Länderstudie

Die wirtschaftlichen und finanziellen Indikatoren Namibias haben sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts sukzessive verschlechtert. Dies hat Credendo in den Jahren 2015, 2019 sowie im Mai 2020 dazu veranlasst, das mittel- bis langfristige politische Risiko dieser einst prosperierenden afrikanischen Volkswirtschaft schrittweise von Kategorie 3/7 (vor 2015) in die zweithöchste Kategorie 6/7 herabzustufen. Der Covid-19-bedingte Einbruch der weltweiten Wirtschaftstätigkeit wird Namibia ins vierte Rezessionsjahr seit 2016 stürzen. Aufgrund des damit einhergehenden Rückgangs von Exporterlösen und Einnahmen aus der Zollunion des südlichen Afrika (SACU) wird damit gerechnet, dass sich die öffentliche Schuldenquote und die Auslandsverschuldung weiter verschärfen. Gleichzeitig steigen die Schuldendienstverpflichtungen gegenüber dem Ausland auf ein nicht länger tragfähiges Niveau.

Krisenjahrzehnt führt zu allmählichem Niedergang der namibischen Wirtschaftsleistung 

Infolge der weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2008-2009 setzte Namibia zur Belebung seiner Wirtschaft auf einen lockeren geldpolitischen Kurs und eine expansive Finanzpolitik. Beide Instrumente wurden vorwiegend durch öffentliche In- und Auslandsverschuldung sowie ausländische Direktinvestitionen (ADI) finanziert. Diese Strategie löste sowohl bei privaten als auch juristischen Personen eine hohe Kreditnachfrage sowie umfangreiche Bauprojekte aus, was durch den Rohstoffpreisboom der Jahre 2010 bis 2014 zusätzlich angeheizt wurde. Infolgedessen erreichte das reale BIP-Wachstum zwischen 2010 und 2015 den beachtlichen Durchschnittswert von 5 %. Zwischen 2014 und 2016 wurde Namibia aufgrund seiner Abhängigkeit vom Diamanten- und Uranexport (39 % der Leistungsbilanzeinnahmen im Jahr 2018) vom Abschwung der internationalen Rohstoffpreise getroffen: Die Exporterlöse schrumpften und die Tragfähigkeit der namibischen Auslandsverschuldung ging zurück. Die 2016 von der Regierung verabschiedeten Sparmaßnahmen in Verbindung mit der wirtschaftlichen Stagnation in Südafrika und dem Ende einer umfangreichen Investitionsoffensive beeinträchtigten die Wirtschaftstätigkeit und führten in den Jahren 2016 und 2017 zu einer Rezession mit einem Rückgang des realen BIP-Wachstums von jeweils 0,3 % und 0,1 %. Die Haushaltskonsolidierung wirkt sich auch heute noch auf die Baubranche aus, da die öffentlichen Investitionen 2016 zurückgefahren wurden. Nachdem das reale BIP-Wachstum 2018 den niedrigen, jedoch immer noch positiven Wert von 0,3 % erreichte, kam es 2019 erneut zu einer Rezession (1,4 %), die auf einen Rückgang des Diamantenabbaus (Schließung der Mine Elisabethbucht) sowie eine schwere Dürre mit Folgen für die Agrarproduktion zurückzuführen war. Darüber hinaus werden der Privatkonsum und die Sparquote von der extremen Arbeitslosigkeit (33 % der Erwerbsbevölkerung) beeinträchtigt. 2020 sollten der Anstieg des Offshore-Diamantenabbaus und die Wiederbelebung des Uranabbaus für wirtschaftliche Erholung sorgen und das Land nach vorne bringen. Namibia sollte sogar zum drittgrößten Uranproduzenten der Welt aufsteigen. Beginn 2020 wurden diese Pläne jedoch vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie vereitelt.

Außenhandelsbilanz bereits vor Covid-19 unter Druck

Bis zum 23. Juni wurden in Namibia lediglich 63 bestätigte covid-19-Infektionen gemeldet (keine Todesfälle). Dennoch rief die Regierung den nationalen Notstand aus und leitete Eindämmungsmaßnahmen ein. Der Covid-19-bedingte Einbruch der weltweiten Wirtschaftstätigkeit wird Namibia in ein weiteres Rezessionsjahr mit einem erwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung von 4,8 % im Jahr 2020 stürzen. Der Einbruch der Exporterlöse (besonders in den Bereichen Diamanten und Tourismus), geringere Konsumausgaben während des Lockdowns sowie ein Rückgang der öffentlichen und privaten Investitionen erklären die beträchtliche Korrektur der Wachstumsprognose infolge des Covid-19-Ausbruchs. Das für 2021 vorausgesagte BIP-Wachstum von 3 % könnte sich je nach Dauer und Intensität der Covid-19-Epedimie, insbesondere in Afrika, als zu optimistisch erweisen.

