Der Radentscheid Rostock hatte zu der Fahrradtour speziell für Kinder eingeladen, um für eine kinderfreundliche Fahrradstadt zu demonstrieren. Marie Heidenreich vom Radentscheid Rostock sagte zu Beginn der Demo auf dem Doberaner Platz: „Autos haben in Rostock viel zu viel Platz. Dabei brauchen wir dringend mehr Radwege. Wir wollen nicht, dass Radfahrerinnen und Radfahrer auf der Fahrbahn mit den Autos fahren müssen, sondern fordern eigene vom Autoverkehr getrennte Radwege, auf denen auch Kinder sicher Radfahren können!“
Die Kidical Mass ist eine Demo in Anlehnung an die „Critical Mass“. “Die Kidical Mass ist eine Art Critical Mass für Kinder – nur viel kürzer”, erläutert Annika Haß vom Radentscheid Rostock. Bei dieser Aktionsform treffen sich Radfahrer weltweit an jedem letzten Freitag im Monat, um bessere Radfahrbedingungen einzufordern. Die Critical Mass ist eine kreative Form des Straßenprotests, bei der sich mehrere Fahrradfahrer scheinbar zufällig treffen, um gemeinsam durch Städte zu fahren und nach dem Motto “Wir blockieren den Verkehr nicht – wir SIND Verkehr!” auf ihre Gleichberechtigung gegenüber dem motorisierten Verkehr aufmerksam zu machen. Anders als die Critical Mass hatte der Radentscheid Rostock die Kidical Mass jedoch als Demo angemeldet und wurde somit von mehreren Polizeiautos und -motorrädern begleitet. Auch Kinder unter acht Jahren konnten teilnehmen, die sonst nicht auf der Fahrbahn fahren dürfen. Da zwei Kilometer für die jüngsten Teilnehmer nicht wenig sind, fuhren die Radfahrer ein sehr niedriges Tempo um die 12 km/h So konnten alle Kinder mithalten – egal, ob im Lastenrad, auf dem Kindersitz, im Fahrradanhänger oder schon auf dem eigenen Fahrrad.
Kinder und Erwachsene fuhren gemeinsam eine gemütliche und kinderfreundliche Route durch Rostock. Vom Doberaner Platz ging es laut klingelnd über den Kabutzenhof zum Holbeinplatz. Vor dem Ostseestadion legten die großen und kleinen Radfahrer eine Trinkpause ein, bevor es zur Polizeiwache in der Ulmenstraße ging. Das Ziel war nicht zufällig gewählt, erklärt Annika Haß: „Hier gab es auf Höhe der S-Bahn-Brücke früher eine Ampel. Die ist nun weg, was es für Kinder viel gefährlicher macht, die Ulmenstraße zu überqueren. Wir brauchen aber einen sicheren Übergang, weil hier ein Schulweg ist.“ So sahen das auch die teilnehmenden Eltern, die teilweise von haarsträubenden Situationen berichteten, die sie im Rostocker Verkehr erlebten.
“Kinder müssen in der Stadt alleine Fahrrad fahren können und Eltern sollen sich dabei sicher fühlen”, so Heidenreich. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Radentscheid Rostock zehn Forderungen formuliert, die das Radfahren in Rostock sicherer machen sollen. Nachdem im vergangenen Jahr 8366 Rostocker dem Radentscheid ihre Unterschrift gaben, übernahm die Bürgerschaft im November 2019 die zehn Ziele des Radentscheids. Laut Heidenreich habe sich seither aber zu wenig getan: „Noch immer gibt es viele für Radfahrerinnen und Radfahrer sehr gefährliche Stellen in Rostock, wo Autos dem Radverkehr zu nah kommen. Radfahrstreifen führen oft zu nah an parkenden Autos vorbei, sind zu schmal und zusätzlich noch zugeparkt“, so Heidenreich. Der Radentscheid appelliert mit der Kidical Mass an die Stadt Rostock, dringend Gefahrenstellen wie die Carl-Hopp-Straße mit dem plötzlich endenden Radweg, die Doberaner Straße und die Waldemarstraße mit ihren zugeparkten Ecken, die Hundertmännerbrücke und die Karl-Marx-Straße mit ihren fehlenden Radwegen auszuräumen. Außerdem fordert der Radentscheid Rostock, gemeinsame Grünphasen für Fußverkehr und Radverkehr sowie Abbieger abzuschaffen, um Unfälle zu vermeiden.
Trotz der sengenden Hitze herrschte unter den radelnden Kindern eine tolle Stimmung: Sie klingelten, spielten im Lastenrad sitzend Mundharmonika, sangen und riefen lautstark „Fahrradstadt – Rostock!“ Am Ende der Demo hoben einige Kinder wie bei einer echten Critical Mass ihr Fahrrad für das Abschlussfoto über den Kopf. Dann winkten sie den drei Polizeimotorrädern hinterher und fuhren nach Hause – nun wieder auf dem Gehweg.
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