Ursprünglich sollte die Messkampagne "Elbe 2020" als Generalprobe für das Funktionieren des MOSES-Messsystems bereits im Mai dieses Jahres beginnen. Geplant war, die gesamte Wirkungskette hydro-meteorologischer Extremereignisse zu testen – von den Flusseinzugsgebieten der Müglitz im Erzgebirge und der Bode im Harz über deren Abflüsse in die Elbe, die Elbe entlang bis hin zu deren Mündung in die Nordsee. Denn sowohl Starkregen als auch zu geringe Niederschläge haben nicht nur regionale Folgen, sondern wirken überregional auf Flüsse, Böden, Grundwasser und den Küstenbereich. Diese Folgen zu erforschen, das ist das Ziel der Helmholtz-Wissenschaftler, die unter dem Dach der Forschungsinitiative MOSES zusammenarbeiten. "Dafür brauchen wir speziell angepasste und aufeinander abgestimmte Sensor- und Messsysteme und eine bis ins Detail ausgeklügelte Logistik und Organisation. Testkampagnen wie "Elbe 2020" sind wichtig, um den gemeinsamen Einsatz zu trainieren", betont MOSES-Projektleiterin Dr. Ute Weber.
Doch die Corona-Pandemie machte ihnen an der einen oder anderen Stelle einen Strich durch die Rechnung. Die ursprünglichen Einsatzpläne mussten mit Beginn des Lockdowns im März immer wieder an die aktuelle Lage angepasst werden. So wurden die Atmosphärenmessungen im Müglitztal gestrichen, weil die Sicherheitsabstände in den Messcontainern nicht einzuhalten waren. Die Messungen des Grundwassers, der Bodenfeuchte sowie der Abflussbildung, die im vorigen Jahr im Einzugsgebiet der Müglitz begonnen wurden, konnten aber dank automatisierter Messgeräte kontinuierlich weitergeführt werden. Und auch die Forschungsschiffe auf Elbe und Nordsee werden trotz reduzierten Personals versuchen, ihre Messfahrten ab 4. August weitestgehend wie geplant durchzuführen.
Inhalte des Messprogramms "Elbe2020"
Den ersten Abschnitt der Messkampagne zwischen Schmilka an der tschechischen Grenze und dem Wehr Geestacht kurz vor Hamburg übernimmt das UFZ. In einer sogenannten Fließzeit-konformen Probennahme verfolgen die Wissenschaftler den Wasserkörper über neun Tage flussabwärts in seiner Entwicklung. Vom Forschungsschiff Albis aus messen sie nicht nur Wassertemperatur und Sauerstoffkonzentration, sondern auch die Konzentration von Nährstoffen und Schwermetallen sowie die Biomasse im Wasser schwebender Mikroalgen (Phytoplankton). "Die im Wasser zirkulierenden Algen kommen bei normalem Wasserstand (z.B. Pegel Magdeburg Strombrücke: 189 cm) nur für kurze Zeit in die oberen, durchlichteten Wasserschichten, um dort Photosynthese zu betreiben. Sinkt der Pegel jedoch auf Werte von 50 bis 80 cm, bekommen die Algen viel mehr Licht, was zu stärkerem Wachstum und höherer Algenbiomasse führt", erklärt Dr. Norbert Kamjunke, der am UFZ die Elbe-Messfahrt leitet. Bei abnehmender Wasserbewegung im Mündungsbereich des Flusses kann diese Algenbiomasse auf den Gewässergrund sedimentieren und dort von Bakterien abgebaut werden. Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser und es entstehen kritische Bedingungen für die Tiere im Gewässer, die auch zu Fischsterben führen können.
Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung (HZG) setzt die Messkampagne zwischen dem 24. und 28. August zwischen Geesthacht und Cuxhaven auf der Tide-Elbe fort. Diese ist nicht nur vom Wechselspiel zwischen Süßwasser aus dem Oberlauf und dem vom Meer aus eindringendem Salzwasser geprägt, sondern auch vom Hamburger Hafen. Das Forschungsschiff Ludwig Prandtl wird von Cuxhaven bis Geesthacht gegen ablaufendes Wasser fahren und dabei alle 20 Minuten Wasserproben nehmen. Daneben laufen auf der ganzen Fahrt automatisierte Messsysteme an Bord. Zusätzlich werden in Glückstadt über einen Tidenzyklus an einem festen Ort durchgängig Messungen vorgenommen, um den Einfluss des Nordseewassers vom Elbewasser unterscheiden zu können.
Den dritten Abschnitt der Messkampagne übernehmen Anfang September drei Küstenforschungsschiffe vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Sie werden den Nordsee-Küstenbereich beproben und den Verbleib der Elbe Ausstromfahne zwischen den ostfriesischen Inseln über Helgoland bis nach Sylt und Föhr großflächig verfolgen. Im Fokus steht die Abschätzung des Eintrages von organischem Kohlenstoff (DOC) und Algenbiomasse sowie des Treibhausgases Methan. Moderne Kommunikationstechnologien machen es möglich, über größere Distanzen in Echtzeit Daten und Messwerte zwischen den Schiffen und dem Festland auszutauschen. Corona-bedingt wird die Anzahl der Wissenschaftler pro Schiff auf drei bis vier Personen begrenzt, die – je nach Reederei – eine einwöchige Quarantäne vor Fahrtantritt durchlaufen müssen.
"Die Komplexität unserer Messungen entlang der fließenden Welle ist das Neue und Besondere dieser Kampagne", betont Ute Weber. Anders als etwa bei der Messkampagne im Vorjahr stimmen die beteiligten Helmholtz-Zentren neben dem gemeinsamen Logistik-Test in diesem Jahr auch die inhaltlichen Aktivitäten stärker aufeinander ab. So wird nicht nur die Nährstoffaufnahme der Algen in der Binnenelbe gemessen, sondern es wird anschließend auch untersucht, welche Folgen dieser gesteigerte Eintrag von Algen und der verringerte Eintrag von gelösten Nährstoffen in die Küstengewässer auf das dortige Wachstum mariner Algen haben. Ähnlich ist es mit den Veränderungen organischer Verbindungen wie zum Beispiel Kohlehydraten und Huminstoffen, die in den Flüssen auf ihrem Weg ins Meer durch mikrobiologische Prozesse umgesetzt werden. Schließlich bestimmen diese entscheidend, welche Mengen der klimarelevanten Gase Kohlendioxid und Methan aus Flüssen und Küstengebieten freigesetzt werden. Und um die Vergleichbarkeit der Messdaten zwischen den drei Messabschnitten – Ober- und Mittellauf der Elbe, Tidenbereich und Küste – zu gewährleisten, messen die Wissenschaftler mit denselben Messgeräten und Instrumenten, die sie von Abschnitt zu Abschnitt weiterreichen.
MOSES steht für "Modular Observation Solutions for Earth Systems". In dieser vom UFZ koordinierten Initiative bauen neun Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft zwischen 2017 und 2022 gemeinsam mobile und modular einsatzfähige Beobachtungssysteme auf, um die Auswirkungen zeitlich und räumlich begrenzter dynamischer Ereignisse, wie extremer Niederschlags- und Abflussereignisse, auf die langfristige Entwicklung von Erd- und Umweltsystemen zu untersuchen.
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.
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