Keine Sorge. Wenn bei Conny Reichert das Telefon klingelt und ein so genanntes Organangebot abgegeben wird, geht es seriös zu. Auch wenn das Wort „Organangebot“ für Außenstehende etwas merkwürdig klingen mag. Für Conny Reichert gehört es schon zur Alltagssprache. Denn ihr Job ist es, Spendernieren von der internationalen Organverteilungsstelle „Eurotransplant“ auf mögliche Empfänger am Nierentransplantationszentrum des UKJ prüfen zu lassen. Conny Reichert ist die für Nieren zuständige Wartelistenadministratorin am Uniklinikum. Und das schon seit fast 23 Jahren.

Das Telefon, es spielt immer eine wichtige Rolle im Arbeitsalltag von Conny Reichert. Nicht nur „Eurotransplant“ ist am Apparat. Conny Reichert ist im ständigen Austausch: mit Dialysepraxen und niedergelassenen Ärzten, die die Nierenpatienten über Jahre betreuen, bevor sie ans UKJ zur Nierentransplantation kommen. Von ihnen holt sich Conny Reichert aktuelle Werte und Befunde ein, die sie in den dicken Akten der Transplantationskandidaten akribisch dokumentiert. Die Urologen und Nephrologen am UKJ rufen sie an, um die Akten und Befunde der Patienten zu vervollständigen. Die Oberärzte der Urologie und der Nephrologie sichten im Anschluss die Akten und prüfen regelmäßig die Transplantationsfähigkeit der Patienten. Und natürlich telefoniert Conny Reichert auch mit den Patienten selbst.

Offenes Ohr für die Patienten

„Durchschnittlich warten Patienten zwischen acht und zehn Jahre auf eine passende Niere“, weiß sie. „Da lernt man sich schon ganz gut kennen.“ Und so klingeln gerne auch mal die Patienten bei ihr durch. Sie möchten wissen, wie der Stand der Dinge ist, berichten von ihren Ängsten und Sorgen und lassen sich auch einfach mal von Conny Reichert aufpäppeln, wenn sie einen schlechten Tag haben. Das kann die 44-Jährige ziemlich gut. Weil sie zum einen durch ihre jahrelange Erfahrung weiß, wovon sie spricht. Zum anderen aber auch, weil sie richtig gut „Mensch sein“ kann: mit ihrer etwas tieferen, aber kecken Stimme und ihrer ehrlichen Art. Frei Schnauze, aber niemals unsensibel. Und dem Gefühl für den richtigen Moment, wenn mal ein Lachen gebraucht wird.

„In der langen Zeit des Wartens passiert einfach viel und den Patienten geht es nicht unbedingt besser. Auf eine Niere zu warten, kann sehr belastend sein.“ Da erfährt Conny Reichert natürlich auch viele persönliche Schicksale. So hat sie auch schon Ehen zerbrechen sehen oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Aber sie sieht natürlich auch die schönen Dinge. „Gleich in meiner allerersten Woche in der Klinik, als ohnehin noch alles neu und aufregend für mich war, kam eine kleine, ältere, mir völlig unbekannte Dame, fiel mir in die Arme und weinte vor Glück. Denn zum ersten Mal seit zehn Jahren konnte sie wieder Wasser lassen“, berichtet Conny Reichert. „Das war für mich ein absolut einschneidendes Erlebnis und das im positivsten Sinn.“

Wie eine große Familie

Eine ihrer schönsten Aufgaben ist es, einmal im Jahr ein Patientenseminar zu organisieren. Dort treffen sich ehemalige und aktuelle Patienten und Angehörige und tauschen sich über ihre Erlebnisse aus: Manche haben schon eine neue Niere erhalten, andere warten noch auf ihr Organ. Conny Reichert ist es wichtig, den Betroffenen eine Plattform zu geben. Denn geteiltes Leid ist halbes Leid und viele Lebensgeschichten können auch Mut machen. Außerdem gibt es Gelegenheit, sich tatsächlich zu sehen und nicht nur am Telefon zu hören. „Das hat dann schon eine richtig familiäre Atmosphäre“, freut sie sich über das Zusammenkommen. Da hat sie dann auch Zeit, mit den Menschen zu plaudern und sich über die Familie auszutauschen.

Schaltstelle zwischen Medizin und Patient

Auch wenn Conny Reichert gar keine medizinische Ausbildung genossen hat – sie ist gelernte Kauffrau für Bürokommunikation – ist sie im Grunde selbst schon so etwas wie eine „Nierenexpertin“ und kennt die Bedeutung von Blutwerten genau, mit denen die meisten Menschen im Leben nie etwas zu tun haben werden. Bei ihren Gesprächen mit den ärztlichen Kollegen am UKJ oder den Dialyseschwestern fliegen die Fachbegriffe und Abkürzungen nur so durch den Raum. Da ist in jedem Fall eine Frau am Werk, die ihre Arbeitswelt versteht.

Aber: Sie kann natürlich auch mühelos ganz ohne medizinischen Fachjargon. Zum Beispiel in der Transplantationssprechstunde. Da überlässt sie selbstverständlich den Ärzten das Medizinische. Und während diese ihre Patienten über den Eingriff aufklären und ihnen erzählen, welche Risiken bestehen und welche Medikamente sie später einnehmen müssen, „übersetzt“ Conny Reichert quasi die Dinge, die für den Alltag wichtig sind. Immer erreichbar sein, immer mitteilen, wo sie sich aufhalten. Immer die Daten wie Telefonnummern und Kontaktpersonen aktuell halten. Und immer dran denken: Wenn es Fragen oder Probleme gibt, einfach durchklingeln. Und eines Tages kommt dann hoffentlich der schönste Anruf. Und den lässt sich Conny Reichert nicht nehmen, wenn sie die Chance dazu hat: „Wir haben eine neue Niere für Sie!“

Katrin Bogner

Zahlen & Fakten zum Nierentransplantationsprogramm am UKJ

1990:
erste Nierentransplantation an einem Erwachsenen

1993: erste Transplantation bei einem Kind

1996: erste Nierentransplantation als Lebendspende

2008: erste Blutgruppen-inkompatible Transplantation

1548 Nierentransplantationen insgesamt

30 bis 50 Nieren werden pro Jahr transplantiert

Ca. 200 Patienten stehen derzeit auf der Warteliste

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