Nach einer Erholungsrally befinden wir uns nach wie vor in der letzten Phase einer Entwicklung, in der die Marktteilnehmer vom kurzfristigen Realismus zu Glaube und Hoffnung umschwenken. Zu dieser Einschätzung kommt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management. Diese Hoffnung könne noch bis in den September oder Oktober hinein andauern. Entscheidend dafür seien bessere Daten – insbesondere, weil die neuen Maßnahmen des US-Präsidenten Wirkung zeigten. „Historisch betrachtet haben wir bereits für den Herbst eine Zeit der Abrechnung erwartet. Hintergrund ist, dass einige Krisen wie beispielsweise die große Finanzkrise und auch der Börsen-Crash 1987 in diesem Zeitraum begannen. Viele Market Maker schließen ihre Bücher deshalb bereits im August. Weniger liquide Anlageklassen könnten sich deshalb als sehr anfällig erweisen“, meint Galy. 

Auswirkungen

„Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass diese Rally noch eine Weile anhalten wird. Sollten Wachstumstitel neue Höchststände erreichen, raten wir dennoch zu umsichtigen Gewinnmitnahmen. Die Korrelationen zwischen den einzelnen Anlageklassen sind hoch und die Risikoprämien in mehreren Anlageklassen eng, was typisch für einen fortgeschrittenen Carry Trade ist“, veranschaulicht Galy. Der Markteinbruch, auf den viele warten, dürfte nur von kurzer Dauer sein. Hier trenne sich allerdings die Spreu vom Weizen, da deutliche Unterschiede zwischen Asset-Klassen, Sektoren und Titeln auftreten dürften. Dies mache eine gründliche Analyse von Sektoren, Titeln und Wirtschaftstrends durch Analysten und Portfoliomanager so wichtig. Da das Risiko recht schnell nachlassen werde, dürfte sich wahrscheinlich die Qualität als Teil von Wachstumsaktien und zyklischen Werten verbessern. 

Das Scheitern der Verhandlungen zum US-Konjunkturpaket

Die Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern über ein neues Finanzpaket sind gescheitert. Uneinigkeit herrschte sowohl über die Größe des Pakets als auch über die Zuordnung: Die Demokraten drängten auf eine finanzielle Unterstützung aufgrund der Corona-Pandemie, der Präsident bevorzugte ein neues FBI-Gebäude und die Republikaner bestanden darauf, das wöchentliche Arbeitslosengeld zu senken. „Um die Initiative nach wochenlangem Taumeln zu ergreifen, unterzeichnete der Präsident eine Reihe von Verordnungen, die möglicherweise verfassungswidrig sind. Dieser Deus ex Machina-Moment war schon lange erwartet worden. Trump ordnete eine Stundung der Lohnsteuer und der Studienkredite an, um den kurzfristigen Liquiditätsbedarf der Beschäftigten zu decken“, sagt der Senior-Makrostratege. Trump reduzierte zudem die wöchentliche Arbeitslosenunterstützung von 600 auf 400 US-Dollar und forderte die Gouverneure auf, 100 US-Dollar unter Verwendung eines Teils des CRF (Corona Relief Fund) bereitzustellen, während die restlichen 300 US-Dollar von der Regierung über den DRF (Disaster Relief Fund) finanziert werden sollten. Dies habe zur Folge, dass das US-Finanzministerium mehr als ursprünglich erwartet ausgeben müsse. Die Tatsache, dass einige Maßnahmen nicht umgesetzt werden konnten, macht die Berechnung komplizierter.

Auswirkungen

„Der Markt wird sich über eine gewisse Erleichterung freuen, auch wenn dies kaum Auswirkungen auf die Wahlen in den USA haben dürfte. Angesichts einer Wählerschaft, die sich zum Teil in einer tiefen finanziellen Notlage befindet, werden die Demokraten wahrscheinlich schnell nachgeben, nachdem sie sich bereits damit abgefunden haben, den Stimulus auf eine Billion Dollar zu reduzieren“, meint Galy. 

Probleme in der Türkei

Derzeit ist eine mangelnde Abdeckung der Türkei durch Sell-Side-Analysten festzustellen. Wenn auch nur in einem geringen Maße setzt die seit Langem erwartete Abwertung der Lira ein. „Ein Grund für den Verkauf der Lira ist, dass die Türkei weitgehend keine Devisenreserven mehr aufweisen kann, da sie sich auf Zwangseinlagen von US-Dollar bei der Zentralbank verlässt. Als ein ziemlich effizientes Instrument hat die Türkei in der Vergangenheit auf moralisches Zureden gesetzt. Doch die Lage gestaltet sich als schwierig. Infolgedessen hat die Bankenaufsicht BDDK einige der Bedingungen für Geschäftsbanken und islamische Finanzinstitute gelockert, um die Höhe der ausländischen Vermögenswerte zu nutzen. Solche Entwicklungen sind symptomatisch für eine tiefgreifende Krise, die sich auf die Bilanzen der Banken auswirkt“, sagt der Senior-Makrostratege. Die Türkei habe als Tor zu Europa viel zu bieten, aber sie scheitere an ESG-Themen. „Dementsprechend sind wir bis auf wenige Positionen nicht in der Türkei investiert. Langfristig sind andere Schwellenländer attraktiver, die im Bereich ESG gut abschneiden. Sie werden in der Regel besser verwaltet und nähern sich fortgeschrittenen Volkswirtschaften an, wie es Japan, Südkorea, Singapur und Taiwan in der Vergangenheit getan haben“, so Galy. 

Auswirkungen

Die Tatsache, dass eine einzelne Bewertung nicht so stark falle wie die Lira, bedeute nicht, dass es keine Krise gebe und dass die Türkei aus dem Gröbsten heraus sei. Diejenigen, die die Lira verkaufen möchten, werden dies nicht aus eigenem Antrieb tun. Vielmehr könnte die Situation so unhaltbar werden, dass offiziell Kapitalkontrollen eingeführt werden. Die Türkei böte zwar langfristig eine wirtschaftlich attraktive Investmentmöglichkeit. Dennoch durchlebe sie eine sehr schwierige Zeit. Bekanntermaßen führe die Berücksichtigung von ESG-Kriterien allerdings dazu, das Risiko zu mäßigen. 

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*Quelle: Nordea Investment Funds, S.A., 30.06.2020

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