Die Straßengüterverkehrsbranche hatte wiederholt vor Personalmangel gewarnt, weil Lkw-Fahrer in ihren Heimatländern unter Quarantäne gestellt worden sind. „Wenn es so ernst ist, hätten wir mehr Anfragen bei unseren Mitgliedsunternehmen erwartet, um beispielsweise die Langstrecke und grenzüberschreitende Transporte zu verlagern“, sagte Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen (NEE). Dr. Martin Henke, Geschäftsführer Güterverkehr des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ergänzte: „Wettbewerbsbahnen wie auch die DB haben die Kapazitäten, wir können mehr leisten und wir wollen mehr leisten.“ Am Mittwochnachmittag hatte eine Telefonkonferenz von Vertretern der Bundesregierung und der Transportwirtschaft stattgefunden.
Mit einer Verlagerung auf die Schiene könnten die Verlader auch das Problem der Lkw-Staus an den Grenzen umgehen, betont Henke. „Einer der großen Vorteile des Schienengüterverkehrs ist, dass wenige Menschen große Mengen bewegen“, erläuterte er. „Damit fallen auch die Grenzkontrollen deutlich schlanker aus als im Straßengüterverkehr.“ Bisher führen die internationalen Züge weitgehend reibungslos. Kerkeling ergänzt: „Die Regierungen haben gut erkannt, dass der Schienengüterverkehr kein Virenüberträger, sondern europaweit wichtig für Versorgung von Menschen und Industrie ist.“
Bei den Güterbahnen selbst gibt es nach Erkenntnissen beider Verbände bisher kaum krankheitsbedingte Personalausfälle über das jahreszeitlich übliche Maß hinaus. „Hier zahlt sich aus, dass sich alle Güterbahnen schon zu Beginn der Corona-Krise auf gemeinsame Maßnahmen verständigt haben, um die Ansteckungsgefahr zu verringern“, betonten Kerkeling und Henke unisono. „Zum Beispiel steigt beim Personalwechsel anders als bisher zunächst der abzulösende Lokführer aus dem Führerstand aus, bevor die Ablösung in das Fahrzeug einsteigt. Damit wird eine Begegnung auf engstem Raum vermieden“, erläuterte Henke.
Kerkeling appellierte an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten, Grenzkontrollen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schienenverkehrs zu minimieren. Nachteilig wirke sich zum Beispiel aus, dass mit einigen Nachbarländern (zum Beispiel Polen, Tschechien) der Schienenpersonenverkehr komplett eingestellt ist. Dadurch müssten die Zugpersonale auf die Straße ausweichen, um zu den grenznahen Einsatzbahnhöfen im Nachbarland zu gelangen. Dort blieben sie aber im Stau stecken. „Es wäre zu wünschen, dass weitere kleinere Straßengrenzübergänge für diese Berufspendler geöffnet werden“, schlug Kerkeling vor.
Beide Verbände appellierten an die DB Netz AG, trotz der Corona-Krise die kontinuierliche Besetzung aller systemrelevanten Stellwerke sicherzustellen. Am Dienstagabend hatte der bundeseigene Infrastrukturbetreiber wegen eines Infektionsverdachts in einem Stellwerk die Strecke Oberhausen-Recklinghausen-Hamm bis Mittwochabend 22 Uhr komplett gesperrt; auch am heutigen Donnerstag ist sie nur stark eingeschränkt nutzbar. „Damit fällt eine Hauptmagistrale des Güterverkehrs im Ruhrgebiet aus“, erläuterte Henke. „Wenn der Schienengüterverkehr seine Aufgaben bei der Versorgung der Menschen und der Wirtschaft möglichst reibungslos erfüllen soll, müssen alle Vorkehrungen getroffen werden, um das Ansteckungsrisiko für unersetzliches Betriebspersonal zu reduzieren. Dass dabei auch persönliche Härten für die Mitarbeiter auftreten können, ist schmerzlich, aber unvermeidbar.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist der Branchenverband des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs. Seine über 600 Mitgliedsunternehmen befördern täglich mehr als 30 Millionen Menschen in Bussen und Bahnen und transportieren jährlich rund 600 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene. So sorgen der VDV und seine Mitglieder für mehr klimaschonende Mobilität von Menschen und Gütern bei weniger Verkehr!
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