Die nahtlose Kommunikation von Dingen ist nur ein Teil von Industrie 4.0. Erst durch die Verbindung von Dingen mit Menschen in einem System entstehen integrierte Prozesse. Ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln und pharmazeutischen Produkten hat sich zum Ziel gesetzt, seine gesamte Organisation und Steuerung bereichsübergreifend mit einem Managementsystem der IMS AG zu optimieren.

Die Basis bildet ein dynamisches QM-System, das sämtliche beteiligten Elemente digital integrieren und Vorgänge geräteunabhängig und lückenlos begleiten und dokumentieren kann. Für eine mittelständische Unternehmensgruppe mit 13 Produktionsstandorten und 3500 Mitarbeitern dennoch kein leichtes Unterfangen. In der Produktion der einzelnen Geschäftszweige sorgen mittels IoT automatisierte Maschinen bereits seit Jahren für effizientere Herstellungsprozesse.

Doch die firmenübergreifende Vernetzung von Informationen, Abläufen und Prozessen mit all den unterschiedlichen Vorgaben konnte bislang nur mit einem papierorientierten System gewährleistet werden.

Normen wie ISO 9001, ISO 22000 14001, BRC und IFS – sowie diverse Richtlinien und Produktionsstandards – sind in den einzelnen Unternehmen in Abhängigkeit des Produktespektrums etabliert und bilden eine solide Grundlage für das Managementsystem. Die Produkte der pharmazeutischen Unternehmenszweige unterliegen zudem dem Arzneimittelgesetz (AMG), respektive den Regeln der FDA (CFR 21), falls diese in die USA exportiert werden. Mit den erhöhten Anforderungen im Pharmabereich sind auch entsprechende Audits und Kontrollen gekoppelt.

Trotz der unterschiedlichen Produkte der einzelnen Geschäftszweige (Pharma-, Lebensmittel- und Kosmetikbranche) dient allen Good Manufacturing Practice (GMP) als Basis zur Gestaltung von Prozessen und Organisation. Für die Umsetzung dieser „anerkannten Regeln der guten Herstellungspraxis“ wird ein umfassendes Qualitätssicherungssystem benötigt, das den größtmöglichen Verbraucherschutz gewährleisten kann.

Aufgrund steigender Anforderungen internationaler Kunden und strengeren Normen und Gesetzen, nahm der Pflegeaufwand des gesamten Qualitätsmanagementsystems stetig zu. Eine lückenlose Dokumentation mit Nachweispflicht für Änderungen, regelmäßige Schulungsnachweise, unübersichtliche Freigabeprozesse und weitreichende Audits sind nur einige dieser ressourcenintensiven Aufgaben.

Im Rahmen des Digitalisierungs- und Industrie-4.0-Projekts entschied die Gruppenleitung, neben sämtlichen Kernprozessen auch GMP-relevante Management- und Supportprozesse in ein komplett papierloses, nahtlos vernetztes und damit durchgängig digitales System zu überführen. Durch die spezifische Nutzung der modernen IT-Infrastruktur sollen Prozesse in den Bereichen Sicherheit, Personal, Einkauf, Produktänderung und Finanzen effizient integriert und konzernweit genutzt werden können.

1. Phase: Digitale Dokumentenlenkung und Prozessdokumentation

2007 wurde die durchgehende Digitalisierung mit der automatisierten Steuerung von Dokumenten und Prozessen umgesetzt. Papierausdrucke wurden komplett aus sämtlichen Informationsflüssen entfernt. Ordnerablagen und unübersichtliche Archive wurden durch ein Online-Archiv ersetzt. Zusammen mit der auf integrierte Managementsysteme spezialisierten IMS AG und dem Einsatz der Software IMS PREMIUM wurde das Vorgehen festgelegt. Die Umsetzung erfolgte prozessweise mittels Nutzung zentral definierter Gruppenprozesse.

Ein zentrales Element ist die vollelektronische Lenkung aller Dokumenten und Prozesse durch einen 6-Augenworkflow mit mehreren Prüfern und einem Freigeber. Dieser wurde gemäß den Vorgaben von FDA CFR 21 Part 11 für bestehende und neue Arbeitsanweisungen implementiert. Sämtliche Schritte zur Erstellung, Bearbeitung und Lenkung werden aufgezeichnet und wo notwendig, mittels zusätzlicher Authentifizierung sichergestellt.

