und Wahlberliners am Ende hinauslaufen. Wenn er von einem Hotelgast singt, könnte es um Einsamkeit gehen in Zeiten der Globalisierung, um Wirtschaftlichkeit in allen Lebenslagen – aber nein, es geht um das TV-Standby-Lämpchen im Hotelzimmer, das einem den Schlaf raubt. Fallhöhe in alle Richtungen, das ist Sebastian Krämers Markenzeichen. Bei ihm wird Kleines groß und Großes klein. Der 44-Jährige zeigt seinem Publikum: Ich verstehe die Welt genauso wenig wie ihr, ich bin von alldem dort draußen genauso überfordert – aber immerhin kann ich meine Unwissenheit und meine Unsicherheit in eine Form bringen. Und diese Form hat es in sich: Mit einem untrüglichen Gespür für Rhythmus, musikalischer Genialität und sprachlicher Präzision wirft sich Sebastian Krämer regelrecht in seine Nummern. Dann besingt er Deutschlehrer und Busfahrer, Videotheken, Garagenbesitzer und kleine Katzen. Das Leben direkt vor unser aller Fenster. Bei ihm findet das Lachen seinen ursprünglichen Sinn: Es dient der Erleichterung darüber, dass man den Widersinn von Krämers Erzählungen nicht auflösen muss – genauso wenig wie die Zumutungen des Weltgeschehens. Kathartisch geläutert, immens unterhalten und nachhaltig getröstet geht man aus einem Abend mit Sebastian Krämer nach Hause, zurück zu den eigenen Absurditäten.

Hauptpreis: Max Uthoff

Er ist der Professor unter den Kabarettisten. Wie in einer universitären Vorlesung stellt Max Uthoff Thesen, Antithesen und Synthesen in atemberaubendem Tempo gegeneinander. Mit schnarrend-schneidender Stimme nimmt er sich das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland vor und fordert von seinen Zuhörern vor allem eins: Den eigenen Denkapparat in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Und zwar für die gesamte Dauer seines Auftritts. Denn Max Uthoff hört man nicht einfach zu – man verfolgt seine rasend schnellen Gedankengänge, Sprünge und Kapriolen atemlos mit und versucht, nachzuvollziehen, was er da in fein austarierten und wissensreichen Sätzen von sich gibt. Ob der 52-jährige gebürtige Münchner sezierend Politikerlügen entlarvt oder Wirtschaftszusammenhänge auseinanderklamüsert – immer hat man ein Aha-Erlebnis, eine Erkenntnis, zu der man vermutlich alleine nicht gefunden hätte.

Seine Interpretationen des Weltwahnsinns sind packend und mitreißend. Da braucht er nicht mal das Megafon, das er gerne in seine Auftritte einbaut.

Er selbst wirkt in seinen formellen Auftrittsanzügen zwar wie ein besonders konservativer Politiker, predigt dann aber Revolution – ein Kontrast, der zu Uthoffs starken Auftritten nicht unerheblich beiträgt. Oft legt der studierte Jurist nicht den Finger in die Wunde, sondern gleich die ganze Hand. Seine Auftritte können schmerzen, denn seine Analysen sind gnadenlos – und dienen nur einem Zweck: klar zu machen, dass alle Menschen gleich sind. Eine große Aufgabe – und großes Kabarett.

Ehrenpreis: Maren Kroymann

Sie ist der lebende Beweis, dass Frauen alles können, was sie wollen. Auch wenn sie sich selbst als "Spätzünderin" bezeichnet, ist ihre Strahlkraft enorm. Über Jahrzehnte auf Bühnen und im Fernsehen hat sie ein Maß an Durchblick und Präzision erreicht, die ihresgleichen suchen.

Schon immer sind es frauenemanzipatorische Themen, die die 70-Jährige bewegen. Aus diesem Komplex schöpft sie ihre Figuren, die sie genau beobachtet, exakt umsetzt und damit die ganze Bandbreite möglicher Frauenbiografien reflektiert.

Elegant und stilsicher parodiert sie Brigitte Macron oder Ursula von der Leyen, verhuscht und ganz in beige gibt sie schwäbische Sekretärinnen, im sexy Outfit imitiert sie Claudia Schiffer oder redet als Uschi Glas ungeniert über Facelifting. Doch genau so, wie sie das Gebaren ihrer Geschlechtsgenossinnen aufs Korn nimmt, deckt sie Diskriminierungen, strukturellen Frauenhass oder überholte Rollenbilder auf. Denn Maren Kroymann teilt nie nur in eine Richtung aus: Ob Rassismus, Machogehabe, Verschwörungstheorien, Schönheitswahn oder Selbstoptimierung – sie entlarvt gekonnt die unter der Oberfläche der Gesellschaft brütenden Verwerfungen gekonnt.

Sie selbst verleugnet nie ihr Alter, zeigt sich mutig und klar in ihren Aussagen und passt in keine Schublade. Dabei ist sie nicht böse oder gemein, sie verurteilt niemanden, sondern zeigt Zusammenhänge so auf, dass man das Nachdenken darüber gerne selbst übernimmt. Und wenn sie bekennt, dass die "nachklimakteriellen" Jahre zwischen 60 und 70 zu den besten ihres Lebens gehören, dann hofft man, dass nach diesen Höhepunkten erst die Mitte ihrer Schaffensjahre erreicht ist. Denn Maren Kroymann zeigt grandios, wie man das Leben mit Humor und Klugheit meistert, statt über dessen Zumutungen zu verzweifeln.

Der Bayerische Kabarettpreis

Der Bayerische Rundfunk fördert Kabarett und bietet mit der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises namhaften Künstlern eine Bühne und jungen Talenten ein Sprungbrett. Der Bayerische Kabarettpreis ist eine Gemeinschaftsinitiative des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Lustspielhauses. Seit 1999 wird der Preis jährlich in vier Kategorien an Künstler aus dem deutschsprachigen Raum verliehen. Er würdigt scharfsinniges Kabarett als unentbehrlichen Spiegel unserer Gesellschaft und des aktuellen Zeitgeschehens.

Weitere Informationen unter: www.br.de/kabarettpreis

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