Viele Menschen glauben heute noch fest daran, dass alleine Mediziner und Medikamente in unserem Organismus einen Heilungsprozess anstoßen können. Allerdings sagte man schon in meiner Jugend: „Ein Schnupfen dauert zwei Wochen, mit Arzt vierzehn Tage.“ Es gibt sie immer noch, die Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich uns nicht so leicht erschließen, dazu gehört auch das Wissen, was gewisse „Mechanismen“ unseres Körpers anbelangt. Heute möchte ich Ihnen etwas über unser inneres Heilungspotential schreiben.

Gefühle und Einstellungen können das Leben verlängern

 Auch dies belegen ganz unterschiedliche Untersuchungen.

Patienten, die auf ihre Genesung vertrauen, bilden mehr Immunzellen. Umgekehrt führt ein Gefühl von Hilflosigkeit zu einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons ACTH und damit zu einer Abschwächung der Antikörperproduktion.

Innerhalb einer Gruppe von Testpersonen, die mit einem umfangreichen Psycho-Frageboten in Optimisten und Pessimisten unterteilt worden waren, starben im Zeitraum von 30 Jahren 19 Prozent mehr Pessimisten als Optimisten.

Eine andere Untersuchung zeigte: Wer Rückschläge im Leben nicht für schlichtes Pech ohne tiefere Bedeutung, sondern für einen typischen Schicksalsschlag mit Wiederholungstendenz hält, stirbt im Schnitt drei Jahre früher.

Fast jeder zweite Asthmatiker, der glaubte, Allergene einzuatmen, bekam Atemprobleme. Tatsächlich war die Atemluft sauber gewesen. Das zeigt deutlich: Negative Erwartungen und Vorstellungen können krank machen. Wissenschaftlicher sprechen vom „Sonceboz-Effekt“ (noncebo = „ich werde schaden“). Damit erklären Experten auch den Voodoo-Tod: Die bloße Angst vor dem Fluch böser Geister kann körperliche Prozesse wie Atmung oder Blutdruck so stark beeinflussen, dass das Opfer tatsächlich stirbt.

Mit der Kraft der Gedanken lässt sich sogar der Tod verschieben: In der Woche vor hohen Festtagen, die die Teilnehmer einer britischen Studie gern noch erleben wollten, gab es ein Drittel weniger Todesfälle als sonst. Nach dem Fest stieg die Sterberate dann jeweils wieder um ein Drittel an.

Die Anzahl der körpereigenen „Killerzellen“ zur Krankheitsabwehr nimmt nachweislich zu, wenn man therapeutischen Fantasiereisen (Visualisierungen) macht.

Wie Geist und Körper miteinander kommunizieren, ist für Gesundheitswissenschaftler zu einer wesentlichen Frage geworden. Auch weil wir mit dem Medizinbetrieb, wie wir ihn bisher kennen, an Grenzen gestoßen sind. Patienten fühlen sich trotz Behandlung erschöpft oder überfordert, sind dauererkältet oder depressiv. Ungeachtet des gewaltigen medizinischen Fortschritts wird längst nicht jeder wieder gesund. Für viele gibt es noch immer keine befriedigenden Therapien, bei anderen schlagen sie nicht an

Körper, Geist und Seele

Wie unser Denken die Gesundheit beeinflusst

Die Kraft der Gedanken kennt jeder, der schon mal einen Kurs für autogenes Training mitgemacht hat. Wer intensiv denkt: „Meine Hände und Füße werden ganz warm“, der bekommt tatsächlich warme Hände und Füße“. Wie kann das sein? Wie schafft es der Geist, den Körper zu beeinflussen, uns gesund zu erhalten oder krank zu machen? Ganz genau versteht man es noch nicht, aber so viel ist klar: Psyche, Nervensystem und die körpereigene Krankheitsabwehr kommunizieren untereinander mit Hilfe von Botenstoffen wie Hormonen und so genannten Transmittern. Dazu gehören die Zytokine, die unter anderem bei negativen Gefühlen wie Angst, Wut oder Depressionen ausgeschüttet werden und dann beispielsweise chronische Entzündungsprozesse ausläsen können. Wie man heute weiß, spielen solche Entzündungsprozesse zum Beispiel bei der Entstehung der Arteriosklerose eine große Rolle. Und die kann wiederum Folgekrankheiten wie hohen Blutdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen. Umgekehrt fördern Gefühle wie Freude und Stolz die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen wie Serotonin oder Endorphinen, die die körpereigene Abwehr stark machen.

Dr. Sabine Thor-Wiedemann

Salutogenetische Kräfte stecken in jedem von uns. Wie man sie freisetzt, lässt sich lernen

Manche Menschen wissen ganz instinktiv, was ihnen gut tut (siehe: „Haben Sie Zugang zu Ihren Selbstheilungskräften?“) Einige haben Hobbys, die nachweislich die Immunabwehr stärken oder den Stoffwechsel stabilisieren, wie etwa Meditieren. Andere müssen den Zugang zu ihren Selbstheilungskräften noch finden. Manchmal gelingt das erst, wenn sie schwer krank werden. Wie die Ärztin Dr. Ruth Pillat, die an Krebs erkrankte. Ihre geschätzte Lebenserwartung lag bei drei Monaten. Das ist bald 20 Jahre her. Heute sagt sie: „Ich mache nur noch, was mir Freude bringt und Kraft gibt.“ Die Tanztherapeutin Ute Bühler macht mit Erfolg Visualisierungsarbeit gegen ihre zu hohen Schilddrüsenwerte: „Jetzt weiß ich, wie ich Gesundes in mich hineinhoffen kann.“

Wesentlich für ein salutogenetisches Handeln ist immer die Überlegung: „Was kann ich selbst tun, um gesund zu bleiben?“ Laut Professor Gerd A. Nagel, dem langjährigen Wissenschaftlichen Direktor der Freiburger Klinik für Tumorbiologie, ist sie „eine der wichtigsten Fragen, die sich Patienten stellen, nicht nur bei Krebs“. Auch Professor Wolfram Schüffel ist überzeugt: „Patienten, die schnell genesen, haben ihre ganz persönlichen Gesundheitsquellen entdeckt. Sie übernehmen Verantwortung für sich und ihr Wohlbefinden.“ So erklärt er auch, warum es Rheumatiker gibt, die trotz schmerzender Gelenke und eingeschränkter Beweglichkeit ein glückliches, erfülltes Leben führen. Und das ist gar nicht mal so selten. Erst kürzlich zeigte die Auswertung von 30 Studien, für die mehr als 10 000 Patienten befragt wurden, dass Menschen, die unter Krebs, Rheuma oder Diabetes leiden, nicht unglücklicher sind als die Normalbevölkerung.

Soweit die Wissenschaft. Aber haben ihre Erkenntnisse schon die niedergelassenen Ärzte erreicht, unsere direkten Ansprechpartner, wenn wir krank sind? Wir haben nachgefragt. Das Ergebnis des Ärzte-Tests: Es muss noch viel passieren, Ärzte haben salutogenetisches Denken noch wenig verinnerlicht und können darum ihre Patienten zu wenig dazu ermutigen. Annette Bopp

Ende 2. Teil, im 3. Teil erhalten Sie eine Checkliste, wie man Zugang zu seinen Selbstheilungskräften erhält.

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