- City-Maut-Idee unausgegoren und nicht zu Ende gedacht
- ÖPNV durch Ausbau attraktiver, nicht durch Abkassieren der Autofahrer
- Privilegierte Minderheit ist alleiniger Profiteur, breite Bevölkerung trägt Lasten
Mit klaren Worten reagiert jetzt der Automobilclub von Deutschland (AvD) auf den Vorschlag des Ifo Instituts zur Einführung einer City-Maut für München. Der Vorschlag, der gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Intraplan Consult gemacht und dessen Ausarbeitung von der IHK für München und Oberbayern finanziell unterstützt wurde, wirkt uninspiriert und wenig innovativ. Das Konzept, die Innenstadtgrenzen mit Zahlschranken zu überziehen, schien seit dem Mittelalter überwunden. In Wirklichkeit gehe es bei diesem weiteren Vorstoß eigentlich darum, den klammen öffentlichen Kassen neue Einnahmequellen zu erschließen.
Bereits die 2003 eingeführte Londoner „Congestion Charge“ hat bewiesen, dass eine derartige Abgabe keineswegs zu einer Reduzierung von Staus oder einer Verbesserung der Luftqualität innerhalb des bemauteten Stadtbereichs führt. Die einzige Verbesserung durch die Londoner Stauabgabe ist auf der Einnahmenseite des Stadtkämmerers zu verbuchen. Hingegen ist die Nachfrage nach innerstädtischen Wohnlagen durch Einführung der „Congestion Charge“ nochmals befeuert worden, was zu einer weiteren Verteuerung des Wohnraums geführt hat. Seither ist wohnen in der Londoner City für Normalverdiener nahezu unerschwinglich. Die Idee, den Bereich der Innenstadt für den Autoverkehr zu bemauten, mag im Interesse jener privilegierten Minderheit liegen, die sich die entsprechenden Wohnlagen leisten können, die Zeche zahlen jedoch letztlich alle übrigen Bevölkerungsschichten. Als Lehre aus Corona muss endlich die Einsicht stehen, dass städtischer Autoverkehr einen Beitrag zur Lebensqualität vieler Menschen leistet und nicht per se negativ ist.
ÖPNV wird nicht durch Belastung für Autofahrer, sondern verbessertes Angebot relevanter
Auch ist es nach Auffassung des Automobilclub von Deutschland unredlich zu argumentieren, eine City-Maut führe zu einer vermehrten Nutzung des ÖPNV. Wer das behauptet, zäumt das Pferd von hinten auf. Über einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel denken viele Pendler erst bei einer Verbesserung des ÖPNV-Angebots nach. Schließlich operieren Bahn- und Bus-Verkehr in München, wie auch in allen anderen deutschen Großstädten während der Stoßzeiten bereits mitunter jenseits der Auslastungsgrenzen. Zwar verfügt die bayerische Landeshauptstadt im Vergleich zu anderen nationalen Ballungsräumen spätestens seit Anfang der 1970er über eines der besten ÖPNV-Angebote, doch haben die Verantwortlichen in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, dessen Leistungsfähigkeit in einem Maße weiter auszubauen, dass mit dem städtischen Wachstum und der Zunahme der Einwohnerzahlen mithalten kann. Den Autoverkehr nun mit neuen, zusätzlichen Kosten zu belasten, macht den ÖPNV weder leistungsfähiger noch die Nutzung für Pendler interessanter. Zumal, weil die Einnahmen nur zu einem Teil dem ÖPNV-Ausbau zufließen werden. Denn bereits die Maut-Überwachung und die Verfolgung möglicher Mautpreller sind mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Dass sich bereits jetzt weitere Interessengruppen in Stellung bringen, um im Verteilungskampf um die Mauterträge erfolgreich zu sein, zeigt der Vorschlag, einen Teil der Einnahmen zur Abmilderung sozialer Härten einzusetzen. Allein diese Gemengelage entlarvt die ganze Unausgegorenheit des Vorschlags „City-Maut“.
