Die Jury des diesjährigen Kunstpreises der Böttcherstraße in Bremen spricht der Künstlerin Ulrike Müller (vorgeschlagen von Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle Bremen) den mit 30.000 Euro dotierten Preis zu. Die Werke der Preisträgerin sowie der weiteren neun nominierten Künstler*innen sind noch bis zum 1. November in der Kunsthalle zu sehen.

Die Künstlerin Ulrike Müller (geboren 1971 in Brixlegg / Österreich, lebt in New York City / USA) präsentiert in der Kunsthalle Bremen mehrere Wandarbeiten.

Das Zusammenspiel von klarer Linie und Farbvariation kennzeichnet die Arbeiten von Ulrike Müller. Dafür bedient sie sich nicht der traditionellen Materialien der Malerei, wie Öl auf Leinwand, sondern zeigt ihr Spiel mit Form und Farbe in Techniken, die zum Kunstgewerbe zählen. Den großformatigen Teppich „Rug (estamos en contacto)“ hat eine mexikanische Weberei, mit der sie seit 2013 zusammenarbeitet, nach ihren Entwürfen gefertigt. Die Werkgruppe „Sequitur“ von sieben kleinformatigeren Bildern hat Müller dagegen eigenhändig in Emaille erstellt. Bei dieser Technik wird Glas unter Hitzeeinwirkung auf Metall geschmolzen und fixiert. Müllers Werke sind von Linien geprägt, die, aus der Ferne betrachtet, klare Grenzen zwischen einfarbigen Farbfeldern bilden. Manche der von vertikalen Achsen durchschnittenen Werke geben gegenständliche Motive zu erkennen, andere lassen solche höchstens erahnen und regen so die Vorstellungskraft an. Müller weitet ihren Ansatz über die Bildwerke hinweg auf den Raum aus und hat eigens für diese Ausstellung eine Wandmalerei entworfen, die ebenfalls mit kontrastierenden Farbfläch spielt. „ Farbige Wände verkomplizieren das Verhältnis zwischen Figur und Grund innerhalb der Bilder und werfen Fragen dazu auf, wo sie beginnen und enden“, so die Künstlerin. Während die Emaille-Bilder und der Teppich Farbflächen ohne Tiefenwirkung zeigen, verknüpft Müllers Wandmalerei die Werke mit dem Raum – und umgibt uns dadurch mit ihrer Formwelt.

Die öffentliche Preisverleihung ist unter Vorbehalt geplant für den Dienstag, 27. Oktober 2020, 19 Uhr. Auf Grund der aktuellen Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr wird derzeit geklärt, ob und in welcher Form die Verleihung des Preises an die in den USA ansässige Künstlerin an diesem Termin stattfinden kann.

Die Begründung der Jury:

„Ulrike Müller überzeugt durch Abstraktion. Ihr Werk ist eine der präzisesten Positionen im Feld der feministischen und queeren Malereidiskurse der Gegenwart. Widerstand und Eigenleben entstehen unter anderem im Verschwimmen von Grenzen. In ihren Web- und Emaille-Arbeiten verschmelzen die Kanten von Materialien und Farben. Ulrike Müller verwendet handwerkliche Verfahren, mit denen die malerische Form in eine distanzierte Präsenz gelangt.

Die eher in New York und Wien bekannte österreichische Künstlerin erfährt durch den Kunstpreis Böttcherstraße erstmalig eine große Würdigung im deutschsprachigen Raum.“

Die Mitglieder der Jury 2020 sind:

  • Yilmaz Dziewior Direktor des Museum Ludwig, Köln 
  • Stephanie Rosenthal Direktorin des Gropius Bau, Berlin 
  • Christoph Ruckhäberle Künstler und Professor für Malerei/Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 
  • Susanne Titz Direktorin des Museum Abteiberg, Mönchengladbach

Für den Kunstpreis der Böttcherstraße 2020 nominiert und in der Ausstellung vertreten sind:

