Aber war dies nur ein Intermezzo oder – zumindest in mancher Hinsicht – ein Wendepunkt für die Arbeitsweise der EU?
In seinem neuen Policy Brief analysiert der ECFR-Experte Pawel Zerka die Auswirkungen der Coronakrise auf die Kooperationsmuster der Regierungen in den 27 EU-Mitgliedsstaaten. Des Weiteren untersucht Zerka welche Rollen die EU-Institutionen und die Hauptstädte in solchen Situationen – nach Meinung von politischen Entscheidungsträger in ganz Europa – spielen sollen.
Im Einzelnen kommt das Papier zu folgenden Schlüssen:
- Die Untersuchungen, die auf dem Höhepunkt der Coronakrise durchgeführt wurden, bestätigen Deutschlands Führungsposition innerhalb der EU.
- Trotz eines wackeligen Starts im Umgang mit der Pandemie hat Deutschland das Vertrauen anderer Mitgliedsstaaten an der Gesundheits- und Wirtschaftsfront zurückgewonnen.
- Die Niederlande büßten an Reputation ein und zahlten einen hohen Preis für ihre Führungsrolle als "sparsamer" Staat, der sich gegen eine größere finanzielle Lastenteilung aussprach.
- Die EU selbst erhielt nur wenig Lob von der Öffentlichkeit oder professionellen politischen Entscheidungsträgern. Dennoch schauen die Mitgliedstaaten weiterhin nach Brüssel, wenn es um wirtschaftliche Führung nach der Coronakrise geht.
- Frankreich tritt an die Spitze einer gestärkten "südlichen" Gruppierung von Mitgliedstaaten, während die Visegrad-Gruppe während dieser Krise unsichtbar blieb.
- Es wird Deutschlands und Frankreichs Aufgabe sein, das Nord-Süd-Gefälle zu überwinden und Koalitionen in wichtigen Politikbereichen zu bilden. Die beiden Länder sollten jedoch nicht vergessen, dass die Schließung des Ost-West-Gegensatzes weiterhin ein wichtiges Ziel bleibt.
- Es besteht die Gefahr, dass einige Länder im Osten das Gefühl haben könnten, dass ihnen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wird – und dass sie sich wirtschaftlich und politisch weiter entfernen.
- Dafür zu sorgen, dass West und Ost nicht zu weit auseinanderdriften, während sich die EU darauf konzentriert, den Süden über Wasser zu halten, wird eine zentrale Aufgabe Deutschlands während der EU-Präsidentschaft . Zudem müssen die Verhandlungen über den EU-Konjunkturfonds und das kommende EU-Budget eine entscheidende Phase eintreten.
Der Policy Brief stützt sich auf die Datensammlung und -visualisierung Coronavirus-Special, die Ergebnisse einer Expertenbefragung der EU27 zur europäischen Zusammenarbeit in der Coronavirus-Krise präsentiert. Die Umfrage, die sich über den gesamten Mai 2020 erstreckte, soll einen Einblick geben, wie sich die europäische Zusammenarbeit verändert hat, als die Pandemie ihren Höhepunkt erreichte.
Als Fallstudie zur europäischen Zusammenarbeit bietet das Coronavirus-Special einen Realitätscheck für die Daten, die in der aktuellen Ausgabe des EU Coalition Explorers gesammelt wurden. Die aktuelle Version des Datenatlas dokumentiert die Ergebnisse einer Umfrage, die im März und April 2020 vom Rethink: Europe-Team des ECFR in den EU27 durchgeführt wurde. Der EU Coalition Explorer veranschaulicht die Expertenmeinungen von mehr als 800 Befragten, die sich unter anderem in Regierungen, Denkfabriken, der Wissenschaft und den Medien mit Europapolitik auseinandersetzen. Er schafft so ein Verständnis für die Ansichten der politischen Fachwelt in Europa – Informationen, die den politischen Entscheidungsträgern oder der Öffentlichkeit sonst nicht zur Verfügung stehen.
Klicken Sie hier, um sich die Daten des EU Coalition Explorers 2020 genauer anzusehen.
Autor:
Pawel Zerka ist Policy Fellow im Pariser Büro des European Council on Foreign Relations (ECFR) und Teil des „Rethink: Europe“ – Teams, das datenbasiert mit Hilfe des EU Cohesion Monitors und des EU Coalition Explorer europäische Zusammenarbeit untersucht und veranschaulicht. Zerka ist auch an der Analyse der europäischen öffentlichen Meinung im Rahmen des „Unlock“-Projektes des ECFR beteiligt. Er erlangte seinen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften und hat einen Master in Internationalen Beziehungen von der Warschauer Hochschule für Wirtschaft. Zerka studierte zudem an der SciencesPo Bordeaux und der Universidad de Buenos Aires.
Rethink:Europe Projektteam:
Claire Busse, Ulrike E. Franke, Rafael Loss, Jana Puglierin, Pawel Zerka
Über Rethink:Europe:
Im Rahmen des Projekts Rethink:Europe entwickelt der European Council on Foreign Relations analytische Werkzeuge, die neue Einblicke in die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt der Europäischen Union geben: Der EU Cohesion Monitor misst das Potenzial zur Kooperation in den Staaten bzw. den Gesellschaften der EU. Der EU Coalition Explorer macht das informelle Beziehungsnetz zwischen den Staaten sichtbar. Der 2020 neuentwickelte European Solidarity Tracker veranschaulicht Solidarität in Zeiten der Corona-Krise.
Über die Stiftung Mercator:
Die Stiftung Mercator ist eine private, unabhängige Stiftung. Sie strebt mit ihrer Arbeit eine Gesellschaft an, die sich durch Weltoffenheit, Solidarität und Chancengleichheit auszeichnet. Dabei konzentriert sie sich darauf, Europa zu stärken, den Bildungserfolg benachteiligter Kinder und Jugendlicher insbesondere mit Migrationshintergrund zu erhöhen, Qualität und Wirkung kultureller Bildung zu verbessern, Klimaschutz voranzutreiben und Wissenschaft zu fördern. Die Stiftung Mercator steht für die Verbindung von wissenschaftlicher Expertise und praktischer Projekterfahrung. Als eine führende Stiftung in Deutschland ist sie national wie international tätig. Dem Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterfamilie und dem Sitz der Stiftung, fühlt sie sich besonders verpflichtet. www.stiftung-mercator.de
Der European Council on Foreign Relations (ECFR) ist ein pan-europäischer Think Tank, der europäische Sichtweisen in nationale politische Diskurse einbringt, Perspektiven für eine gemeinsame europäische Außenpolitik aufzeigt und sich für die Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprozesses engagiert. Der ECFR ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation, die sich aus verschiedenen Quellen finanziert. Mehr Informationen unter www.ecfr.eu/about/donors
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