So bewarben sich erstmals über 400 Nachwuchssänger*innen aus 47 Ländern, und für den großen Galaabend mit Preisvergabe war die geräumige TauberPhilharmonie in Weikersheim die ideale Location. Wegen der begrenzten Besucherzahl gab es keinen freien Kartenverkauf, doch für alle Opernfans gibt es Trost: Die Aufzeichnung des Konzerts wird am 27. September ab 20 Uhr in SWR2 ausgestrahlt.
Der in Bad Mergentheim aufgewachsene Fernsehmoderator und Journalist Felix Seibert-Daiker moderierte – wie schon vor zwei Jahren – die Gala, stellte die jungen Künstler mit viel Empathie vor und ließ so kein Lampenfieber vor den Auftritten aufkommen. Bei der Anmoderation atmete er einmal kräftig durch und meinte: „Es ist seit März das erste Mal, dass ich wieder auf der Bühne stehe und es fühlt sich wahnsinnig gut an.“
Jury war sich schnell einig
Prominent und vielfältig besetzt war die Jury, die ganz im Gegensatz zu vorherigen Wettbewerben und dem Liederabend am letzten Donnerstag ganz schnell „weißen Rauch“ aufsteigen und die Preisträger von der Vorsitzenden Anna Larsson (Schweden) verkünden ließ. Am Galaabend gab es auch von den weiteren Juroren Adrian Kelly (Dirigent und Leiter des Internationalen Opernstudios Zürich), Prof. Dr. Stephan Mösch (Musik- und Theaterwissenschaftler), Eitan Sorek (Sorek Artists Management), Prof. Gerd Uecker (ehem. Intendant der Semperoper Dresden), Eva Wagner-Pasquier (Theatermanagerin) und Casting Direktorin Evamaria Wieser kein langes Zaudern.
Schließlich hatte die Jury die jungen Künstler in der Wettbewerbswoche intensiv begleitet und ihre Stärken und Schwächen bereits kennengelernt. Aus 33 Teilnehmern schälten sich 16 Talente für das Semifinale heraus, unter denen sechs Finalisten zu finden waren.
Glücklich geschafft hatten es dann Freya Apffelstaedt (Südafrika), Karolina Bengtsson (Schweden), Dániel Foki (Ungarn) Katleho Mokhoabane (Südafrika), Niamh O‘Sullivan (Irland) und Modestas Sedlevicius (Litauen).
Orchester als sicheres Fundament
Bei den mit starker Bühnenpräsenz und zumeist harmonischen Klangfarben vorgetragenen Arien sorgte Generalmusikdirektor Enrico Calesso mit nur 36 Musikern für ein sicheres Fundament. Ein der Pandemie geschuldetes Novum war die Halbierung der Streichergruppe, die im klassischen Sinfonieorchester im Zentrum des Geschehens steht. Doch entsprach die Anzahl der Streicher zusammen mit den jeweils zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, Hörnern und Trompeten und den Pauken nahezu der Originalbesetzung, mit der Beethoven die dann folgende „Coriolan“-Ouvertüre c-Moll op.62 spielen ließ.
Mit der Auswahl dieser relativ selten gespielten Komposition ehrten die Philharmoniker den großen Komponisten, dessen 250. Geburtstag nicht nur beim diesjährigen, beträchtlich dezimierten Mozartfest in Würzburg zu kurz kam. Rund um den Erdball mussten ausgedehnte Feierlichkeiten abgesagt werden. Das Werk zu Collins gleichnamigem Trauerspiel ist die einzige Ouvertüre Beethovens, die tragisch endet und musikalisch das Schicksal des Helden Coriolan im Klassenkampf der Plebejer im alten Rom gegen die Patrizier thematisiert. Die zwischen Stolz, Trotz und Auflehnung schwankenden Gewissenskonflikte machten gegensätzliche Themen hörbar, bis schließlich der schuldbeladene Held düster-tragisch untergeht.
Beeindruckende Darbietungen der Finalisten
Absolut nicht untergegangen waren die Finalisten, die von Felix Seibert-Daiker vorgestellt wurden und rasch die Herzen der Zuhörer eroberten.
Als erster Sänger stellte sich der Ungar Dániel Foki, der aktuell zum Musiktheaterensemble des Staatstheaters Cottbus gehört, dem Urteil der Jury. Mit dem Rezitativ und der Arie “Hai già vinta la causa” des Graf Almaviva aus “Le Nozze di Figaro” von Mozart und der Arie des Sir Riccardo Forth “Or dove fuggo io mai” aus Bellinis Oper “I puritani” konnte er stimmsicher mit seinem kräftigen und zugleich samtigen Bariton hörbar machen, warum er am Donnerstag bereits zwei DEBUT-Liederpreise gewonnen hatte. Belohnt wurde er an diesem Abend mit Auftrittspreisen der Gottlob Frick Gesellschaft im Wert von 3.000 Euro.