Bani Abidi (geboren 1971 in Karatschi, Pakistan, lebt in Berlin) vorgeschlagen von Natasha Ginwala, Gropius Bau, Berlin
Nevin Aladağ (geboren 1972 in Van, Türkei, lebt in Berlin) vorgeschlagen von Johan Holten, Kunsthalle Mannheim
Jesse Darling (geboren 1984 in Coventry, UK, lebt in Berlin und London) vorgeschlagen von Dr. Andrea Schlieker, Tate Britain, London
Toulu Hassani (geboren 1984 in Ahwaz, Iran, lebt in Hannover) vorgeschlagen vom Stifterkreis des Kunstpreis der Böttcherstraße, Bremen
Janine Jembere (geboren 1985 in Magdeburg, lebt in Wien) vorgeschlagen von Dr. Yvette Mutumba, Contemporary And (C&) und Universität der Künste, Berlin
Anne Duk Hee Jordan (geboren 1978 in Korea, lebt in Berlin) vorgeschlagen von Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, SAVVY Contemporary, Berlin
Ulrike Müller (geboren 1971 in Brixlegg, Österreich, lebt in New York) vorgeschlagen von Prof. Dr. Christoph Grunenberg, Kunsthalle Bremen
Henrike Naumann (geboren 1984 in Zwickau, lebt in Berlin) vorgeschlagen von Severin Dünser, Belvedere 21, Wien
Raphaela Vogel (geboren 1988 in Nürnberg, lebt in Berlin) vorgeschlagen von Thomas D. Trummer, Kunsthaus Bregenz
Stefan Vogel (geboren 1981 in Fürth, lebt in Leipzig) vorgeschlagen von Prof. Dr. Bettina Steinbrügge, Kunstverein in Hamburg

Der Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen

Seit über sechzig Jahren wird der Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen verliehen. Er zählt zu den anerkanntesten und mit 30.000 Euro Preisgeld am höchsten dotierten Auszeichnungen, die im Bereich der zeitgenössischen Kunst in Deutschland vergeben werden. Im Zweijahresrhythmus schlagen zehn angesehene Kurator*innen unabhängig voneinander je eine*n Künstler*in vor, die/ der aus dem deutschsprachigen Raum stammt oder in ihm lebt. Eine unabhängige Jury bestimmt dann die/ den Gewinner*in der Wettbewerbsausstellung. 2020 wird die Auszeichnung zum 47. Mal vergeben. Getragen wird der Kunstpreis seit 1985 von einem Stifterkreis, der sich aus engagierten Mitgliedern des Kunstvereins in Bremen zusammensetzt. Der Stifterkreis ermöglicht zudem den Ankauf eines Werks des/ der jeweiligen prämierten Künstlers*in. Der Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen hat sich im Lauf seiner Geschichte zum aussagekräftigen Stimmungsbarometer der internationalen Kunstszene entwickelt. In der Vergangenheit waren unter den vorgeschlagenen und ausgezeichneten Künstler*innen zahlreiche Namen, die in den folgenden Jahren in der internationalen Kunstszene große Aufmerksamkeit erhielten: etwa Wolfgang Tillmans und Tomma Abts, die später mit dem Turner Prize ausgezeichnet wurden, oder Dirk Skreber, der den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst erhielt.

Vorherige Preisträger des Kunstpreises der Böttcherstraße in Bremen

2018: Arne Schmitt
2016: Emeka Ogboh
2014: Nina Beier
2012: Daniel Knorr
2009: Thea Djordjadze
2007: Ulla von Brandenburg
2005: Clemens von Wedemeyer
2003: Tino Sehgal
2001: Heike Aumüller
1999: Olaf Nicolai
1997: Ólafur Elíasson
1995: Wolfgang Tillmans
1993: Martin Honert
1991: Thomas Lehnerer
1989: Stephan Balkenhol
1987: Eberhard Bosslet
1985: Martin Disler

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (18 Euro | ISBN 978-3-935127-45-5).

Aktuelle und kommende Ausstellungen
Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen 2020, bis 1. November 2020
Remix 2020. Die Sammlung neu sehen, seit 6. Juni 2020
Die Picasso-Connection. Der Künstler und sein Bremer Galerist, 21. November 2020 bis 21. März 2021

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