Damit Dokumente und Arbeitsanweisungen auf allen Endgeräten einfach gelesen und dargestellt werden können, wurde auf Office-Dokumente verzichtet. Die Dokumente / Arbeitsanweisungen werden direkt in einem Web-Content-Formular mittels Vorlage erstellt. Gekoppelt mit dem 6-Augenworkflow können mehrere Prüfer das jeweilige Dokument kontrollieren und bei Bedarf kommentieren. Der Freigeber kann es anschließend systemgesteuert freigeben. Das System überwacht die termingerechte Durchführung des Workflows und erinnert bei Fristübertretungen zuständige Personen automatisch an ausstehende Aufgaben. Eine stufenweise Eskalation stellt sicher, dass auch Verantwortliche rechtzeitig informiert werden.

Mit demselben 6-Augen-Lenkungsworkflow wurde anschließend auch der Schulungsnachweis digital umgesetzt. Pro Dokument können die zu schulenden Mitarbeiter über die Stelle oder festgelegt werden. Nach der Schulung erhalten Teilnehmer und Ausbilder systemgesteuert die Aufforderung, den Schulungsnachweis über den Workflow zu erbringen. Die nachvollziehbare Beweiskette ist somit mit der geschulten Information (Dokument, Prozess) abgespeichert und kann jederzeit von berechtigten Personen aus verschiedenen Perspektiven (geschulte Information, Person oder Stelle) eingesehen werden.

2. Phase: Automatisiertes CAPA-Management

Das bereits vorhandene Corrective-and-Preventive-Action (CAPA) -System zur systematischen Abarbeitung von Abweichungen wurde nun ebenfalls digitalisiert. Dabei galt es, neben den standardisierten, konzernweiten Vorgaben auch detaillierte unternehmens- und branchenspezifische Anforderungen abbilden zu können. So können länder- oder normabweichende Regelungen zugelassen werden, ohne einen Mehraufwand in der Systempflege zu verursachen oder den konzernweiten Überblick zu verlieren.

Für die Umsetzung der CAPA-Lösung wurden entsprechende Formular-Vorlagen und spezifisch konfigurierte Workflows eingesetzt. Abweichungen können nun mittels Web-Formular auf einfache Weise erfasst werden. So wenig auszufüllende Felder wie möglich lautete der Gestaltungsgrundsatz. In Abhängigkeit der erfassten Daten öffnen sich zusätzliche Eingabefelder. Der Erfasser wird von einem Wizard mittels Hilfstexten bei der Abarbeitung an- geleitet und kann per Knopfdruck E-Mails, Fotos und Dokumente hinzufügen. Aus der Abweichung resultierende Maßnahmen werden ebenfalls zentral und automatisiert im System verwaltet. Jeder Mitarbeiter sieht alle ihm zugeordneten Maßnahmen, wird zusätzlich per E-Mail über Aufgaben informiert und erhält nach Ablauf von Terminen entsprechende Erinnerungshinweise. CAPA-Verantwortliche behalten den Überblick indem sie den Status sämtlicher Fälle einsehen und Abweichungen lückenlos nachweisen können.

3. Phase: Automatisiertes Auditmanagement

Die Firmengruppe mit verschiedenen Geschäftsfeldern und Standorten ist mit einem hohen Aufwand für die Planung, Koordination und Durchführung von internen und externen Prozess- und Systemaudits konfrontiert. Jederzeit muss mit ungeplanten Behörden-Audits gerechnet werden. Mit den auf Papierunterlagen, Fragenkatalogen und Excellisten aufgebauten Auditmanagements konnte kein effizienter Ablauf mehr gewährleistet werden. Zudem konnte das Potenzial von wertvollen Erkenntnissen aus den Audits, aufgrund der an unterschiedlichen Orten gespeicherten Informationen, nicht genutzt werden.

Daher wurde das webbasierte Auditmanagement gruppenweit umgesetzt und mit dem bereits etablierten Maßnahmenmanagement gekoppelt. Das gesamte Auditmanagement – mit Jahres- und Auditplanung, Vorbereitung, Detailplanung, individuellen Fragenkatalogen, Dokumentation von Feststellungen und Ableitung von Maßnahmen – erfolgt nun komplett elektronisch. Die Abfrage und Erfassung von Informationen geschieht ortsunabhängig und kann mittels Notebook, Tablet oder Smartphone vorgenommen werden. Der finale Auditbericht wird am Schluss per Knopfdruck vom System erstellt und garantiert den lückenlosen Nachweis. Durch die Zusammenführung sämtlicher Informationen können mittels aussagekräftiger Auswertungen wertvolle Erkenntnisse gewonnen und weitere Maßnahmen zur Qualitätsförderung festgelegt werden.

