Die Deutsche Bahn AG (DB) hat im ersten Halbjahr 2020 einen Verlust nach Steuern von 3,7 Milliarden Euro zu verbuchen. Das hat sie in der heutigen Bilanz-Pressekonferenz mitgeteilt. Auch die Aussichten sind düster. Die Corona-Pandemie hat die ohnehin angespannte Situation der DB jedoch nur verschärft. So machen die virenbedingten Betriebsverluste nicht einmal die Hälfte des Milliardendefizits aus. Vielmehr ist die Ursache der Misere nach Ansicht der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ein jahrzehntelanges Versagen der Politik und daraus resultierend des Managements. „Der unsägliche Milliardenverlust verschärft jedoch die dringende Notwendigkeit, die DB endlich umfassend zu reformieren. Es reicht nicht, dass der Bund ‚nur‘ bis zu 13 Milliarden zur Corona-Bewältigung zuschießt“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky und sagte voraus: „Ohne umfassende Reform wird es keinen fairen Wettbewerb auf der Schiene und keine Verkehrsverlagerung von der Straße geben. Die Verkehrsverlagerung ist jedoch in der Klimapolitik unverzichtbar.“

Ausbau nach kapazitätsorientiertem ‚Deutschlandtakt‘

Zwar sind im „Masterplan Schienenverkehr“ gute Ansätze vorhanden. „Die Probleme der DB werden damit aber nicht gleich beseitigt“, so Weselsky. Der Engpass in der Schieneninfrastruktur werde dabei viel zu wenig berücksichtigt: denn seit Jahrzehnten wurden Gleise stillgelegt, Bahnhöfe und Güterverkehrsstellen geschlossen und die Brücken sind marode. Außerdem arbeite die DB Netz AG 

weitgehend mit einer Leit- und Sicherungstechnik der 1950er Jahre. Anstatt viel Geld in Leuchtturmprojekte wie die automatische S-Bahn in Hamburg und Milliarden für Höchstgeschwindigkeitsstrecken zu versenken, fordert die GDL den konsequenten Ausbau des Schienennetzes für den Güter- und den Personenverkehr nach dem kapazitätsorientierten ‚Deutschlandtakt‘. Weselsky: „Der Fokus muss auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit liegen und nicht auf der kürzesten Fahrzeit, denn dadurch wird der Taktfahrplan anfälliger für Störungen.“

Rückgrat des Schienengüterverkehrs

Schon seit Jahren macht die DB Cargo AG Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. 2019 hat er sich sogar um 43 Prozent auf 488 Milliarden Euro erhöht. Klar hat Corona auch dem Schienengüterverkehr zugesetzt. Hauptursache für das Defizit ist aber seit Jahren der Einzelwagenverkehr – das Rückgrat des Schienengüterverkehrs – mit seinen hohen Anlagennutzungsentgelten. „Das Kuppeln der Wagen mit der Hand offenbart dabei den gravierenden Mangel“, so der Bundesvorsitzende. Jede Tonne, die auf der Schiene transportiert wird, spart im Vergleich zum Lkw rund 80 Prozent Kohlendioxid. Ein Güterzug ersetzt bis zu 52 Lkw. Weselsky: „Die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene ist notwendiger denn je. Sie wird ohne bessere Bedingungen für den Einzelwagenverkehr nicht funktionieren.“

GDL: Profitzwang für die Infrastruktur abschaffen

Ein weiteres Kernelement zur Verkehrsverlagerung muss nach Auffassung der GDL die Abschaffung des Profitzwangs für die Infrastruktur sein. Dazu müssten DB Netz, DB Energie und DB Station & Service zu einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammengefasst werden – eine echte Bahnreform II. Weselsky: „Mit der Bahnreform II könnten die Trassenpreise und die Anlagennutzungsentgelte günstiger werden und die Schiene hätte mehr Chance auf einen fairen Wettbewerb, denn so lange der Schienengüterverkehr langsamer und sogar teurer ist als der Transport auf der Straße, bleibt der Verkehr auf der Straße.“
Überhaupt fordert die GDL eine Anpassung der im Vergleich zum Straßenverkehr immer noch zu teuren Trassenpreise.

Rückzug aus ausländischen Aktivitäten

Eine Baustelle sind auch die zahlreichen ausländischen Beteiligungen. An 700 Töchtern ist die DB mittlerweile beteiligt. Sie erwirtschaftet mehr als 40 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Weselsky: „Geld wird mit den wenigsten verdient.“ Vielmehr werde wie aktuell bei Arriva massiv Geld verbrannt. Gerade wurde eine Wertberichtigung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vorgenommen. „Eisenbahn in Deutschland ist das Herzstück des DB-Konzerns und darauf muss der Fokus gerichtet werden“, forderte Weselsky.

Keine Abstriche beim Zugpersonal

Die GDL hat übrigens im Gegensatz zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) das „Bündnis für unsere Bahn“ mit dem Ziel der Einsparung der Personalkosten von zwei Milliarden Euro nicht unterzeichnet. DB-Vorstandsvorsitzender Richard Lutz verkündete in der heutigen Pressekonferenz, dass man mit der EVG auf gutem Wege bei der Umsetzung sei. Bei der GDL sieht das anders aus. „Mit uns wird beim Zugpersonal nicht gespart. Unsere Kolleginnen und Kollegen halten nicht nur in Corona-Zeiten oft unter widrigen Umständen den Zugverkehr rund um die Uhr sicher und zuverlässig am Laufen. Im Gegenteil: Es gibt noch viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, damit die Entgelt- und Arbeitsbedingungen verbessert werden, denn ohne Lokomotivführer und Zugbegleiter geht noch sehr lange nichts auf der Schiene.“

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