Viele Menschen glauben heute noch fest daran, dass alleine Mediziner und Medikamente in unserem Organismus einen Heilungsprozess anstoßen können. Allerdings sagte man schon in meiner Jugend: „Ein Schnupfen dauert zwei Wochen, mit Arzt vierzehn Tage.“ Es gibt sie immer noch, die Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich uns nicht so leicht erschließen, dazu gehört auch das Wissen, was gewisse „Mechanismen“ unseres Körpers anbelangt. Heute möchte ich Ihnen etwas über unser inneres Heilungspotential schreiben.

Was uns wirklich gesund hält …ist jetzt bewiesen und leicht nachzumachen

Gar nicht erst krank werden – das wär´s. Wie man das schafft, interessiert mittlerweile auch führende Wissenschaftler. Ihre Erkenntnisse haben zu zwei neuen Trends in der Medizin geführt: der Salutogenese, dem Aktivieren der inneren Heiler. Und der Prävention, über die wir heute sehr viel mehr wissen als noch vor zehn Jahren. „Wer gesund werden oder bleiben will, sollte beides tun: die eigenen Kraftquellen der Gesundheit erschließen und Risikofaktoren ausschalten“, sagt der Internist Dr. Jürgen Schürholz, langjähriger Ärztlicher Direktor der Stuttgarter Filderklinik. In Teil 3 geht es deshalb um Prävention. Was wirklich etwas bringt – die neuesten Erkenntnisse. Und warum es so schwer fällt, gesund zu leben. Das legendäre „Runner´s High“. Seit fünf Jahren laufe ich ihm nach, ohne es zu finden. Wenn ich mir morgens noch im Halbschlaf die schmutzigen Sportschuhe zuschnüre, ahne ich bereits, dass es wohl auch diesmal nichts werden wird mit dem Glücksgefühl, zu dem regelmäßiger Sport angeblich verhilft. Statt Ekstase bleischwere Glieder. Und der ewige Kampf gegen den inneren Schweinehund. Aber Gesundheit hat eben ihren Preis. Oder?

Bewegung ist Gold wert, erzählen uns Mediziner und Gesundheitspolitiker. Sie stärkt das Bindegewebe und macht schlank, lindert Depression und Herzschwäche, beugt Brustkrebs und Osteoporose vor. Was will man mehr? Eine Garantie für langes Leben? Wer weiß, ob es was nützt, denke ich mir, wenn ich auf halber Strecke das Traben unterbreche, um im schnellen Schritt den kleinen Berg zu erklimmen, der mich vom Heimweg trennt.

Es ist gar nicht so einfach, sich selbst um seine Gesundheit zu kümmern. Obwohl wir eigentlich schon viel darüber wissen, was wir tun müssten: fünfmal am Tag Obst und Gemüse, ausreichend schlafen, Stress vermeiden, Alkohol und Nikotin aus dem Weg gehen. Und natürlich Sport treiben. Das Einhalten dieser Grundregeln soll nach der neuesten Stufe der Gesundheitsreform künftig belohnt werden: Durch einen Bonus! Wer sich unter ärztlicher Anleitung zum Beispiel das Rauchen abgewöhnt, soll weniger Krankenkassengebühr bezahlen. Wie das genau kontrolliert werden wird, ist noch Gegenstand heftiger Debatten. Ein „Präventionsgesetz“ soll nach einem Bundestagsbeschluss bis zum Herbst verabschiedet sein. Sicher ist nur: „Eigenverantwortung wird künftig eine größere Rolle spielen“, so SPD-Fraktionschef Franz Müntefering.

Aber muss man sich nicht fragen, warum so viele ihr Leben nicht längst in die eigene Hand genommen haben? Kann es sein, dass wir uns allzu sehr darauf verlassen haben, für alle unsere Symptome ein Rezept zu haben, für jede Krankheit einen Labortest, für sämtliche Gebrechen den richtigen Facharzt? Unsere Großmütter taten das noch nicht: Sie konnten die meisten Wehwehchen selbst kurieren und sind nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt gerannt. „Die Frau als Hausärztin“ – dieser dicke Wälzer stand im Schrank meiner Mutter und wurde oft hervorgezogen; als Kind faszinierten mich die Darstellungen kunstvoll verschlungener Verbände und die Eiterbeulen zum Ausklappen.

