Mit dem Elektroauto in den Urlaub fahren? Reichweite, laden, Stecker, bezahlen – geht das überhaupt? Kein Problem, sagt TÜV SÜD. Für die Zahl der Elektroautos, die aktuell auf der Langstrecke unterwegs sind, gibt es gerade an Autobahnachsen ausreichend Lademöglichkeiten. Die Pause kommt nicht nur der Technik zugute, auch Fahrer und Mitreisende können ihre Batterien gleichzeitig wieder aufladen. Was den Stecker betrifft: Hier haben sich die Staaten in Europa auf das einheitliche CCS-System geeinigt, und wer in die Berge fährt, kann sowieso ohne Stopp aufladen. Denn nach längerer Bergabfahrt ist der Akku fast wieder voll. Tipps von Volker Blandow, Global Head of E-Mobility bei TÜV SÜD.

Allen anders lautenden Berichten über Reisen mit dem Elektroauto in Europa zum Trotz: Mit dem Elektroauto in den Urlaub zu fahren, ist in Europa ohne größere Hindernisse möglich. Das Netz an Schnellladestationen ist gerade an den Autobahnen weit entwickelt und reicht auch in das benachbarte Ausland. Wer seinen Urlaub in den Niederlanden oder in Skandinavien plant, wird ohnehin überrascht sein, wie reibungslos elektrisches Fahren insgesamt funktioniert. Dort hat man die Mobilität bereits seit einiger Zeit auf diese neue Technologie umgestellt. Ein Effekt: Deutlich mehr Lademöglichkeiten als hierzulande. Die Nachbarländer Österreich, Schweiz und Frankreich haben ein ähnlich gut ausgebautes Netz wie in Deutschland. Volker Blandow: „Lediglich gen Süden, in Italien etwa oder Kroatien, wird das Netz dünner. Hier sollten sich E-Urlauber vorab genauer über die Lademöglichkeiten entlang der Reiseroute informieren.“

Wann sind wir endlich da?

Insgesamt bietet die Art des Reisens mit dem Elektroauto große Vorteile. Denn Zwischenstopps alle zwei bis drei Stunden (250 bis 300 Kilometer) kommen ohnehin der Erholung von Fahrer und Beifahrern zugute. Der Elektroantrieb sorgt hier für Urlaub von Anfang an und sorgt mit ausgeruhten Reisenden gleichzeitig für ein ordentliches Plus an Sicherheit auf der Straße. Die gemäßigte Fahrweise, im Rahmen der in praktisch allen Ländern ohnehin geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen, sorgt zudem automatisch für mehr Reichweite. Volker Blandow: „Insgesamt bietet das Elektroauto einen optimalen und vor allem auch familienfreundlichen Reiserhythmus. Kinder können sich in der Pause eine ganze Stunde lang auf dem Spielplatz austoben.“

Passt denn da auch der Stecker?

Durch die Europäische Einigung auf das Combined-Charging-System (CCS) ist der Ladestandard auf dem Kontinent fest definiert. Das heißt: Stecker und Ladeverfahren sind standardisiert – wo sich die nächste Ladestation befindet, zeigt das Navigationssystem. Trotzdem kann man momentan noch nicht hundertprozentig ausschließen, dass eine im Navigationssystem angezeigte Ladesäule tatsächlich auch freigeschaltet werden kann. Denn nicht vereinheitlicht sind bisher Zugangskarten und Bezahlsysteme. Deshalb ist es auf jeden Fall vor der Abfahrt sinnvoll, sich beim Mobilitätsanbieter (Ladekarte) über Auslandsoptionen zu informieren. Blandow: „Hier bleibt eine Restkomponente ‚Abenteuer‘. Also bei der Anfahrt immer auf ausreichend Restspannung achten, damit die Batterieladung gegebenenfalls noch bis zur nächsten Station reicht.“

Großer Vorteil im Ausland ist, dass Lader häufig direkt an der Säule mit EC- oder Kreditkarte zahlen können – kostengünstigster Tarif inklusive. In vielen großen Städten Europas und in Großbritannien sind Elektrofahrzeuge heute gang und gäbe. Entsprechend wenig Probleme wird man haben, beispielsweise auch Hotels mit Ladepunkten zu identifizieren. Für den „Tankstopp“ auf der Strecke stehen verschiedene Lademöglichkeiten zur Verfügung. Blandow: „Das gilt gerade auch für ultraschnelles Laden (HPC) mit 150 oder sogar 350 kW. Und das Netz der Ladestationen wächst täglich.“

Geht das auch mit dem Wohnwagen?

Elektrofahrzeuge sind uneingeschränkt urlaubstauglich. Selbst Wohnwagen können elektrisch gezogen werden. Wie auch beim Verbrenner sind dafür eher größere Modelle geeignet. Wer einen Wohnwagen besitzt, wird sich ohnehin schon beim Kauf für ein stärkeres Modell entschieden haben. Soll das Heim am Haken mit, braucht es dafür selbstverständlich mehr Energie. Volker Blandow: „Aus der Erfahrung einiger Elektropioniere lässt sich ableiten, dass nach 200 km die nächste Ladung fällig wird, speziell bei größeren Wohnwagen. Ein großer Vorteil für Wohnwagenfahrer liegt darin, dass bei der elektrischen Zugmaschine weniger mechanische Probleme auftreten – beispielsweise Getriebeverschleiß.

Und: „Wegen der extremen Zugkraft der Fahrzeuge ist die Nachfrage nach elektrischen Pick-up-Trucks in den USA besonders groß“, berichtet Blandow.

Warum ist die Batterie jetzt wieder fast voll?

Mit voller Batterie auf den Jaufenpass starten und mit fast voller Ladung in Meran ankommen? Reisen mit dem Elektroauto bietet energetisch einen Riesen-Vorteil: Während der Verbrennerfahrer bergab zwar kaum Verbrauch hat, aber ständig auf der Bremse stehen muss, verzögert der geübte E-Fahrer gekonnt mit der Rekuperation und lädt gleichzeitig die Batterie wieder auf. Selbst wenn beim Anstieg die Batterie fast leergefahren wurde, hat man nach dem Abstieg bis zu 80 % wieder in der Batterie. Voraussetzung dafür ist, vorausschauend zu fahren und die elektrische „Motorbremse“ gleichmäßig einzusetzen. „Diese positive Eigenschaft des Elektroautos wird erst in den Bergen richtig erlebbar“, sagt Volker Blandow. „In den meisten Fahrzeugen braucht man quasi überhaupt nicht zu bremsen, das Fahrzeug schaltet bei längerem Rollen automatisch in einen höheren Rekuperationsmodus, die Energie wird dabei optimal zurückgewonnen und gespeichert.“

Über die TÜV SÜD AG

Im Jahr 1866 als Dampfkesselrevisionsverein gegründet, ist TÜV SÜD heute ein weltweit tätiges Unternehmen. Mehr als 25.000 Mitarbeiter sorgen an über 1.000 Standorten in rund 50 Ländern für die Optimierung von Technik, Systemen und Know-how. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, technische Innovationen wie Industrie 4.0, autonomes Fahren oder Erneuerbare Energien sicher und zuverlässig zu machen. www.tuvsud.com/de

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