Nach einer verheerenden Woche in Berlin mit vier getöteten ungeschützten Verkehrsteilnehmenden schlagen Changing Cities und ADFC Berlin gemeinsam kurzfristige Maßnahmen vor, die die Verkehrssicherheit in der Stadt erhöhen. Darunter befinden sich Vorschläge zur Einrichtung einer Task Force „Verkehrssicherheit“ sowie der konsequenten Ermittlung bei Fuhrunternehmen nach Verkehrsunfällen mit Schwerverletzten oder Getöteten.

Die beiden Verbände, die das Mobilitätsgesetz mitverhandelt haben, schlagen Alarm: Sie fordern, dass Verwaltung, Politik und Polizei gemeinsam agieren, um der katastrophalen Entwicklung auf den Berliner Straßen Einhalt zu gebieten. „Wir erwarten jetzt vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller, dem für die Sicherheit in der Stadt verantwortlichen Senator Andreas Geisel und der Verkehrssenatorin Regine Günther eine gemeinsame konzertierte Aktion, um das Töten auf den Berliner Straßen zu beenden“, fordert Frank Masurat, Vorstand ADFC Berlin.

Die langfristigen Ziele, wie verpflichtende Einführung des Lkw-Abbiegeassistenten (ab 2024 für Lkw-Neuzulassungen verpflichtend) und Höchstgeschwindigkeit Tempo 30, bleiben davon unberührt, denn sie sind ohnehin unabdingbar für das Erreichen der Vision Zero: Null Verkehrstote und Schwerverletzte. 

Kurzfristige Maßnahmen zur Reduktion der Verkehrsunfälle in Berlin: 

1. Einrichtung einer Task Force „Verkehrssicherheit“ durch den Regierenden Bürgermeister. Deren Aufgaben sollen sein:
>> Sichere Gestaltung einer definierten Anzahl von Kreuzungen (getrennte Signalisierung für Rad- und Fußverkehr einerseits und Kfz-Verkehr andererseits).
>> Knotenpunkte, an denen sich in den vergangenen 2 Jahren Lkw-Unfälle mit Schwerverletzten oder Getöteten ereigneten, erhalten sofort getrennte Signalisierung. Bis zur Umgestaltung soll ein Rechtsabbiegeverbot eingeführt und konsequent überwacht werden.
>> Sofortiger Rückbau von zweistreifigen Abbiegern, sofern keine getrennte Signalisierung für ungeschützte Verkehrsteilnehmende implementiert ist.
>> Sofortige Wegnahme von Überholspuren auf Hauptverkehrsstraßen der 2. und 3. Ordnung (rot und grün auf der Karte); Einstreifigkeit führt zu regelmäßigerem Verkehrsfluss und reduziert somit das Unfallrisiko. Die freiwerdende Spur soll dem Rad- und öffentlichen Nahverkehr und Lieferzonen zur Verfügung gestellt werden.
>> Ausweitung von Tempo 30 (z. B. zeitliche Begrenzung aufheben) und konsequente, kontinuierliche Kontrolle.

2. Neues Paradigma: Unfallstellen, deren Infrastruktur maßgeblich mitursächlich für einen Unfall war, dürfen nicht wieder „in Betrieb“ gehen (Sperrung der Kreuzung, Rechtsabbiegeverbot o. ä., bis die Unfallstelle sicherer gestaltet wurde). Hierzu müssen auch ad hoc Anordnungen getroffen werden können, deren Einhaltung unverzüglich und kontinuierlich polizeilich überwacht werden muss.  

3. Quantifizierung der Vision-Zero-Ziele. Welche Maßnahmen müssen an welchen Orten in welchem Zeitraum ausgeführt werden, damit die Zahl der Verkehrstoten zurückgeht? Ohne eine solche überprüfbare Zielbeschreibung wird die Erreichung von Vision Zero dem Zufall überlassen. 

4. Konsequentes Ermitteln nach Unfällen mit Schwerverletzten oder Getöteten durch die Staatsanwaltschaft: Sofortige Überprüfung von Fahrer*in auf Fahrtauglichkeit am Unfallort (Gesundheitszustand, berauschende Substanzen, Medikamenteneinfluss, Sehhilfen), sofortige Überprüfung des Fahrzeugs und von Kommunikationsgeräten (Handy-/Navibedienung). Bei beruflich tätigen Kraftfahrer*innen ebenfalls komplette Überprüfung des Betriebs: Dienstpläne, Sicherheitsmanagement, Fahrtenschreiber, Wartungsintervalle, Dokumentationspflichten, Buchhaltung, Sorgfaltspflichten der Arbeitgeber*innen etc., gegebenenfalls zeitweise Stilllegung des Betriebs, wie bei sicherheitsrelevanten Betriebsunfällen nicht unüblich.

Über den Changing Cities e.V.

Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad, ein Projekt von Changing Cities: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berliner*innen unterschrieben – 7 Prozent der Wähler*innenstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.

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