Ayurveda ist en vogue, die chinesische Medizin auch, und jede bessere Frauenärztin verweist auf Yogakurse gegen das prämenstruelle Syndrom oder die Wechseljahre. Die Magie ferner Welten soll da wirken, wo unsere Medizin keine Wunder mehr verspricht. Denn sie hat alles messbar gemacht, was wir so genau gar nicht wissen wollten. Doch exotische Kräuter und rauchende Nadeln bringen uns nicht unbedingt weiter. Sollten wir von den Medizintraditionen nicht vor allem lernen, dass Gesundheit eine Lebenseinstellung ist und keine Selbstverständlichkeit? Dass man täglich neu an sich arbeiten muss?

Warum fällt es uns so schwer, freiwillig Verantwortung für uns zu übernehmen? Klar, es ist leichter, sich mit Geld oder Pralinés zu belohnen als mit dem prima Gefühl, das eigene Leben halbwegs im Griff zu haben – zumal wir uns dafür echt anstrengen müssten. Wir sind faul geworden, und Faulheit macht abhängig.

Die zehn Euro Praxisgebühr und die Zusatzversicherung für Zahnersatz, die auf uns zukommen, werden uns jedenfalls nicht verändern. Sie setzen nur am Geld an, die wahren Probleme erreichen sie nicht. Trotzdem liegt in der finanziellen Misere des Gesundheitswesens auch eine Riesen-Chance: Sie zwingt uns dazu, unseren Lebensstil zu überdenken. Wenn wir lange leben wollen, müssen wir, das zeigen die Diskussionen in der Sozialpolitik, auch lange arbeiten, demnächst vielleicht bis 70. Und wer nicht in 20, 30 oder 40 Jahren auf viel Hilfe angewiesen sein will, muss lernen, für sich selbst zu sorgen – finanziell genauso wie gesundheitlich.

Den Riesen-Reparaturbetrieb, zu dem sich die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten aufgeblasen hat, sollten wir dabei meiden, wo wir können. Denn er produziert viel zu oft Krankheit statt Gesundheit: wenn wir zu oft geröntgt, vorschnell operiert und unnötig medikamentiert werden. Selbst Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Mitglied der Rürup-Kommission, gibt zu, dass nicht nur Ernährung, Stress und Umweltgifte Risikofaktoren sind, sondern auch die Medizin selbst: „Eine Untersuchung der AOK zeigte, dass die Lebenserwartung bei steigender Ärztedichte nicht steigt, sondern abnimmt …“

Die Gesundheitspolitik aber denkt bei Prävention nicht an die Patienten, sondern vor allem an die Lobbys: an mehr Tests zur Krebsvorsorge zum Beispiel, die vor allem Ärzten, Laboranten und Apothekern zugutekommen. Zudem ist der Sinn solcher Vorsorge-Untersuchungen mitunter umstritten: Gerade wurde von den Kassen beschlossen, dass sie alle zwei Jahre eine Mammografie bezahlen, da stellen jüngste Untersuchungen diese Früherkennungsmethode bereits wieder in Frage. Ihnen zufolge scheinen die meisten Brustkrebsarten nämlich schon zu metastasieren, bevor der Tumor auf dem Röntgenbild überhaupt erkannt werden kann. Da fällt es wirklich schwer, sicher zu sein, was das Richtige ist.

Lernen wir also, auf uns selbst zu vertrauen. Achten wir auf die Signale, die unser Körper aussendet. Informieren wir uns, welche Krankheiten es in der Familie gab und welche persönlichen Risiken wir in uns tragen. Trauen Sie keinem schnellen Programm, nur Ihrem eigenen Weg! Auch das ist ein Element der Salutogenese, der Besinnung auf die eigenen Selbstheilungskräfte.

Viele Menschen gehen bereits diesen Weg – in Deutschland gibt es über 70 000 Selbsthilfegruppen. „Sich interessieren und teilnehmen, Anteil nehmen, mitgestalten – auch das gehört zur Gesundheit“, sagt Felix Gutzwiller, Medizinprofessor an ETH Zürich. „Man kann dabei neue Kräfte entwickeln, um nicht alles ungefragt mich sich geschehen zu lassen.“

Einen Anfang machen. Auch wenn es noch verdammt früh am Morgen ist …

Im 7. Teil rede ich über Vorsorgeuntersuchungen und eigene Maßnahmen zur Vorbeugung.

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