Der Gesetzgeber darf Anreize zur Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden setzen. Dazu gehören auch Öffnungsklauseln, die nur tarifgebundene Unternehmen nutzen können. Diese würden künftig verhindern, dass Unternehmen ohne Tarifbindung mögliche für sie vorteilhafte Aspekte von Tarifverträgen herauspicken, ohne die damit verbundenen Verpflichtungen einzugehen und ihren Beschäftigten die Vorteile der Tarifbindung zu gewähren. Das zeigt ein neues Gutachten von Prof. Dr. Thorsten Kingreen für das Hugo Sinzheimer Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*

Die Tarifbindung erodiert. Deshalb wird zunehmend debattiert, wie auch ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden kann, um die Tarifautonomie und die Verbände zu stärken. Im Zentrum stehen dabei Überlegungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie das Eingehen von Tarifbindung mit exklusiven Vorteilen zu verknüpfen. Arbeitgeber führen hiergegen regelmäßig die so genannte "negative Koalitionsfreiheit" ins Feld. Das ist das ebenfalls durch die Verfassung geschützte Recht, einer Koalition fern zu bleiben. Der Rechtswissenschaftler Kingreen, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, kommt in seinem Gutachten jedoch zu dem Ergebnis, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken unbegründet sind. Nach Analyse des Juraprofessors hat der Gesetzgeber großen Spielraum, wenn er das Ziel verfolgt, die Tarifautonomie zu stärken.

In seinem Gutachten zeigt Kingreen das am Beispiel sogenannter Tariföffnungsklauseln. Mit diesen räumt der Gesetzgeber in bestimmten Fällen den Tarifvertragsparteien das Recht ein, einzelne arbeitsrechtliche Vorgaben branchen- oder betriebsspezifisch zu modifizieren. Für die Tarifautonomie sei dies jedoch nur dann ein Gewinn, wenn diese Möglichkeit ein Privileg tarifgebundener Arbeitgeber ist, die ihren Beschäftigten alle Vorzüge der Tarifbindung gewähren, argumentiert der Rechtswissenschaftler. "Exklusive" Öffnungsklauseln, von denen nur tarifgebundene Arbeitgeber Gebrauch machen können, würden verhindern, dass Unternehmen ohne Tarifbindung die für sie vorteilhaften Aspekte von Tarifverträgen herauspicken, ohne die damit verbundenen Verpflichtungen einzugehen und ihren Beschäftigten die Vorteile der Tarifbindung zu gewähren. Kingreen schlägt vor, gesetzliche Tariföffnungsklauseln mit einer Regelung zu versehen, nach der die Tarifvertragsparteien das gesetzliche Niveau der Arbeitsbedingungen insgesamt nicht unterschreiten dürfen.

Die von der Arbeitgeberseite vorgebrachte Behauptung, dass mit solchen exklusiven Öffnungsklauseln ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit vorliege, hält Kingreen für unrichtig: Dass Einschränkungen dieses Grundrechts – etwa durch das Arbeitsrecht – grundsätzlich zulässig sind, sei unstrittig.

Auch einen unzulässigen Eingriff in die "negative Koalitionsfreiheit" sieht Kingreen nicht. Er argumentiert, dass es "zu schlicht" wäre, positive und negative Freiheit verfassungsrechtlich stets gleichzusetzen. Vielmehr, so der Experte, sei die positive Koalitionsfreiheit angewiesen auf rechtliche Regelungen, die ein funktionsfähiges Tarifsystem gewährleisten. Dessen Ordnungsfunktion für das Arbeitsleben sei gefährdet, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden die Mitglieder ausgehen. "Der Gesetzgeber darf und muss die Koalitionen durch Instrumente schützen, die Anreize zur Mitgliedschaft und zur Stärkung der Tarifbindung setzen." Mit exklusiven Tariföffnungsklauseln mache der Gesetzgeber von seiner Ausgestaltungsbefugnis Gebrauch, die ihm die positive Koalitionsfreiheit auferlegt. Gerade die damit verbundene Ungleichbehandlung trage zur Stabilisierung des Tarifsystems bei.

*Thorsten Kingreen: Exklusive Tariföffnungsklauseln: Einfach-rechtliche Ausgestaltung und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, HSI-Schriftenreihe Band 35, zum Download: https://www.hugo-sinzheimer-institut.de/…

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