Für die rund 310.000 Menschen mit Behinderung, die bundesweit in Werkstätten arbeiten, ist morgen ein wichtiger Tag: Der Bundesrat stimmt über einen Zuschuss in Höhe von bis zu 70 Millionen Euro ab. Das Geld soll den Werkstattbeschäftigten zugutekommen, die in der Corona-Krise weniger Lohn erhalten haben. Außerdem will der Bund die Interessenvertretung der behinderten Beschäftigten fördern, indem er die Arbeit des Vereins „Werkstatträte Deutschland“ mit mehr als 400.000 Euro jährlich unterstützt. Beide Finanzhilfen hat der Bundestag bereits beschlossen.

Dazu erklärt die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, MdB und frühere Bundesministerin: „Eine inklusive Gesellschaft braucht Menschen mit Behinderung, die ihre Interessen selbst vertreten. Mit der dauerhaften Finanzierung von Werkstatträte Deutschland wird die Selbstvertretung in den Werkstätten gestärkt. Das begrüßen wir als Lebenshilfe sehr.“ Auch dem Bundesvorstand der Lebenshilfe gehören Menschen mit Beeinträchtigung an – Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen wie Ramona Günther aus Freudenstadt. Sie sagt: „Lasst uns einfach mal machen. Die Zeiten sind vorbei, dass andere immer besser wissen, was gut und richtig für uns ist. Wir sind die Experten für unser Leben.“

Werkstatträte sind Betriebsräten ähnlich und setzen sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung in den bundesweit rund 700 Hauptwerkstätten mit ihren fast 3000 Betriebsstätten ein. Werkstatträte Deutschland e.V. (WRD) ist ein Zusammenschluss von allen Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte. Er ist für alle Werkstatträte in Deutschland da und macht sich für die Beschäftigten in Werkstätten stark. Lange war eine dauerhafte Finanzierung nicht geregelt. Nach dem Bundestag soll nun auch der Bundesrat morgen eine Änderung der Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung verabschieden. Damit erhält der WRD künftig 1,60 Euro für jede beschäftigte Person im Arbeitsbereich der Werkstätten direkt von den Trägern der Eingliederungshilfe. Der Betrag wird jährlich angepasst, die neue Regelung tritt ab dem Jahr 2021 in Kraft. Werkstatträte Deutschland hat einen ehrenamtlichen Vorstand und eine Geschäftsstelle in Berlin mit zurzeit drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen (www.werkstattraete-deutschland.de).

Für die Beschäftigten in Werkstätten gibt es noch eine weitere erfreuliche Entwicklung. Bundesweit waren viele Werkstätten geschlossen oder haben nur mit einem kleinen Teil der Beschäftigten in der Notbetreuung die Produktion aufrechterhalten. So haben Werkstätten finanzielle Einbußen. Zusätzlich sind wichtige Aufträge in der Corona-Krise weggebrochen. Das Geld fehlt nun in einigen Werkstätten, so dass der sogenannte Steigerungsbetrag als Teil des Entgeltes nicht überall an die Beschäftigten gezahlt werden kann.

Die Bundesregierung will jetzt bis zu 70 Millionen Euro aus der Ausgleichabgabe zur Verfügung stellen, um die finanzielle Lücke zu verkleinern. Der Bund verzichtet deshalb im Jahr 2020 auf die Hälfte der ihm zustehenden zwanzig Prozent aus der Ausgleichsabgabe und überlässt den Betrag den Ländern sowie deren Integrationsämtern. Das Geld ist zweckgebunden und darf ausschließlich für die Sicherung der Entgelte ausgegeben werden. Dafür ist eine Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung erforderlich, sie soll ab dem 1. März 2020 rückwirkend in Kraft treten. „Damit wird Menschen, die das geringste Einkommen in unserer Gesellschaft haben, ein Stück weit geholfen. Das unterstützen wir natürlich“, so die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt. „Es muss aber unbedingt dabei bleiben, dass die Mittel nur einmalig aus diesem Topf genommen werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass Gelder der Ausgleichsabgabe an anderer Stelle fehlen. Beispielsweise bei der Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen oder bei der Umsetzung des Budgets für Arbeit.“

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