Von der in Schweden geborenen, jetzt in Österreich lebenden Karolina Bengtsson wurden die Arie der Marzeline „O wär ich schon mit dir vereint“ aus Beethovens einziger Oper „Fidelio“ und die Arie der Pamina „Ach, ich fühl´s“ aus Mozarts „Die Zauberflöte“ mit einer überwältigenden Herzenswärme dargeboten. Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt reichte die Spannbreite der Gefühle, die so ansprechend mit einer lyrisch-klaren, fein abgestimmten Sopranstimme nachzuempfinden waren, dass die Jury die mit 23 Jahren jüngste Finalistin später auf Platz eins setzte und ihr die Goldene Viktoria nebst Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro zusprach.
Die derzeit an der Hochschule für Musik und Theater in München studierende irische Mezzosopranistin Niamh O`Sullivan stellte sich mit der Arie der Isabella „Cruda sorte“ aus Gioachino Rossinis Oper „“L`Italiana in Algier“ und der glutvoll gesungenen Arie der Carmen „L’amour est un oiseau rebelle“ aus dem 1. Akt von Georges Bizets Oper „Carmen“ vor. Letztere Auftrittsarie ist eine der berühmtesten und beliebtesten Stücke der Opernliteratur. Schon als die ersten Töne der Streicherbegleitung erklangen, gab es Zustimmung aus dem Publikum, das sich im nächsten Jahr auf ein Wiedersehen in Weikersheim freuen darf. Denn die bezaubernde O`Sullivan, die sich nach eigenem Bekenntnis im Schlosspark „wie eine Prinzessin“ fühlte, wurde ein Stipendium der Jeunesses Musicales Deutschland zugesprochen. Es ist mit einer Rolle im Rahmen „Junge Oper Schloss Weikersheim 2021“ verbunden und gespielt wird dann im Schlosshof, wen wundert´s, mit der Irin als „Carmen“, begleitet vom erstklassigen Bundesjugendorchester.
Als ausgesprochener Fan von Katleho Mokhoabane aus Südafrika outete sich der Moderator, nachdem er ihn am Liederabend gehört hatte. Scheinbar spielerisch leicht brachte der Tenor bei der Gala die Arie des Bemorino „Una furtiva lagrima“ aus Donizettis Oper „L´elisir d´amore“ zu Gehör. Glockenhell bis erdig-sonor reichte die Spannbreite des Tenors. Nachdem er beim Liederabend noch leer ausgegangen war, belohnte ihn die Jury für seine überzeugenden Darbietungen mit der Silbernen Viktoria und dem damit verbundenen Preisgeld von 7.500 Euro.
Die in Kapstadt geborene Freya Apffelstaedt studiert derzeit an der Hochschule für Musik und Theater München. Beim Felix-Mendelsssohn-Bartholdy Hochschulwettbewerb gewann sie in diesem Jahr den Zweiten Preis. Die Münchner Altistin sang lyrisch beseelt und sensibel die Arie der Olga „Ah, Tanja, Tanja!“ aus Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“ und die Arie der Charlotte „Va! Laisse couler mes larmes“ aus „Werther“ von Jules Massenet. Ihre Leistungen wurden mit dem Preis der Würzburger Herbert Hillmann und Margot Müller Stiftung in Höhe von 5.000 Euro belohnt.
Der letzte Auftritt an diesem Abend war ein begeisternder Abschluss der Gala. Seinem Traum von einer beruflichen Zukunft auf der Opernbühne und als Liedersänger kam der 33-jährige Litauer Modestas Sedlevicius nach einigen anderen erfolgreichen Wettbewerben noch näher. Mit seinem fulminanten Auftritt mit der Eigenlob-Arie des Figaro „Largo al factorum della città“ aus Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“ erntete er in der TauberPhilharmonie Beifallsstürme, weil er nicht nur phänomenal sang, sondern es spektakulär vermochte, mit ironischen Untertönen den Körper inklusive der Augenbrauen im Takt vibrieren zu lassen. So hat man wohl den „Figaro“ noch nie gesehen. Gleich zwei Preise konnte der Bariton einheimsen und so war es für ihn zu verschmerzen, dass es diesmal keinen Publikumspreis gab.
Modestas Sedlevicius gewann die Bronzene Viktoria, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro, und auf sein Rollendebüt am Mainfranken Theater kann sich Würzburg freuen. GMD Enrico Calesso überreichte ihm diesen Sonderpreis des Philharmonischen Orchesters.
Das Schlusswort des gelungenen Abends gehörte dem sichtlich tief berührten Dr. Manfred Wittenstein, Aufsichtsratsvorsitzender der Wittenstein SE und Initiator des 2002 realisierten Förderprojekts DEBUT: „Wir werden von der Kunst getragen; sie hilft uns zu überleben.“
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