Der Nobelpreis für Chemie 2020 geht an Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna  für die Entdeckung und Entwicklung der molekularen Genschere CRISPR-Cas. „Die Entdeckung von CRISPR-Cas ist ein absoluter Glücksfall für die Lebenswissenschaften. Sie hat eine Revolution in so unterschiedlichen Bereichen wie Medizin, Biotechnologie oder Landwirtschaft ausgelöst – und dabei stehen wir erst am Anfang“, sagt Prof. Dr. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Die Entdeckerinnen erhalten völlig zu Recht den Nobelpreis.“ Derzeit leitet Prof. Cathomen präklinische Studien zur Anwendung der Genscheren-Technologie an Patient*innen mit HIV oder Krebs. Allerdings fordert er auch klare Grenzen. „Wir möchten Patient*innen helfen und nicht Menschen nach unserem Wunsch designen“, warnt der Genetiker.

Warum ist CRISPR-Cas nobelpreiswürdig?

Auch vor CRISPR-Cas war es möglich, das Erbgut an bestimmten Orten zu schneiden. Die erst vor acht Jahren entdeckte Methode hat aber große Vorteile gegenüber bisherigen Verfahren. „CRISPR-Cas ist sehr einfach, kostengünstig und schnell“, sagt Prof. Cathomen, der vor rund 20 Jahren als einer der ersten weltweit Genscheren für menschliche Zellen anpasste. Er ist Mitherausgeber eines kürzlich erschienen Buchs, in dem die Funktion von CRISPR-Cas einfach verständlich erläutert wird. „Mit CRISPR-Cas führen Forscher*innen Experimente innerhalb von Wochen durch, die sonst Monate oder gar Jahre gedauert hätten.“ Die Genscheren können in menschlichen Zellen, Tieren, Pflanzen oder Bakterien eingesetzt werden.

Wie funktioniert die Genschere CRISPR-Cas?

„CRISPR-Cas sind Genscheren, die im Prinzip ähnlich funktionieren wie Haushaltsscheren. Statt Papier können wir damit Gene schneiden“, erläutert Prof. Cathomen. „Indem wir mit Genscheren die DNA an bestimmten Abschnitten schneiden, können wir krankmachende Gene gezielt ausschalten oder sogar durch gesunde Gene ersetzen“, sagt der Experte für Gentherapie. In klinischen Studien wird CRISPR-Cas bereits bei aggressiven Blutkrebs-Formen, bestimmten Erbkrankheiten der Blutbildung sowie der HIV-Therapie getestet.

Wie soll eine HIV-Therapie auf Basis von Genscheren ablaufen?

Damit HI-Viren in Immunzellen eindringen und sich dort vermehren können, benötigen sie eine Eintrittspforte, das Oberflächenprotein CCR5. Darum schneiden die Freiburger Forscher*innen das Gen für CCR5 aus den Immunstammzellen von HIV-Patient*inen heraus. Die Zellen können nicht mehr infiziert werden. „Die Patient*innen wären dann dauerhaft von HIV geheilt“, sagt Prof. Cathomen.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Nutzung von CRISPR-Cas?

„Ich persönlich werde Genscheren niemals einsetzen, um in die Keimbahn von Menschen einzugreifen. Dafür verstehen wir die Auswirkungen noch lange nicht ausreichend“, sagt der Freiburger Forscher*innen. Eingriffe in die Keimbahn verändern Ei- und Samenzellen und werden so auch auf spätere Generationen vererbt. Derartige Eingriffe sind in Deutschland verboten, in anderen Ländern wie Großbritannien, USA oder China aber nicht.

Mehrfach wurde die unzureichende Präzision der Methode kritisiert. Durch Fehlschnitte sei es möglich, Krebs oder andere schwere Krankheiten auszulösen. „CRISPR-Cas ist zunächst für die Forschung von immenser Bedeutung. Ganz wichtig ist, dass wir den Einsatz im Menschen nicht überhastet vorantreiben. Hier müssen wir alle üblichen Sicherheitsvorkehrungen der Medizin beachten.“

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