Das Verhältnis des Leistungsbilanzdefizits zum BIP lag zwischen 2014 und 2016 aufgrund der umfangreichen Investitionsoffensive und niedrigerer internationaler Rohstoffpreise bei einem Durchschnitt von rund 25 % des BIP (offizielle Transfers ausgenommen). Zur Finanzierung der steigenden Leistungsbilanzdefizite zog Namibia umfangreiche ausländische Direktinvestitionen an und emittierte 2011 und 2015 Eurobonds, wobei es von der damaligen hohen Liquidität auf dem globalen Kapitalmarkt profitierte. Zudem entsprechen SACU-Einnahmen in etwa 11 % des namibischen BIP (2019) und bilden einen wichtigen Bestandteil seiner verfügbaren Finanzmittel. Das Leistungsbilanzdefizit schwächte sich 2018 und 2019 auf etwa 12 % des BIP ab (32 % der Leistungsbilanzeinnahmen). Unter Einbeziehung der Einnahmen aus offiziellen Transfers (vorwiegend SACU) blieb das Leistungsbilanzdefizit Namibias in den Jahren 2018 und 2019 recht begrenzt (jeweils 2,7 % und 2,3 % des BIP). Covid-19 wirkt sich in zweifacher Hinsicht auf die Leistungsbilanz aus: Einerseits ist mit einem Rückgang der Exporterlöse zu rechnen, andererseits werden auch die Importkosten angesichts niedriger internationaler Ölpreise und gesunkener investitionsbedingter Kosten deutlich abnehmen. Schlechte Wirtschaftspolitik und eine steigende Risikoaversion unter globalen Investoren wirken sich seit 2018 negativ auf die Kapitalbilanz aus, was mit niedrigeren ADI-Zuflüssen und Portfolioinvestitionen einhergeht. Die Währungsreserven Namibias sind strukturell recht niedrig und deckten im Februar 2020 2,4 Monatsimporte ab.

Schuldendienstverpflichtungen gegenüber dem Ausland dürften unhaltbar werden

Der namibische Dollar hat aufgrund der Abwärtsspirale des südafrikanischen Rand (SAR), an den er gebunden ist, die Hälfte seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren. Die Zunahme an Schulden verursachenden Kapitalzuflüssen (Eurobonds) trieb die Auslandsverschuldung Namibias weiter in die Höhe. Das Verhältnis der Auslandsverschuldung zum BIP stieg von 31 % im Jahr 2010 auf 63 % im Jahr 2019 und wird diese Entwicklung 2020 fortsetzen. Gleichzeitig liegt mehr als die Hälfte dieser Schulden beim Privatsektor. Namibias Finanzlage wird sich aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs und der für die Bekämpfung der aktuellen Krise erforderlichen erheblichen Finanzmittel weiter eintrüben. Gleichwohl hat Namibia, das ein gehobenes mittleres Einkommen aufweist, den IWF seit seinem Zutritt im Jahr 1990 kein einziges Mal um Hilfe ersucht und auch angesichts des Covid-19-Virus keine IWF-Unterstützung beantragt. Dennoch liegt die von der Tilgung der Auslandsverbindlichkeiten ausgehende finanzielle Belastung seit 2015 bei über 20 % der Leistungsbilanzeinnahmen und stieg 2019 auf 39 % (31 % der Leistungsbilanzeinnahmen einschl. offizieller Transfers). 2020 und 2021 dürften die Schuldendienstkosten über ein tragfähiges Niveau hinausgehen und das Land in die schlimmste finanzielle Lage seit seiner Unabhängigkeit stürzen.

Stabiles politisches System wird mit sozioökonomischen Dilemmas und versiegender Staatskasse konfrontiert

Zwischen 2014 und 2019 hatte Namibia erhebliche Haushaltsdefizite zu verzeichnen (durchschnittlich 6 % des BIP) und auch die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung hat sich deutlich verschlechtert. Jahrelang hat der Staat auf in- und ausländischen Märkten hohe Kredite aufgenommen, was die Gesamtverschuldung 2019 auf 56 % des BIP anschwellen ließ (von 28 % des BIP im Jahr 2014). Über die Hälfte dieser Schulden wird im Inland gehalten und lautet auf namibische Dollar oder südafrikanische Rand. Angesichts eines starken Anstiegs des Haushaltsdefizits im Jahre 2020 wird damit gerechnet, dass die Staatsverschuldung in diesem Jahr auf geschätzte 67 % des BIP emporschnellt (über 200 % der Staatseinnahmen von 2020). Die Regierungspartei SWAPO (Südwestafrikanische Volksorganisation – South West Africa People’s Organisation) ist seit 1990 an der Macht und dürfte seine dominante Rolle auch künftig behalten, nachdem Präsident Hage Geingob 2019 für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren wiedergewählt wurde. Namibia gilt als ein Staat mit einer guten Regierungsführung und stabilen institutionellen Rahmenbedingungen. Doch obwohl es seit den frühen neunziger Jahren merkliche Fortschritte bei der Armutsbekämpfung erzielt hat, zählt es weltweit zu den Ländern mit der höchsten Ungleichheit und 33 % der Erwerbsbevölkerung ist arbeitslos. Der linksradikale Flügel der SWAPO plädiert für Landreformen und eine Umverteilung des Wohlstandes, um die dreifache Herausforderung der hohen Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit zu bewältigen. 2019 rief Präsident Geingob aufgrund der extremen Dürre den Notstand aus. Eine halbe Million Namibier sind derzeit von Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit bedroht, was umfangreiche Hilfsmaßnahmen notwendig macht. 

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