„GW1166F“, so lautet der nicht sehr schmückende Name der Wölfin, die offiziell seit 3. März 2020 im Vogelsbergkreis ihr neues Revier gefunden hat. Nach vielen Sichtungen, einigen zugeordneten Rissen und wiederholten Gen-Tests ist ihr die Sesshaftigkeit nachgewiesen. GW1166F hat sich ihren Platz gesucht und gefunden: in der Nähe von Ulrichstein sowie irgendwo zwischen Naturschutz, Landwirtschaft, Wohnraum und Kulturlandschaft. Mit GW1166F halten auch die Diskussionen Einzug, denn wenn in besiedelten und bewirtschafteten Regionen ein Wolf auftaucht, bleibt der Meinungsaustausch darüber, wie ein Zusammenleben aussehen kann, nicht aus.

Als Reaktion und zum Schutz der Weidetierhalter hat die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz die Herdenschutzprämie auf den Weg gebracht. Diese soll seit 2018 den Mehraufwand für den Herdenschutz bei Schaf- und Ziegenhaltern über das Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM) fördern.  Allerdings greifen diese Maßnahmen nach Ansicht vieler Landwirte, Schaf-, Ziegen-, und Weidetierhalter zu kurz. „Wir nehmen die Sorgen, Fragen und das Bedürfnis nach Schutz und Aufklärung ernst“, sagt Landrat Manfred Görig (SPD). „Deswegen setzen wir uns auf Landesebene dafür ein, alle Weidetierhalter im Vogelsbergkreis besser zu unterstützen und ihre Arbeit zu honorieren.“ Weidetierhalter prägen, pflegen und erhalten seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft der Region – die Zukunft ihrer Arbeit sehen viele durch die Anwesenheit der Wölfin bedroht. „Wir müssen deshalb funktionierende Ausgleichsmechanismen erarbeiten und die regionalen Erzeuger bei ihrer Arbeit unterstützen – 40 Euro Herdenschutzprämie pro Hektar reichen auf den vielen rauen Vogelsberger Weiden oft nicht aus“, stellt Landrat Görig klar. Der abwechslungsreiche Mittelgebirgs-Kulturraum mit kleinen Grünflächen und vielen Hecken fordert in vielen Fällen eine extensive Weidehaltung, um diesen zu erhalten. Dazu trägt in der Grünlandregion Vogelsbergkreis auch die Mutterkuh- und Milchviehhaltung bei. „Gerade diese wichtige Arbeit findet aber in den Maßnahmen des Hessischen Ministeriums keine Unterstützung. Auch Kälber gehören in das Beutespektrum des Wolfs – das zeigen nicht zuletzt die beiden belegten Risse in Unter-Seibertenrod aus dem Vorjahr“, sagt der zuständige Dezernent und Erste Kreisbeigeordnete Dr. Jens Mischak. Das Zusammenleben mit dem Wolf müsse zwar akzeptiert, die Regelungen und Rahmenbedingungen aber angepasst werden. Zu diesem Zweck hat die Kreisspitze gemeinsam mit dem Amt für Wirtschaft und den ländlichen Raum sowie Vertretern aus Landwirtschaft und der Weidetierhalter einen Forderungskatalog ausgearbeitet und an die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz übergeben.

„Wir müssen versuchen, dem Zielkonflikt zwischen Landwirtschaft, Bevölkerung und Naturschutz mit pragmatischen Lösungen zu begegnen“, sind sich Landrat und Erster Kreisbeigeordneter einig, denn es sei durchaus denkbar, dass sich auch im Vogelsberg ein Wolfsrudel entwickle. Nach Ansicht der Kreisspitze können pragmatische Lösungen gelingen, wenn alle Weidetierhalter im Vogelsbergkreis die Kosten für Elektrozäune, den Mehraufwand bei der Kontrolle und Dokumentation sowie das Zubehör und die Anschaffung von Herdenschutzhunden vom Land Hessen im Rahmen eines Investitionsprogrammes ersetzt bekommen. „Diese Maßnahmen müssen gemeinsam mit den betroffenen Weidetierhaltern, dem zuständigen Ministerium und den Beratern des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen zügig umgesetzt werden“, macht Manfred Görig deutlich. Schadensbegrenzung und Konfliktbewältigung seien für die Weidetierhalter der Vogelsberger Mittelgebirgsregion wichtig. Bundesländer wie Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen hätten vor dem Hintergrund sich ausbreitender Wolfspopulationen schon viele pragmatischen Lösungen in Angriff genommen. Dort werde beispielsweise die Anschaffung von Herdenschutzhunden finanziert und in definierten Gebieten profitieren auch Rinder- oder Pferdehalter von den Unterstützungsmaßnahmen. „Gerade beginnt die Weide-Saison und damit steigt das Risiko folgenschwerer Wolfsrisse. Es darf also nicht länger gezögert werden, bis weitreichende Maßnahmen in Angriff genommen werden“, stellt Manfred Görig klar.  Nur so könne der Zielkonflikt zwischen Naturschutz, Erhalt der Kulturlandschaft und den Ängsten und Sorgen der Bürger aufgelöst werden.

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