„Bei aller Euphorie über das aktuell gefeierte Organisationsprinzip agile Verwaltung muss berechtigterweise auch nach den Verlierern des neuen Ansatzes gefragt werden“, äußert Dindorf. Dies mag nicht populär sein doch zur Ausgewogenheit maßgeblich.
Ein Patentrezept für die agile Transformation einer kompletten Stadtverwaltung gibt es nicht. Eher ist davon auszugehen, dass es zwei Betriebssysteme in der Kommunalverwaltung geben wird.
Ein Organisationsteil arbeitet den profanen Verwaltungsbereich fehlerfrei, zuverlässig und ohne Experimente ab. „Welcher Bürger möchte schließlich einen Beta-Bescheid erhalten?“, fragt der Führungskräfteberater für strategisches Personalmanagement Dindorf.
Der andere Organisationsteil in der Kreisverwaltung arbeitet mit SCRUM, Kanban, Design Thinking, Hackathons usw. Doch welcher Bereich übt wohl die größere Anziehungskraft aus? Wer zählt sich im agilen Alltag einer Landesverwaltung vor diesem Hintergrund zu den Gewinnern/Verlierern?
Einzigartig und singulär sind Projektarbeit, Fehlerkultur, Innovationsbereitschaft, Retrospektiven, Lean Coffees etc. im agilen Sektor einer Rentenversicherung. „Da gewinnt man Prestige, stärkt die intrinsische Motivation, gewinnt an Einfluss, steigt in der Hierarchie auf“, sagt Rolf Dindorf. Den richtigen Spielzug macht somit jener Beschäftigte im öffentlichen Sektor, der in diese Projektgruppen wechselt.
Doch der Fallstrick droht jenen Mitarbeitenden in öffentlichen Einrichtungen, die für Stabilität, Verbindlichkeit und Umsetzung der Vorgaben arbeiten. Eben jenes Standardisierte und Regulierte, dass kein Sozialprestige verheißt. Bürgercenter, Führerscheinstelle, Standesamt, Förster, Krankenpflegerin, Friedhofsgärtner, Hausmeisterin, …
In diesen systemrelevanten Berufen ist wenig Prestige zu gewinnen. „Verfolgt man die Diskussion um die agile Verwaltung stehen diese Berufsgruppen selten im Blick“, kritisiert Dindorf.
Agilität im öffentlichen Sektor muss ganzheitlich gedacht werden. Ein strategisches Personalmanagement muss potenzielle Gewinner und Verlierer berücksichtigen.
Rolf Dindorf – Führungskräfteberater
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