Die Verwaltung von Arbeitsanweisungen war nach deren Freigabe eine besondere Herausforderung in diversen Produktionsbetrieben. Die gelenkten Dokumente mussten vor Ort an den jeweiligen Produktionslinien und Arbeitsstationen manuell ausgetauscht werden. Mit der webbasierten Oberfläche des QM-Systems können heute arbeitsplatzoptimierte Bildschirme und Geräte direkt an der Linie eingesetzt werden.

4. Phase: Digitales Change Management für Produktänderungen

Besonders im GMP-Umfeld müssen Produktänderungen wie Zusammensetzung, Verpackung und Auszeichnung aufwendig dokumentiert werden. Da bei der Beurteilung von Anpassungen und daraus resultierenden Konsequenzen zahlreiche Personen unterschiedlicher Abteilungen involviert sind, ergeben sich aufgrund der sequentiellen Abarbeitung oft lange Change Cycles. Bei einem papiergestützten System fehlt zudem die Übersicht über den Bearbeitungsstand, weil das Dokument irgendwo auf einem Schreibtisch liegt und auf die Bearbeitung wartet.

Daher wurde der Produktänderungsprozess mittels eines digitalisierten, automatischen Workflows abgelöst. Anträge für Produktänderungen werden nun in der Hälfte der Durchlaufzeit abgearbeitet. Dabei gelingt die umfangreiche Informationszusammenführung von Analysen, Beurteilungen und Entscheidungen auf effiziente und nachvollziehbare Weise. Der regelbasierte Workflow durchläuft sämtliche relevanten Abteilungen und Stellen und ermöglicht ein paralleles Arbeiten inklusive automatisierter Terminüberwachung. Bereits während der Durchführung können erste Auskünfte und Beurteilungen vorgenommen werden, wodurch komplexe Untersuchungen nicht zwingend vorgenommen werden müssen. Das Change Management bleibt aufgrund der einfach zu konfigurierenden Formulare und Workflowvorlagen flexibel und kann auf neue und spezifische Anforderungen schnell reagieren.

Mit Knowhow zu Ergebnissen

Innerhalb eines Jahres wurde in zwei Werken das gesamte Managementsystem umgestellt und eine GMP-konforme Prozess- und Dokumentenlenkung eingeführt – inklusive Validierung. Für den Aufbau der CAPA-Lösung wurden sechs Monate benötigt, das Audit-Management wurde in vier Monaten parallel umgesetzt. Bis zum Projektende in 2021 finden die letzten, werksübergreifenden Software-Rollouts statt.

Erste Rückmeldungen aus dem Praxiseinsatz zeigen, dass der Entscheid, auch sämtliche Elemente des GMP mit einzubeziehen, der richtige war. Erst dadurch konnte eine durchgehende, prozess- und systemübergreifende Digitalisierung realisiert werden, die das volle Potenzial der bereits vorgenommenen und in Zukunft geplanten Maßnahmen im Bereich von Industrie 4.0 ausschöpft.

Der komplette, in der Fachzeitschrift «QZ» publizierte Fachartikel finden Sie hier als PDF-Download. 

Über die IMS Integrierte Managementsysteme AG

IMS Integrierte Managementsysteme AG ist als zukunftsorientierte Managementsystemspezialistin auf dem nationalen und internationalen Markt etabliert. Mit über zehn Jahren Erfahrung bietet sie neben der Softwarelösung IMS PREMIUM ein umfangreiches Know-how in der Implementierung von integrierten Managementsystemen im Risiko-/Kontrollmanagement, Kennzahlenmanagement, Governance/Compliance-Themen, sowie im Prozess- und Qualitätsmanagement. Ihre Lösungen im Bereich der Digitalisierung von Prozessen erfüllen aktuellste Bedürfnisse nach mehr Automatisierung und ablauffähigen Prozessen und Formularen. Dank dem modularen Aufbau kann sich die Software verändernden Bedürfnissen anpassen und eignet sich für Unternehmen und Organisationen unabhängig von Branche, Grösse oder Anzahl Standorten.

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