Kurz vor der COVID-19-Finanzierungskonferenz, die von der Europäischen Kommission am 4. Mai ausgerichtet und von Deutschland mitveranstaltet wird, warnt die Entwicklungsorganisation ONE in ihrem neuen Kurzbericht „Impfstoff und Behandlung: Die Ausstiegsstrategie“ vor den Folgen, die eine zeitversetzte Einführung eines COVID-19-Impfstoffes in den unterschiedlichen Weltregionen hätte. Außerdem fordert ONE von der Bundesregierung, dass sie ihr Wort hält und substantielle finanzielle Mittel zusagt, damit das Finanzierungsziel von 7,5 Milliarden Euro erreicht wird.

„Leider haben Entwicklungsländer in der Regel erst sieben Jahre später Zugang zu neu entwickelten Impfstoffen und Medikamenten. Das ist an sich bereits beschämend. Es würde in der jetzigen Situation aber auch die effektive Bekämpfung der globalen Pandemie unmöglich machen. Daher muss sichergestellt werden, dass jeder Mensch auf der Welt schnellstmöglich Zugang zu einem Corona-Impfstoff bekommt – egal wo er lebt. Alles andere würde viele Menschenleben weltweit kosten. Die Bundesregierung muss sich dafür stark machen,“ so Stephan Exo-Kreischer, Deutschland-Direktor von ONE.

Als einen wichtigen Baustein für den weltweiten Zugang zu einem Impfstoff fordert ONE, dass Deutschland einem „Patentpool“ beitritt, damit der künftige Impfstoff weltweit sofort einsetzbar ist: „Die Bundeskanzlerin hat selbst gesagt, dass ein neu entwickelter Impfstoff als globales Gut betrachtet werden muss und vor allem Länder in Afrika Unterstützung benötigen. Kommenden Montag kann sie beweisen, dass sie es ernst meint: Angela Merkel sollte nicht nur ambitionierte Finanzzusagen machen, damit das Finanzierungsziel von 7,5 Milliarden Euro erreicht wird. Sie sollte auch ankündigen, dass Deutschland einem ‚Patentpool‘ beitritt und andere Staaten dazu auffordern, dies auch zu tun.“

Die EU hat die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsversammlung aufgefordert, zu einem freiwilligen „Patentpool" beizutragen. Dieses freiwillige System würde es Entwicklern und Generikaherstellern ermöglichen, große Mengen von COVID-19-Medikamenten und Impfstoffen zu einem erschwinglichen Preis herzustellen.

Die wichtigsten Ergebnisse des Kurzberichts sind:

  • Im Durchschnitt erhalten Entwicklungsländer erst sieben Jahre nach den Industrieländern Zugang zu Impfstoffen.
  • Frühe Investitionen in die Erforschung von Impfstoffen und Behandlungsmethoden und ausreichende Finanzierung sind entscheidend.
  • Der weltweite, zeitgleiche Zugang zu Impfstoffen muss gewährleistet sein. Sonst könnte das Virus selbst in Ländern, in denen es als „besiegt“ galt, wieder auftauchen.

Der Bericht unterstreicht auch, dass nicht nur gegen COVID19 vorgegangen werden muss, sondern auch gegen andere tödliche Krankheiten. Routineimpfungen dürfen nicht gestoppt werden und das Risiko der Verbreitung anderer Viren darf nicht zunehmen. ONE fordert daher, dass Organisationen wie Gavi, die Impfallianz, vollständig finanziert werden.

Weitere Informationen für Journalist*innen:

Fakten aus dem Bericht für ihre Berichterstattung:

  • Im Durchschnitt dauert es 10 Jahre, bis ein neues Medikament von der ersten Entdeckung bis zur Zulassung gelangt.
  • Etwa 100 COVID-Impfstoffkandidaten befinden sich in der Entwicklung. Von diesen sind fünf in die klinische Entwicklung übergegangen und drei befinden sich in der Erprobung am Menschen.
  • Es kostet etwa eine Milliarde US-Dollar, ein Medikament in den Vereinigten Staaten auf den Markt zu bringen. Nur jedes zehnte Medikament, das in eine klinische Studie der Phase 1 geht, wird in den USA zugelassen.
  • In der Regel dauert es sieben Jahre, bis ein Impfstoff in Entwicklungsländern zugelassen wird.
  • Beim Ebola-Ausbruch im Jahr 2018 war die Impfallianz Gavi maßgeblich an der Entwicklung und Markteinführung eines erfolgreichen Impfstoffs beteiligt.
  • Während der H1N1-Grippe-Pandemie (2009) schlossen die reichen Nationen Verträge mit Impfstofflieferanten ab, was in den armen Ländern zu schweren Engpässen führte.
  • Mithilfe von Advanced Market Commitments, konnte der Pneumokokken-Impfstoff ärmeren Ländern zu einem um 90% reduzierten Preis zur Verfügung gestellt werden.
  • Afrika importiert 94% seiner Pharmazeutika. Mehr als die Hälfte der medizinischen Versorgung Afrikas stammt aus der Europäischen Union.
  • Nigeria, Senegal und Mali wenden einen Einfuhrzoll von 6% auf medizinische Güter und 18,8% auf Schutzausrüstung an.
  • In Afrika gibt es etwa 375 Arzneimittelhersteller, hauptsächlich in Nordafrika, die fast 1,3 Milliarden Menschen versorgen. In China und Indien versorgen 5.000 bzw. 10.500 Arzneimittelherstellern eine ähnliche Zahl Menschen. Die meisten afrikanischen Länder südlich der Sahara sind bei der Lieferung von Generika auf Indien angewiesen.
Über ONE Deutschland

ONE ist eine internationale Bewegung, die sich für das Ende extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten bis 2030 einsetzt. Damit jeder Mensch ein Leben in Würde und voller Chancen führen kann. Wir sind überparteilich und machen Druck auf Regierungen, damit sie mehr tun im Kampf gegen extreme Armut und vermeidbare Krankheiten, insbesondere in Afrika. Zudem unterstützt ONE Bürger*innen dabei, von ihren Regierungen Rechenschaft einzufordern. Mehr Informationen auf www.one.org.

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