Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) erinnert an die am vergangenen Freitag, den 18. September 2020, im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung verstorbene amerikanische Juristin Ruth Bader Ginsburg („RBG“). „Ruth Bader Ginsburg war ein Vorbild für feministische Juristinnen und alle Frauen weltweit. Wir verneigen uns vor ihrem Lebenswerk. Sie wird sehr fehlen.“, erklärt die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig. Der djb rief am Freitag dazu auf, unter dem Hashtag #RBGinspiration Erinnerungen und persönliche Geschichten über „RBG“ zu teilen, um zu zeigen, wie die Richterin des US Supreme Court Frauen weltweit inspirierte.

„Sie war eine vorbildliche Frau, Juristin und Richterin, eine Vorkämpferin für all unsere Rechte. Zierlich an Gestalt, aber eine Riesin in der amerikanischen Rechtslandschaft. Wir ehren Ruth Bader Ginsburg, indem wir an ihrer Stelle weiterkämpfen, mit Hartnäckigkeit, Ausdauer und ihrem notorischen: ,I dissent!‘“, so Dr. Nikola Koritz, Vorsitzende der djb Regionalgruppe Washington D.C.

Ruth Bader Ginsburg war wohl die bekannteste Richterin des US Supreme Court, des Obersten Gerichtshofs der USA. Geboren am 15. März 1933 begann sie 1956 ihr Jura-Studium an der Harvard Law School als eine von nur neun Frauen unter über 500 Männern. Während eines Abendessens, zu dem der Dekan alle Studentinnen ihres Jahrgangs eingeladen hatte, stellte er ihnen die diskriminierende Frage, wie sie es rechtfertigen könnten, den Platz eines Mannes einzunehmen. Bader Ginsburg ließ sich davon keineswegs entmutigen. Sie wurde eine exzellente Studentin und als eine von zwei Frauen Mitarbeiterin der Harvard Law Review. 1959 graduierte sie an der Columbia University School of Law als eine der Besten ihres Jahrgangs. Dennoch scheiterten ihre ersten Versuche, eine Anstellung in einer Anwaltskanzlei zu erhalten, weil sie eine Frau war. Bader Ginsburg arbeitete zunächst als Mitarbeiterin am United States District Court for the Southern District of New York. Nach einem Forschungsprojekt über das schwedische Rechtssystem erhielt sie 1963 eine Professur an der Rutgers Law School, 1972 dann als erste Professorin an der Columbia Law School. Im April 1980 wurde sie zur Richterin am Bundesberufungsgericht für den District of Columbia (U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit) ernannt. Im Juni 1993 folgte ihre Ernennung zur Richterin am Supreme Court. Der Senat bestätigte ihre Nominierung mit 96 zu 3 Stimmen. Sie war nach Sandra Day O‘Connor erst die zweite Frau, die in dieses Amt berufen wurde.

Stets war Ruth Bader Ginsburg eine Streiterin gegen Diskriminierung aufgrund des Ge-schlechts. Bereits während ihrer Zeit an der Rutgers Law School begann sie, sich mit Frauen im Recht auseinanderzusetzen. Im Juni 1971 schrieb sie als Anwältin ihre erste Klageschrift in einem Verfahren vor dem Supreme Court, in dem es um die gleiche Fähigkeit von Frauen und Männern zur Verwaltung von Vermögen ging (Reed v. Reed). 1972 wurde sie Mitbegründerin des Frauenrechtsprojekts der American Civil Liberties Union (ACLU) und führte in der Folgezeit meist erfolgreich Diskriminierungsfälle bis vor den Obersten Gerichtshof. 1974 erschien ihr Casebook über Geschlechterdiskriminierung. Bader Ginsburg ist es zu verdanken, dass Frauen in den USA bei einer Schwangerschaft nicht mehr gekündigt werden kann, dass sie Zugang zu den Militärakademien und besseren Schutz vor häuslicher Gewalt haben und Kinder auch als Alleinstehende adoptieren können.

Auch als Richterin am Supreme Court war sie an wichtigen Entscheidungen gegen Diskriminierung beteiligt, wie etwa zum Abtreibungsrecht oder zu Rechten Homosexueller. Auch wenn Bader Ginsburg von sich selbst gesagt hat, dass sie sich nicht in der Rolle der Abweichlerin („the role of a great dissenter“) sehe, sondern versuche, vier weitere Stimmen für ihre Position zu erhalten, werden die Worte „I dissent“ später zu einer Art Markenzeichen Bader Ginsburgs. Sie erreichte mit ihren Sondervoten u. a. Rechtsänderungen (Lilly Ledbetter Fair Pay Act), die die Gerichtsentscheidung selbst nicht erzwungen hätte. Auch in anderen Rechtsfragen – etwa zur Todesstrafe – vertrat sie liberale Positionen.

“Someone who used whatever talent she had to do her work to the very best of her ability. And to help repair tears in her society, to make things a little better through the use of whatever ability she has.“1 Diese Antwort gab Ruth Bader Ginsburg, als sie 2015 in einem Interview gefragt wurde, wie sie in Erinnerung bleiben wolle. Schon heute ist sie eine Ikone. In den letzten Jahren erhielt sie Kultstatus – „Notorious RBG“ wird zur Marke. Eine Dokumentation („RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“) sowie ein Spielfilm („Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“), beide 2018 erschienen, zeichnen ihr Leben nach.

1 Zit. nach Carmon/Knizhnik, Notorious RBG, New York 2015, S. 169; Übersetzung: „Eine, die jedes ihrer Talente nutzte, um ihre Arbeit so gut als möglich zu tun. Die half, Risse in der Gesellschaft zu reparieren, die die Dinge ein wenig besser macht, indem sie alle ihr zur Verfügung stehenden Fähigkeiten nutzt.“

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