Frühzeitige Reisebeschränkungen haben wesentlich dazu beigetragen, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und die durch Covid-19 verursachten Todesfälle niedrig zu halten. So hatten Länder, die bereits im Februar oder Anfang März Einreisebeschränkungen verhängten, bis zur Jahresmitte deutlich weniger Corona-Tote zu beklagen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Ruud Koopmans, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), in der er für 181 Länder untersucht hat, wie internationale Reisebeschränkungen und Covid-19-Sterblichkeitsraten zusammenhängen.

Bis Mitte März 2020 waren die WHO, die EU und auch zuständige Behörden in Deutschland der Annahme, dass sich das Virus durch Grenzschließungen nicht aufhalten lasse. „Diese Annahme war ein fataler Irrtum“, sagt Ruud Koopmans und fordert: „Reisebeschränkungen sollte ein viel größeres Gewicht beigemessen werden. Das gilt für die Eindämmung bevorstehender Wellen der aktuellen Pandemie, aber auch für ähnliche Pandemien in Zukunft.“.

In seiner Studie wendet er soziologische Theorien der Netzwerkdiffusion auf die Verbreitung von Covid-19 an und liefert eine wichtige Erklärung für die zum Teil erheblichen internationalen Mortalitätsunterschiede. Länder, die stark dem internationalen Reise- und Tourismusverkehr ausgesetzt sind – wie Frankreich, Italien und die USA – haben deutlich mehr Todesfälle in Folge von Covid-19 zu verzeichnen. Länder mit einem niedrigen Reiseverkehrsaufkommen sowie Inselstaaten haben dagegen wesentlich niedrigere Sterblichkeitsraten.

Angesichts dieser großen Bedeutung von Reiseverkehrsströmen untersucht die Studie die Wirkung von Einreiseverboten und verpflichtenden Quarantänen für Reiserückkehrer auf die Zahl der Todesfälle durch Covid-19. Diese Maßnahmen waren umso wirksamer, je früher ein Land reagierte. Entscheidend war, dass Reisebeschränkungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die lokale Verbreitung des Virus noch überschaubar war. Vergleicht man die Gruppe der Länder, die bis Anfang März Reisebeschränkungen einführten, mit der Gruppe der Länder, die dies erst ab Mitte März oder gar nicht taten, zeigt sich, dass die Mortalität in der ersten Ländergruppe um geschätzt 62 Prozent niedriger ist als in der zweiten Gruppe von Ländern.

Zu den Ländern, die frühzeitig Reisebeschränkungen einführten und dadurch die Todesfälle erheblich begrenzen konnten, gehören zum Beispiel Australien, Israel und Tschechien. Länder, die spät reagierten, sind etwa Großbritannien, Frankreich und Brasilien. Deutschland führte Reisebeschränkungen eher spät ein, allerdings nicht so spät wie die letztgenannten Länder.  

Die Studie liefert ebenfalls Hinweise darauf, welche Art von Reisebeschränkungen den größten Effekt hatten. So erzielten obligatorische Quarantänen für Einreisende mehr Wirkung als Einreiseverbote. Der Grund dafür dürfte sein, dass Einreiseverbote oft Ausnahmen für zurückkehrende Bürger und Personen mit ständigem Wohnsitz enthalten. Im Gegensatz dazu gelten Quarantänemaßnahmen in der Regel für alle Einreisenden, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus. Die Studie zeigt ebenfalls, dass gezielte Reisebeschränkungen (hier gemessen an Einreiseverboten und Quarantänen für Reisende aus China und Italien) effizienter waren als Beschränkungen, die auf alle ausländischen Länder abzielten.

Die Studie ist als „WZB Discussion Paper“ erschienen und steht als Download zur Verfügung: A Virus That Knows No Borders? Exposure to and Restrictions of International Travel and the Global Diffusion of COVID-19, WZB Discussion Paper SP VI 2020–103, October 2020.

Ruud Koopmans ist Direktor der Forschungsabteilung Migration, Integration, Transnationalisierung am WZB und Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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