Der AvD weist darauf hin, dass sich die Lenkungswirkung von künstlichen Preiserhöhungen durch Steuern in der Praxis zumeist als Ammenmärchen entpuppt hat, wie zum Beispiel die Sektsteuer, die Tabaksteuer, die Mineralölsteuer, die Ökosteuer, die Biersteuer oder die Kaffeesteuer belegen. Die Sektsteuer, einst zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt, hatte keinerlei Rückgang des Schaumweinkonsums zur Folge. Und obwohl des Kaisers Marine längst auf dem Meeresboden ruht, existiert diese vermeintlich „anlassbezogene“ Steuer noch heute.
Stadt als Datenkrake macht Bürger gläsern
Die Umsetzung derartiger Modelle ist nicht ohne großflächige Verkehrsüberwachungen und die Erfassung ungeheurer Datenmengen von Einwohnern, Pendlern und touristischen Besuchern denkbar. Um der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) zu entsprechen, wäre es erforderlich, dass jede Person, die in den bemauteten Bereich der Innenstadt mit dem Auto einfahren möchte, zunächst der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der erfassten Daten zustimmt, denn bereits ein Kfz-Kennzeichen ist personenbezogen. Auch müsste sich jeder potenziell Betroffene dem Datenabgleich der erfassten Kennzeichendaten mit den Datenbanken der Straßenverkehrsämter einverstanden erklären. Denn ohne die entsprechenden Abgleiche wären die städtischen Behörden nicht in der Lage, eventuelle Mautpreller zu identifizieren. Aus der Sicht des Datenschutzes ergibt sich hier ein höchst fragwürdiges Szenario. Zumal bereits der Zugriff der Behörden, insbesondere im Freistaat Bayern, auf die in Gastronomie-Betrieben erhobenen Daten der Gäste ein nicht immer dem Datenschutz verpflichtetes Handeln offenbart. Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“.
Steigerung der sozialen Ungleichheit und deren Sichtbarmachung
Ebenfalls kaum nachvollziehbar ist das Argument, eine City-Maut sei weniger unsozial als beispielsweise ein Diesel-Fahrverbot. Nach Auffassung des Automobilclub von Deutschland ist genau das Gegenteil richtig: Eine City-Maut belastet Menschen mit normalen und niedrigen Einkommen erheblich stärker als die Bezieher hoher Einkommen – und zwar dauerhaft. Schon heute sind Normalverdiener kaum noch in der Lage sich eine City-Wohnlage zu leisten und gezwungen, ihren Wohnort mehr und mehr an den Stadtrand bzw. in die Vororte zu verlegen. Ein Resultat der verfehlten Struktur- und Wohnungsbaupolitik dieser und ihrer Vorgänger-Regierungen. Der einzige gesellschaftliche Effekt, der durch die Einführung einer City-Maut entsteht, ist die Steigerung der sozialen Ungleichheit und die Förderung deren optischer Erkennbarkeit im Straßenverkehr.
Vermeintliches Plus wird sich mittelfristig als deftiges Minus entpuppen
Die Hoffnung, der Wirtschaftsstandort werde durch eine City-Maut „noch attraktiver und produktiver“, dürfte sich bald als unerreichbare Utopie erweisen. Den Entscheidungsträgern in Städten und Gemeinden sollte bewusst sein, dass die Einführung einer City-Maut den innerstädtischen Einzelhandel, der in nicht unerheblichem Umfang auch von Konsumenten aus dem Umland lebt und bereits heute erheblich mit der Online-Konkurrenz zu kämpfen hat, weiter massiv unter Druck setzen wird. Schon mittelfristig werden daraus Geschäftsverlagerungen in neu entstehende Einkaufszentren am Stadtrand oder in Nachbargemeinden resultieren, die die Kunden mit kostenrfrreien Parkplätzen und ungehinderter Erreichbarkeit aus den Innenstadtlagen abziehen. Das wird Folgen für das Aufkommen an kommunalen Steuern haben, sodass aus dem kurzfristigen Plus in der Stadtkasse mittelfristig ein Minus wird.
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